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herumtreibt, ist ein rechtloser und friedloser Mann, und sein Vermögen ist verfallen. Wer sich mit Liederzauberei und Hexerei abgibt, soll aus dem Lande des Königs fahren". Das Drontheimer Recht setzt fest: „I Das ist eine bußlose Tat, draußen zu sitzen. Das ist eine bußlose Tat, Finnfahrten zu machen, zu fahren, um Weissagungen zu holen. Das ist die übelste Hexe, die Kuh oder Kalb, Weib oder Kind beschädigt. Und wenn Hexenwerk gefunden wird in den Betten oder Polstern der Leute, Haare oder Froschfüße, Menschennägel oder sonst Dinge, die geeignet scheinen zur Zauberei, da kann man drei Weibern Schuld geben zu gleichen Teilen. Niemand soll an Finnen glauben oder an Zauberer oder an Hexerei oder Opfergegenstände oder Wurzeln. Jedes Weib, das mit Zaubermitteln umgeht, und vorgibt, daß sie den Leuten helfen („büßen“) könne, ist sie dessen überführt, ist sie bußfällig um drei Mark. Wenn das einer Frau vorgeworfen wird, daß sie einen Mann reite oder dessen Dienstleute, wenn sie dessen überwiesen wird, da ist sie bußfällig um drei Mark" (vgl. S. 65).

Der Glaube an Zauberei und Weissagerei ist noch heute. nicht erloschen. Noch heute kommen hier und da merkwürdige Ausbrüche dieses Volkswahnes zum Ausbruche. Jedenfalls sind die harmlosen,,Böt"kuren der,,weisen Männer und Frauen" auf dem Lande, die in den uralten Glaubensvorstellungen der Naturbeseelung wurzeln und niemandem schaden, den Wunderkuren der städtischen Kurpfuscher und den „,Gebetsheilungen" vorzuziehen. Noch heute übt der Spiritismus denselben unverwüstlichen Einfluß auch auf entwickeltere Kulturmenschen aus, wie der Glaube an die Fortdauer der Seele auf die Menschheit in ihrer Kindheit. Kein besonnener Forscher, so sagt einer der bewährtesten und nüchternsten Gelehrten auf dem Gebiete des Aberglaubens und der Zauberei von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart, wird heute von vornherein die Möglichkeit leugnen, daß es noch unbekannte Kräfte in der menschlichen Natur geben kann. Eines aber ist sicher: bis jetzt ist es noch keinem gelungen, einen unumstößlichen Beweis für das Vorhandensein derartiger Kräfte zu liefern.

Fünfter Hauptteil.

Vorstellungen vom Anfang und Ende der Welt.

Die Schöpfung der Welt.

Die nordische Kosmogonie steht vollständig auf dem Standpunkte mythischer Naturanschauung, entbehrt aber dabei keineswegs spekulativen Wertes. Zunächst galt es, Raum für die Welt zu schaffen. Da dieser nur einen Teil des ganzen Weltraumes einnimmt, war es möglich, alles aus ihm wegzudenken und selbst Licht und Finsternis in andere Räume zu verlegen. Dieser absolut leere Raum heißt im Norden Ginnunga gap (großer Schlund).

Land und Wasser war noch nicht getrennt, Erde gab es nicht, noch Himmel oben, nur gähnende Kluft war, aber Gras nirgends. So sah es in der Urzeit aus, und in diesem leeren, für unsere Welt bestimmten Raume wohnte nur Ymi, der Urriese [der Brausende, Tosende]. Aber dann hoben Bors Söhne, die Götter Odin, Wili und We, aus den Fluten [= Ymi] die Erdscheibe empor, schufen den schönen Midgard [den in der Mitte der Welt gelegenen Wohnsitz der Menschen], und der nackte, nur mit Steinen bedeckte Meeresgrund ward sichtbar. Als dann die Sonne darauf schien, sprossten grüne Kräuter aus dem Boden empor. Auf die Schöpfung der Riesen und Götter folgt in aufsteigender Reihenfolge weiter die der Zwerge, der menschenähnlichen Gebilde", und dann der Menschen selbst: nur zwei Zwerge und zwei Menschen wurden geschaffen, und von diesen Ahnherren stammt das ganze Geschlecht der Zwerge und Menschen ab. Mit der Entstehung des ersten Menschenpaares ist die Urzeit und Schöpfung zu Ende. Die Götter versammeln sich auf dem Idafelde [,Arbeitsfeld"], legen Essen an, schmieden das Gold, stellen Zangen und andere Werk

