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Die armenischen Feldzüge des Lukullus.

Von Kurt Eckhardt.

III. Abschnitt.

Das Kriegsjahr 68.

4. Kapitel.

Vorbereitungen beider Gegner und Einmarsch des Lukullus in das armenische Hochland.

§ 1. Die Verhandlungen mit den Parthern.

So war denn Tigranes durch den Zuspruch seines Schwiegervaters so ermutigt, dass er weiteren Widerstand zu leisten beschloss. Ohne zu zögern, trafen daher die beiden Verbündeten neue Vorbereitungen zur Abwehr der Römer, bei denen Tigranes dem Mithradates völlig freie Hand liess, dem er jetzt die grössere Erfahrung in den Kriegen gegen die Römer zugestehen musste. Infolgedessen erhielt Mithradates den Auftrag ein neues Heer zu sammeln und das Kommando darüber zu übernehmen 1). Jedoch blieb man dabei noch lange nicht stehen und benutzte den Winter, während Lukullus in den eroberten Ländern seinen Truppen die wohlverdiente Ruhe gönnte, zur Ausbildung und Einübung dieses Heeres und zur Werbung neuer Bundesgenossen.

Für das Kriegsjahr 68 tritt nun zu unseren alten Quellen noch eine neue, Cassius Dio, hinzu. Ein grosser Teil seines Werkes ist uns nur durch Exzerpte des Xiphilinos sehr fragmentarisch erhalten, und so haben wir denn für das erste Kriegsjahr nur ein kümmerliches Stück. Anders wird es für das zweite Jahr. Hier beginnt Dio ungefähr da, wo Memnon, der bisher eine unserer Hauptquellen war, aufhört, nämlich mit den Gesandtschaften an die Parther. Dio hat ohne Zweifel für diesen Teil seines Werkes den Sallust benutzt, wie aus zahlreichen Uebereinstimmungen mit den Fragmenten dieses Historikers und mit Plutarch klar hervorgeht. Wo aber Plutarch und Dio von einander abweichen, da hat es seinen Grund darin, dass jener zeitweilig einer anderen Vorlage gefolgt ist.

Für die beiden Verbündeten war es nun von der grössten Wichtig

1) Memnon, c. 58 und Appian, Mithr. c. 87. Vergl. auch Cassius Dio B. 35. c. 1.

keit, die Parther, die alten Feinde der Armenier, wenn nicht zu einem Bündnis, so doch wenigstens zu strengster Neutralität zu bewegen, damit sie nach dieser Seite hin freie Hand hatten und nicht etwa einen unvermuteten Angriff zu fürchten brauchten. So ging denn eine Gesandtschaft ab an Phraates, den Partherkönig, um ihn zu versöhnen und zu einem Bündnis zu bewegen. Phraates war ein Sohn des Sinatrukes 1), dem er im Jahre 70/69 (Olympiade 177, 3) in der Regierung gefolgt war. Dieser Name des Partherkönigs, an den die Gesandtschaft geschickt wurde, findet sich in unseren Quellen nur bei Memnon und Phlegon, der ihm noch den Beinamen „Der Gott" gibt, während ihn Cassius Dio und Sallust in üblicher Weise nur Arsakes nennen2).

Die Gesandtschaft an die Parther ist ebenfalls auf den dringenden Rat des Mithradates zurückzuführen, dessen schwerwiegenden Gründen es gelungen war, den einst so stolzen Tigranes dazu zu bringen, dass er den ersten Schritt tat, um mit seinen Erbfeinden Frieden und Bündnis zu schliessen. Alle Gebiete, die er zu Anfang den Parthern abgenommen hatte, also Mesopotamien, Adiabene und die grossen Täler, wahrscheinlich die Talgaue, von denen Strabo spricht 3), musste er nun wieder abtreten, wenn er die Parther gegen die Römer gewinnen wollte). Dies war wohl einer der schwersten Entschlüsse seines Lebens, und dem klugen Mithradates gebührt der Ruhm, seinen Schwiegersohn dazu gebracht zu haben.

