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man das Unglück zuschrieb, zu befreien. Aber als man im Laufe der Zeit die höhere Auffassung, wonach man alles Leid auf eine erzürnte Gottheit zurückführte, auch auf die Zustände des einzelnen, zunächst des Herrschers und sodann auf Individuen im Allgemeinen anwandte, kam man dazu, Klagelieder, die auch auf die unglückselige Lage des einzelnen passten, zu verfassen und ihnen ebenfalls unter Begleitung eines entsprechenden Versöhnungsrituals irgend welcher Art eine Stelle neben den öffentlichen Klageliedern einzuräumen. Bei diesen persönlichen Klageliedern ist nun nicht nur die Hervorkehrung des Bussmotivs durch die Betonung des Schuldbewusstseins und der zuweilen direkten Einführung eines Sündenbekenntnisses bemerkenswert, sondern auch der grössere Raum, den die Klage einnimmt, gegenüber der allmählichen Verkürzung der Götteranrufung, die zuweilen sogar ganz und gar fehlt.1) Daher stehen vom literarischen Standpunkte aus diese persönlichen Klagelieder auf einer viel höheren Stufe, und je mehr sie sich dem Charakter von wirklichen Bussgebeten nähern, desto erhabener wird die Sprache und desto stärker tritt der ethische Gesichtspunkt hervor, der allerdings, wie wir sahen, auch bei den Beschwörungstexten zum Vorschein kommt.2)

Die öffentlichen Klagelieder entsprechen gewissermassen den lose aneinander gereihten Kapiteln, die das biblische „Buch der Klagelieder" bilden und die aus Veranlassung des grossen nationalen Unglücks, das Nebukadnezar durch Zerstörung des jüdischen Tempels herbeiführte, gedichtet wurden, während die persönlichen Klagelieder gewissen biblischen Psalmen an die Seite gestellt werden können, in denen ebenfalls die Klage über persönliches Leid - selbst angenommen, dass das „Ich" der Psalmen die jüdische Gemeinde darstellt - die Grundlage bildet und das Schuldbewusstsein ebenfalls einen so ergreifenden Ausdruck findet. In der Tat verdienen einige der als er-scha-ku-mal geltenden oder als solche zu betrachtenden Gebete der Babylonier die Auszeichnung, die ihnen zu teil geworden ist, mit Erzeugnissen des biblischen Geistes verglichen zu werden. Auf jedem Fall gehören diese Gebete zu den schönsten Blüten des religiösen Ernstes, der in dem Euphrattal entwickelt wurde und auch zu den Assyrern drang. Aber anderseits ist selbst bei den erhabensten der babylonisch-assyrischen Bussgebete der allgemeine Ursprung aller Gebete und Hymnen aus den Beschwörungsformeln nicht zu verkennen, und so stossen wir ganz unverhofft bei diesen Erzeugnissen wie bei den schönsten Hymnen und Gebeten auf Ausdrücke und Anschauungen, die direkt auf Beschwörungstexte hinweisen.

Ganz besonders aber ist, um die Stellung der Klagelieder der öffentlichen wie der persönlichen — innerhalb der religiösen Literatur

1) Z. B. Haupt, Akkadisch-Sumerische Keilschrifttexte Nr. 19.

2) Siehe oben I, S. 325 folg.

Babyloniens und Assyriens ins rechte Licht zu stellen, nochmals zu betonen, dass eine scharfe Grenzlinie zwischen den Klageliedern und den im vorhergehenden Kapitel behandelten Gebeten und Hymnen nicht zu ziehen ist. Die Klagelieder und selbst solche, die als Bussgebete bezeichnet werden können, sind als ein Zweig der Gebete- und Hymnenliteratur aufzufassen, und Zimmern1) warnt neuerdings mit Recht gegen die Tendenz, die noch immer in populären Schriften vorherrscht,) diese ,,Bussgebete", die selbst ja nur einen geringen Teil der Klagelieder darstellen, als eine isolierte Erscheinung innerhalb der babylonisch-assyrischen Literatur zu betrachten und zu behandeln.