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zeuge her, bauen Altäre und errichten Tempel. Von ihnen lernen die Menschen den Gebrauch der einfachsten Künste und die Art und Weise, ihre gütigen Lehrmeister zu verehren. Nun geben sich die Götter sorglos dem Brettspiele hin und sind fröhlich: alles, was sie in den Händen haben, ist aus Gold, sie haben ihr goldenes Zeitalter, bis aus dem Riesenlande drei übermächtige Mädchen erscheinen, die Nornen. Ihr Auftreten bedeutet das Ende des ersten glücklichen Lebens der Götter und den Anfang eines schwereren, mühevolleren Daseins, voll von Kampf und Not: der erste Krieg in der Welt bricht aus (Vol. 3-21).

Ginnunga gap ist also der Raum, der übrig bleibt, wenn man Himmel und Erde, überhaupt die Welt hinwegdenkt, und bezeichnet jenen Teil des unendlichen Raumes, der für unsere Welt bestimmt ist. Wenn sich der Blick des Menschen in die Höhe richtete, vom Gipfel des Berges in die Ferne oder Tiefe, so konnte die Ansicht entstehen, daß einst nichts war wie der Raum und darin unentwirrter, weil ununterscheidbarer Urstoff. Aus dem unendlichen Raum in Höhe und Tiefe entstanden dann die Vorstellungen, nach denen die Welt dem unendlichen Raume wie dem begrenzten Teile des Raumes, dem Abgrunde, durch Entwickelung und Entwirrung des Urstoffes entstammt. Dieser für die Welt bestimmte leere Raum war angefüllt von Ymi; wo seine Glieder sich ausbreiteten, war Ginnunga gap ausgefüllt; aber wo die Grenzen. des Meeres und der Erde anstießen, musste man unmittelbar auf den großen Schlund geraten. Das Meer, das die Nordleute im Westen und Norden umgab, mußte irgendwo in weiter Ferne aufhören, und da die Erde als eine flache, rings vom Meere umgebene Scheibe galt, konnte man leicht in die gähnende Kluft stürzen, wenn man zu weit nach Norden segelte. Der nach Norden gelegene Teil war mit Eis und Reif angefüllt, im südlichen brannte Feuer. Diese Vorstellung entspricht genau den klimatischen Verhältnissen des Nordens. (Kälte im Norden, Wärme im Süden), und Ginnunga gap mußte darum außerhalb ihres Meeres gelegen sein, anfangs nördlich von Norwegen, für die spätere Zeit, die ihre Entdeckungsfahrten nach Westen ausdehnte, im 14 Jhd. zwischen Winland (Neu-Schottland) und Grönland, oder zwischen Winland und Markland (Neu-Fundland), oder endlich im 17. Jhd.

zwischen Grönland und Helluland (Labrador); damals erhielt auch,,Ginnungegap fretum" seinen Platz auf der Karte. König Harald der Harte versuchte im Eismeere nördlich von Norwegen bis an das Ende der Welt vorzudringen, entronn aber, als vor seinen Augen die Grenzen der schwindenden Welt düster da lagen,,,dem ungeheueren Schlunde des Abgrundes" kaum mit rückwärts gerichteten Schritten wohlbehalten (Ad. Br. IV 38).