So ging denn die Gesandtschaft an Phraates ab, der Mithradates ein Schreiben mitgab, das den Partherkönig von dem Werte eines Bündnisses überzeugen sollte und das um so erfolgreicher sein konnte, als es von der Hand eines Fürsten stammte, der an den vorliegenden Zwistigkeiten unbeteiligt war. Mit beredten Worten sucht der alte König den Phraates von der unersättlichen Ländergier der Römer zu überzeugen, der er sicher auch dereinst erliegen würde, wenn die siegreichen Legionen Roms erst in seiner Nachbarschaft festen Fuss gefasst hätten. Darum solle er jetzt den günstigen Augenblick, wo Armenien noch widerstandsfähig sei, nicht verstreichen lassen und mit ihm und Tigranes zusammen der Eroberungssucht der Römer ein für allemal ein Ziel setzen. Und wenn der Brief auch natürlich eine freie Erfindung des Verfassers ist, so spiegelt er doch die Verhältnisse ausgezeichnet wieder. Nur so konnte der pontische König an Phraates schreiben, wenn er dessen Hilfe erlangen wollte 5).

Doch so verlockend auch diese Anerbietungen waren, so waren doch

1) Dies ist die richtige Form des Namens, vergl. Phlegon v. Tralles, frgm. 12. Bei Appian, Mithr. c. 104, heisst er Sintrikos.

2) Vergl. hierzu: Memnon, c. 58; Phlegon, frgm. 12; Dio B. 35. c. 1 und Sallust, IV. frgm. 69.

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die Demütigungen noch zu frisch, die die Parther von Tigranes hatten erdulden müssen. Darum suchte Phraates lieber, ohne sich mit seinen Gegnern versöhnen zu müssen, seine Zwecke zu erreichen, und bot dem Lukullus durch eine Gesandtschaft ein Bündnis an 1). Dies war dem Lukullus äusserst angenehm, und so ging denn auch eine römische Gesandtschaft ab, die ein Freundschaftsbündnis mit den Parthern abschliessen, auf jeden Fall aber von ihnen die strengste Neutralität fordern sollte. Um seinem Werben noch einen grösseren moralischen Nachdruck zu verleihen, sandte Lukullus zunächst nur Bundesgenossen, die als Unparteiische mehr erreichen konnten. Und in der Tat gelang es diesen, zwischen Lukullus. und Phraates ein Abkommen zustande zu bringen, nach welchem ein parthisches Hilfskorps zu den Römern stossen sollte.

Doch als der römische Imperator zur Befestigung des Bundes seinen bewährten Legaten Sextilius, bei Dio in Exilios entstellt, zu dem Partherkönig schickte, glaubte dieser, dass der hohe Offizier nur als Kundschafter seiner militärischen Macht erschienen sei, und fasste Zweifel an der Aufrichtigkeit der Römer. Zugleich wird wohl auch das Drängen der verbündeten Gegner Roms seinen Höhepunkt erreicht haben. Von diesen Verhandlungen erfuhr natürlich auch Lukullus, und so trat ein beiderseitiges Misstrauen an die Stelle der Freundschaft. Das hatte zur Folge, dass Phraates das versprochene Hilfskorps nicht abgehen liess und sich nun neutral verhielt, um im Stillen seine Macht zu vergrössern, während die Gegner im Kampf ihre Kräfte aufrieben 2).