Was die Datierung der einzelnen Klagelieder betrifft, so sind in den meisten Fällen die Anhaltspunkte ebenso unbestimmt und ungenügend wie bei den Götterhuldigungen in den Hymnen und Gebeten im allgemeinen. Nur bei einigen aus Aschurbanapals Sammlung stammenden Klageliedern, die dem assyrischen König in den Mund gelegt werden und sonst in vereinzelten Fällen ) ist es möglich, den ungefähren Zeitpunkt zu bestimmen. Bei den andern Klageliedern persönlicher Art kam es eben darauf an, sie so unbestimmt als möglich zu gestalten, damit sie sich für verschiedene Gelegenheiten als passend erweisen möchten. Was sodann die grosse Masse der uns vorliegenden öffentlichen oder allgemeinen Klagelieder anbetrifft, so hat es allerdings den Anschein, als ob viele auf ein ganz bestimmtes nationales Unglück zurückgehen, bei dem Städte verheert, Tempel geplündert und Menschen vertrieben wurden. Aber man gewinnt den Eindruck, dass man die in schwungvoller Sprache abgefasste Beschreibung dieses Unglücks als Muster für die Klagelieder des öffentlichen Kults benutzte und schablonenhaft bei einer ganzen Reihe von solchen Klageliedern, die an verschiedene Götter gerichtet waren, mit hinein verarbeitete. Bei dieser Annahme erklären sich ungezwungen die auffallenden Übereinstimmungen, die wir in den meisten der von Reisner veröffentlichten Texte finden. Immer wieder kommen dieselben Namen der Haupttempel des Landes vor und gewöhnlich in derselben

1) Keilinschriften und das Alte Testament S. 609 Anm. 1.

2) So neuerdings Bahr, Die babylonischen Busspsalmen und das Alte Testament (Berlin 1903) S. 1, der noch dazu die Sache so darstellt, als ob die ,,Busspsalmendichtung" einer bestimmten Zeit angehöre. Auch Casparis anregendes und viel Wertvolles enthaltendes Büchlein über ,,die Religion in den Assyrisch-Babylonischen Busspsalmen" (Gütersloh 1903) leidet an diesem Grundfehler, der hier um so auffallender ist, als Caspari auf die Beziehungen der Busspsalmen zu den gewöhnlichen Gebeten öfters hinweist, ohne jedoch den logischen Schluss daraus zu ziehen, dass die Busspsalmen keine besondere Gattung bilden. Ferner ist bei Caspari's Werk zu tadeln, dass er die Klagelieder in der Reisnerschen Sammlung gar nicht berücksichtigt, wodurch ihm natürlich vieles entgangen ist.

3) So z. B. in einem Gebet aus der Zeit Schamasch-schumukins bei Scheil Une Saison de Fouilles à Sippar S. 95. Vergl. auch S. 96 u. 105.

Reihenfolge.1) Auch dieselben Götteranrufungen,) und ganze Absätze von verschiedenem Umfang finden wir in einer beträchtlichen Anzahl dieser Texte,) und in so starkem Masse ist dies der Fall, dass man den Charakter der ganzen Sammlung durch Vorführung von ein paar Texten kennen lernen kann. Die Basis für die ganze Sammlung scheint ein Klageritual für den Belkult zu Nippur gewesen zu sein. Das Unglück, worauf so konsequent angespielt wird, wird also vermutlich der älteren Periode babylonischer Geschichte angehören, als Nippur den politischen Mittelpunkt bildete. Aber wie bereits angedeutet, wird die Beschreibung des Unglücks sowie die Anrufungen von Göttern, Tempeln und Städten entweder um ihre Hilfe aus den bedrängten Umständen direkt zu erlangen oder was gewöhnlich der Fall ist - zur Fürsprache bei dem Hauptgott zu bewegen, als Muster benutzt und mit den nötigen Anderungen und Einschiebungen auf spätere Zustände und auf andere Götter angewandt.) Also auch hierdurch, indem man die selbe Dichtung verschiedenen Zwecken anzupassen versuchte, kommt die Zugehörigkeit der Klagelieder zu der allgemeinen Gebet- und Hymnenliteratur, wo wir dieselbe Erscheinung angetroffen haben,") zum Ausdruck. Was einst dem Bel von Nippur zu Ehren gedichtet war, wurde auf Marduk wie auch auf Schamasch, Ninib und selbst Nergal") angewandt, und was ursprünglich der Nin-lil oder Belit von Nippur galt, passte man dem späteren Ischtarkult an. Je nach den Umständen identifizierte man die Nanâ von Erech, die Sarpanitum von Babylon, die Gula und selbst die Taschmitum die Gemahlin des Nebo mit der grossen Muttergöttin. Ja, man ging noch einen Schritt weiter; denn als man darauf kam, Klagelieder für den öffentlichen Kult nach einer gewissen Schablone oder besser ausgedrückt nach gewissen Schablonen abzufassen, so scheute man sich nicht ältere Erzeugnisse, die im grunde genommen nur Huldigungen und Bittgesuche darstellen, ohne das Klagemotiv aufzuweisen oder selbst an

1) Vergl. z. B. Reisner Nr. 3, obv. 3—15; Nr. 4, 139–150; Nr. 5, rev. 4—14 (abweichend); Nr. 17, obv. 4—13; Nr. 20a, obv. 5-15; Nr. 20 b, obv. (abweichend); Nr. 25 obv. 17-24 usw. usw. Weitere Beispiele unten.