Aber in der oben dargelegten Reihenfolge: Urraum, Ymi, Götter, Land, Midgard, Pflanzenwuchs als Wirkung der Sonne fehlt die Entstehung der Sonne mit dem Himmel. Darum wurde später ein anderes Stück eines alten Liedes von der ersten Welteinrichtung zwischen die Entstehung der Erde und die Schilderung des goldenen Zeitalters eingeschoben (Vol. 5, 6):

Die Sonne, die Gefährtin des Mondes, schlang von Süden kommend ihre rechte Hand um den Himmelsrand. Nicht wußte die Sonne, wo Säle sie hätte [nicht wußten die Sterne, wo Stätten sie hatten], nicht wußte der Mond, wieviel Macht er hatte. Da gingen die ratmächtigen, hochheiligen Götter alle auf die Ratstühle und berieten dies. Der Nacht und den Mondzeiten gaben sie Namen, Morgen und Mittag setzten sie ein, Nachmittag und Abend zur Jahresberechnung".

D. h. die Sonne, von Süden kommend, wo sie mittags steht, gelangt beständig nach Norden und Westen sinkend bis an den Himmelsrand, aber sie geht nicht unter, denn sie weiß noch nicht, wo ihre Säle sind, sie klammert sich mit dem rechten Arme an den Himmelsrand. Im ersten Liede übt die Sonne bereits als Himmelskörper ihre segnende Wirkung aus, im zweiten ist sie personifiziert gedacht, und sie, die die Aufgabe hat, bei Tage zu leuchten, soll gleichzeitig mit dem Monde erscheinen, aber wieder als dessen Gefährtin unstet durch den Himmelsraum irren. Eine merkwürdige, scheinbar unerklärliche Vorstellung! Aber sie wird für den verständlich, dem es beschieden gewesen ist, das wunderbar stimmungsvolle Bild, die Farbenpracht und den Strahlenglanz der Mitternachtssonne auf sein empfängliches Gemüt einwirken zu lassen. Er sieht voll Staunen, daß die Sonne nicht in gewohnter Weise untergeht, sondern

daß sie sich bald wieder erhebt und ihren Lauf von neuem beginnt. Ein tiefempfindender Sänger vereinigte mit sicherer Hand die einzelnen Züge der erhabensten Naturerscheinung im hohen Norden zu einem Gesamtbilde von knapper Form, aber mächtiger Wirkung. Er versuchte sich nach seiner Weise die Erscheinung klar zu legen: die Sonne wollte sich wie sonst zu ihren Wohnungen unter dem Horizonte begeben, um dort der Ruhe zu pflegen, aber sie findet diesmal nicht den Weg und klammert sich deshalb mit der rechten Hand an den Himmelsrand fest; sie geht also gar nicht zur Ruhe, sondern rollt am Horizont entlang eine Strecke von links nach rechts und hebt sich dann wieder; sie durchmißt also mit dem Monde zugleich den Himmelsraum, aber des Mondes Glanz erbleicht neben der mächtigen Gefährtin. Die Sonne ,,torkelt", sagt man in Schweden sehr bezeichnend. So mochte es in der Urzeit ausgesehen haben, als die Weltordnung noch nicht befestigt war, und die Himmelskörper noch nicht ihre geregelten Bahnen hatten. Aber in der Erscheinungen Flucht erkannte der Dichter den ruhenden Pol: jeden Sommer gehen im höchsten Norden die Götter auf die Ratstühle, machen dem ruhelosen Treiben ein Ende, regeln der Sonne Bahn und des Mondes Lauf, den Menschen zur Jahresberechnung und setzen die Tageszeiten fest.

Über die Entstehung Ymis und seine Bedeutung als kosmogonisches Wesen, sowie über sein Verhältnis zu den weltbildenden Göttern und deren Abstammung gibt das zuerst besprochene Lied keinen Aufschluß. Zur Ergänzung dienen zwei audere eddische Gedichte (Grímn. 40/41, Vafpr. 28-35) und vor allem der ausführliche Bericht Snorris (Gg. 4-9). Da dieser die betreffenden Stellen der Eddalieder anführt, soll seine Darstellung zunächst wiedergegeben und besprochen werden. Sie enthält neben dem für die Welt bestimmten Raume die weiteren Vorbedingungen zu ihrer Entstehung: die belebende Wärme des südlichen Feuers und das den Weltbildungsstoff abgebende Eis des Nordens. Der Gegensatz von Kälte und Wärme und das damit zusammenhängende zeitweilige Aufleben und Absterben der Natur, das im hohen

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