So glaube ich das sonderbare Benehmen des Partherkönigs, dass er nach Appian, Plutarch und Memnon mit beiden Parteien Verabredungen traf, und die Abweichungen dieser unserer Berichte zu erklären. Jedenfalls möchte ich nicht annehmen, dass der so weitsichtige Römer auch nur im geringsten daran gedacht hat, für diese angebliche Treulosigkeit die Parther zu bekriegen und die beiden verbündeten Könige, wie Plutarch es will, als ungefährliche Gegner zu betrachten. Dazu kannte er den alten, hartnäckigen Mithradates zu gut, dass dieser sich nicht so leicht zufrieden geben würde, zumal Tigranes nur einige Grenzgebiete verloren hatte und über den ganzen ungeschwächten Kern seines Landes gebot. Zuerst musste die Macht Armeniens völlig gebrochen werden, bevor sich die Römer in einen neuen, unabsehbaren Krieg stürzten. Das wusste Lukullus sehr gut, und darum hat er sicher seine Rachegedanken gegen die Parther, wenn er solche überhaupt hegte, bis nach der Besiegung der beiden Könige zurückgestellt3). Zwar könnte es so scheinen, als ob Lukullus zu der Zeit, da er sein Winterquartier nach Gordyene in die nächste Nähe der Parther verlegte, sich doch mit dem Gedanken getragen habe, sie zu bekämpfen. Doch 1) Plut. Luc. c. 30. 2) Vergl. über die Gesandtschaften Dio B. 35. c. 3. 3) Vergl. hierzu Sextus Rufus c. 15, der erst nach der Eroberung von Nisibis von den Vorbereitungen zu einem Partherkriege spricht. Desgl. Eutr. Brev. VI c. 9.

spricht für diese Wahl viel eher das rein materielle Motiv, dass dieses Land, wie wir oben gesehen haben, das reichste dieser Gegend war, dann aber auch, dass die Bewohner durchaus auf seiner Seite standen.

Wenn auch das dem Lukullus so sehr erwünschte Bündnis mit Phraates nun wieder auseinandergegangen war, so hatte er doch die feste Ueberzeugung, dass ihm von der Seite der Parther keine Unannehmlichkeiten drohen würden. Dies wäre aber sicher der Fall gewesen, wenn Lukullus offenkundig gegen ihn zum Kriege gerüstet hätte und nur durch die Meuterei seiner Truppen verhindert worden wäre, ihn zu bekämpfen. Hätte Lukullus nun unter solchen Umständen den Krieg mit den Armeniern wieder aufgenommen, so hätte sich Phraates wohl kaum die Gelegenheit entgehen lassen, den Römern in den Rücken zu fallen. Auch zieht man nicht so leicht gegen den ins Feld, dessen Unterstützung man zuerst mit allen Mitteln zu erlangen gesucht hat. Dies wäre alles eine Inkonsequenz und Ziellosigkeit gewesen, die wir dem römischen General nach so vielen Proben seines Könnens und seiner Fähigkeiten in den ersten Kriegsjahren nicht zutrauen dürfen, wenn auch Plutarch, Eutrop und Rufus von einem beabsichtigten Zug gegen die Parther sprechen, von dem jedoch Cassius Dio, Appian und Memnon nichts wissen 1). Reinach 2) und Niese 3) haben sich sicher durch die ausführliche Darstellung bei Plutarch zu sehr beeinflussen lassen, während dagegen Mommsen) von einem Partherkrieg nicht als von einer Absicht des Lukullus, sondern nur als von einem Gerücht spricht, das die Gegner des Imperators aussprengten, um die Truppen gegen ihn aufzuhetzen.

§ 2. Die Armenier heben Truppen aus und organisieren. ein Heer.

So war denn die Bemühung des Mithradates, die Parther zu gewinnen, gescheitert, und die beiden verbündeten Könige waren auf sich und ihre heerespflichtigen Untertanen angewiesen. Wenn auch Appian nur von einer Aushebung der Armenier spricht ) (die naturgemäss am willigsten zum Kriegsdienst waren, da es ja nun galt ihren eigenen Herd und Weib und Kind gegen den eindringenden Feind zu verteidigen unter der Führung ihres angestammten Herrschers, dem sie im Gegensatz zu unterworfenen Fremden das Gefühl der Treue und Ergebenheit entgegenbrachten), so zeigt doch die Erwähnung der Iberer und Marder bei Plutarch ), dass auch in diesem Kampfe Vasallen und Bundesgenossen der Fahne des Tigranes folgten. Aber hieraus zu schliessen, dass der Krieg des Jahres 68 zu einem nationalen und religiösen aller Orientalen gestempelt worden ist, dazu liegt meines Erach

1) Vergl. hierzu: Plut. Luc. c. 30; Eutr. Brev. VI c. 9; Sext. Rufus c. 15; Dio B. 35. c. 3; Appian, Mithr. c. 87; Memn. c. 58.