2) Z. B. Reisner Nr. 1, obv. 3-10; Nr. 2, obv. 3-9; Nr. 6, obv. 7-13; (abweichend); Nr. 7, obv. 24-27; Nr. 7, obv. 10-13; Nr. 8, obv. 4-8; Nr. 22, rev. 4-15 usw. usw. Weitere Beispiele unten.

3) So z. B. die amâtu Absätze bei Reisner Nr. 1-10, 12, 14 usw.; die sogenannten „,starken Namen" z. B. Nr. 13, obv. 3—11; Nr. 14, rev. 5—14; Nr. 21, obv. 6-15; Nr. 26, obv. 17-26 usw. Ferner Nr. 18 obv. verglichen mit Nr. 20a und 20b obv. usw.

4) Reisners Angabe (a. a. O.) S. XIX, dass ,,wohl sämtliche Hymnen entweder an Bel oder an Ischtar gerichtet sind", ist daher nicht zutreffend. Die Sammlung enthält auch Gebete an Schamasch, Marduk, Sarpanitum und an die babylonische Ischtar, aber der Grundstock besteht aus Klageliedern, die ursprünglich an En-lil und Nin-lil gerichtet wurden.

5) Siehe oben I, S. 476 folg. und besonders bei den Marduk-Hymnen 495 folg., 503 folg. usw. 6) Siehe oben I, S. 476.

zudeuten, nach diesen Schablonen umzuarbeiten oder durch Zusätze, die gewöhnlich am Ende hinzugefügt werden, ihnen den Charakter von Klageliedern aufzuzwingen.

Wenn man die älteren Bel- und Belitklagelieder spätern Umständen und andern Göttern, ganz besonders aber dem Marduk- und Sarpanitumkult anpasste, so führte man auch Abwechslung dadurch herbei, dass man den Refrain, der bei den Klageliedern einen charakteristischen Zug bildete, änderte; aber auch hier hielt man sich, wie es scheint, an eine immerhin beschränkte Anzahl stereotyp gewordener Phrasen und kleineren Absätzen.1) Aus dem Umstande also, dass eine grosse Anzahl der uns vorliegenden öffentlichen Klagelieder dem Kulte Marduks und seiner Gemahlin angepasst sind, ist also nur der eine Schluss zu ziehen, dass die betreffenden Texte aus dem Archiv des Marduktempels zu Babylon stammen. Die Übertragung der älteren Belklagelieder auf Marduk entspricht also der Anpassung von Belhymnen und Gebeten an den Mardukkult, auf die wir im vorigen Kapitel aufmerksam gemacht haben.) Aber anderseits dürfen diese Bel-Marduk-Klagelieder als allgemeine Beispiele für diesen Zweig der Gebet- und Hymnenliteratur gelten, umsomehr da man in der Tat das Nippursche Klageritual auch auf den Kult anderer Götter ausdehnte. Schliesslich ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass in der Reisnerschen Sammlung eine beträchtliche Anzahl von Texten nur in ideographischer Gestalt vorliegt, wenn uns auch in vielen Fällen Paralleltexte zur Verfügung stehen, in denen neben der ideographischen oder ,,sumerischen" Form die phonetische hinzugefügt wird. Auch bei den älteren er-schem-ma Texten herrscht die ideographische Form vor,3) während bei den vermutlich späteren Klageliedern persönlicher Art die Texte meistens in doppelter Rezension vorliegen, obwohl innerhalb derselben kleinere oder grössere Absätze - gewöhnlich die aus den öffentlichen Klageliedern, entlehnten Götteranrufungen oder feststehende Refrains - nur in,,ideographischer" Gestalt mitgeteilt wurden.) Man muss sich aber hüten, aus dieser äusseren Gestalt der Klagelieder, so wichtig sie von einem gewissen Standpunkt aus auch ist, voreilige Schlüsse zu ziehen. Bereits Zimmern) hat die Vermutung ausgesprochen, dass die ,,sumerische" Fassung, in den von ihm behandelten Texten, eine Rückübersetzung aus der babylonischen Rezension sei. Auch die neu-babylonischen Kopien in der Reisnerschen Sammlung wird man gewiss, wenn auch in „sumerischer" Form geschrieben, als „babylonisch" gelesen haben, was schon daraus hervorgeht, dass man bei den vorliegenden Beispielen von Texten in doppelter Gestalt sich gewöhnlich in der babylonischen Übersetzung auf die Wiedergabe des zum Verständnis notwendigsten beschränkte und

1) Beispiele unten S. 25.

2) Siehe oben I, S. 503 folg.

3) So in den Texten Cuneiform Texts XV, Pl. 10—23.
4) Beispiele unten.

5) Zimmern, Busspsalmen S. 1.

bei Wiederholungen sogar selten die Übersetzung nochmals angab.1) Dass wir auch in dieser Sammlung auf Texte stossen, die durchweg in doppelter Gestalt) und zwar mit genauer Wiedergabe der „ideographischen" Form durch phonetische Transskription geschrieben sind, ändert an der Tatsache nichts, dass man die „,ideographische" Abfassung von religiösen Texten für die spätere Zeit nur als ein Ausfluss des konservativen Geistes, den die babylonische Religion mit allen andern Religionen teilt, zu betrachten hat. Immerhin folgt, dass der „,ideographische" Stil gleichviel ob ursprünglich als „sumerisch" oder „babylonisch“ zu lesen — den älteren darstellt, aber die Existenz einer sumerischen Sprache zugegeben sowie den „sumerischen" Ursprung der babylonischen Kultur, so liegt doch keine Veranlassung vor, selbst die ältesten er-schem-maDichtungen als „,sumerische" Erzeugnisse zu betrachten. Auch bei diesen haben wir es wohl zweifellos nur mit einer „,ideographischen" Gestalt zu tun, während bei solchen, die durchgängig in doppelter Rezension vorliegen, in der Tat schwerwiegende Gründe dafür sprechen, dass die „ideographische" Form auf einer künstlich hergestellten „Rückübersetzung" aus dem „phonetischen" Stil beruht. Nach diesen Vorbemerkungen können wir zu der Vorführung einiger Beispiele der „öffentlichen" Klagelieder schreiten, und wie bereits angedeutet, genügen ein paar Texte, um den allgemeinen Charakter dieser Abteilung der Klagelieder zu beleuchten.

Der Anfang sei mit einem ursprünglich an den Bel von Nippur gerichteten Klagelied gemacht,) das vom literarischen Standpunkt aus

1) Z. B. Nr. 4, 3 folg.; Nr. 6, 7 folg.; Nr. 8, 4 folg.; Nr. 10, obv. 5 folg., rev. 45 folg.; Nr. 18 obv.; Nr. 55 rev. usw. usw.

2) Z. B. Nr. 31 u. 56, 58, 60.

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3) Für diese Auffassung sprechen z. B. die Varianten in der,,phonetischen" Transscription, die wir öfters antreffen (z. B. Reisner Nr. 2, obv. 30, Nr. 4, 73 und 91 Nr. 6, Rev. 18 usw.), und die eben anzeigen sollen, dass der,,ideographische" Text verschiedentlich gelesen werden kann. Wäre die „phonetische Gestalt der Dichtungen rein als Übersetzung einer,,sumerischen" Unterlage zu betrachten, so hätten die Varianten keinen Zweck, da es doch nur darauf ankommen würde, den Sinn der Unterlage wiederzugeben. Die Varianten selbst angenommen, dass wir es bei manchen dieser Kopien mit Schülerarbeiten zu tun haben (vergl. Böllenrücher, Gebete und Hymnen an Nergal S. 50) deuten eben darauf hin, dass die ,,ideographische" Form als babylonisch aufgefasst wurde und auch als babylonisch gelesen wurde, d. h. dass sich die Schreiber bei der Aufsetzung einer „ideographisch" geschriebenen Hymne bewusst waren, dass sie babylonisch schrieben und die,,ideographische" Form als eine von der Tradition an die Hand gegebene wählten. Um aber Missverständnisse zu vermeiden und behufs Ausbildung der jungen Priester wurde die phonetische Transscription an den nötigen Stellen oder durchweg beigegeben.

4) Reisner a. a. O. Nr. I. Von Messerschmidt in seiner Dissertation bearbeitet, Tabula Babylonica V.A. Th. 246 Musei Berolinensis primum editur commentarioque instruitur (Kirchhain 1896). Der Kommentar erstreckt sich aber nur über die ersten 53 Zeilen.

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