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2) A. a. O. S. 363. 3) Grundriss der röm. Gesch. 3 S. 194, vgl. S. 217. 4) Röm. Gesch. III. S. 74. 5) Mithr. c. 87. 6) Plut. Luc. c. 31.

tens nicht die geringste Veranlassung vor1). Und die Angabe über die Stärke des armenischen Heeres, die Appian auf rund 100000 Mann beziffert 2), schliesst die Annahme eines asiatischen Nationalkrieges völlig aus. Wie sehr bleibt sie hinter der desselben Verfassers für das Vorjahr zurück, wo es sich nur um einen Kampf der Armenier und ihrer nächsten Nachbarn und Bundesgenossen handelte! Um wie viel grösser müsste die Zahl sein, wenn alle Asiaten an diesem Kriege teilgenommen hätten!

Die ganze Hypothese von dem asiatischen Religions- und Nationalkriege geht auf eine Stelle der Rede Ciceros für Pompejus zurück 3), der hier, wie überall, die politische Lage zugunsten der Tendenz seiner Rede übertrieben oder ganz schief dargestellt hat. Auch lässt meines Erachtens der ganze Zusammenhang, wenn man durchaus an den Worten Ciceros festhalten will, nur die Annahme zu, dass der Redner hier den Beginn des armenischen Krieges überhaupt, also das Jahr 69 meint). Allerdings haben wir oben gesehen, dass hier zahlreiche Völkerschaften Asiens den Armeniern Bundeshilfe leisteten, woraus sich dann Cicero den Nationalkrieg konstruiert haben mag. Die Absicht, mit der er die armen, meuchlings überfallenen Armenier für ihre Götter eintreten lässt, ist nur die, die Eroberungssucht des Lukullus, der ohne Befehl und ohne Grund unschuldige Völker überfällt, gegen Pompejus in das rechte Licht zu setzen.

Aber wenn auch Mithradates von allen Asiaten, die sich scharenweis von nah und fern unter die Banner der Könige drängten, welche sie aufriefen den Osten und seine Götter vor den gottlosen Fremdlingen zu schirmen" 5), nur die brauchbarsten Leute zum Felddienst eingeübt hat, da ja die Erfahrung gelehrt hatte, dass das blosse Zusammentreiben unge

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1) Vergl. hierzu besonders: Mommsen, Röm. Gesch. III. S. 72/73 und Reinach, S. 362.

2) Mithr. c. 87.

3) De imp. Cn. Pomp. c. 9 § 23: Cuius (= Tigranis) in regnum posteaquam L. Lucullus cum exercitu venit, plures etiam gentes contra imperatorem nostrum concitatae sunt. Erat enim metus iniectus iis nationibus, quas numquam populus Romanus neque lacessandas bello neque temptandas putavit; erat etiam alia gravis atque vehemens opinio, quae animos gentium barbararum pervaserat, fani locupletissimi et religiosissimi diripiendi causa in eas oras nostrum esse exercitum adductum. Ita nationes multae atque magnae novo quodam terrore ac metu concitabantur.

4) Denn die oben angeführten Worte folgen unmittelbar auf den Satz, der die Aufnahme des besiegten Mithradates schildert: Hunc in illo tempore et fuga Tigranes, rex Armenius, excepit diffidentemque rebus suis confirmavit et adflictum erexit perditumque recreavit. (Diese Worte illustrieren übrigens auch hinreichend die Art ciceronianischer Geschichtsdarstellung, wenn wir berücksichtigen, wie sehr in Wirklichkeit die Aufnahme in Armenien von dieser Schilderung abgewichen ist!) Und die Eroberung der feindlichen Hauptstadt, die, wenn unsere Stelle auf das Jahr 68 bezogen werden soll, doch vorher hätte erwähnt werden müssen, folgt gleich darauf: Noster autem exercitus tametsi (i. e. obwohl so viele Völker gegen Rom unter Waffen standen) urbem ex Tigranis regno ceperat....

5) Mommsen, Röm. Gesch. III. S. 72/73.

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