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Vierter Hauptteil.

Der Kultus.

Der Opferdienst im Allgemeinen.

Niederer und höherer Kultus.

Gespenster, Unholde und Hexen bevölkern in buntem Gewirre die Welt, bald schadend, bald nützend. Der Mensch muß sie abwehren oder sich dienstbar machen. Mit Speise und Trank labte man Vater und Großvater, auch wenn sie gestorben waren, und stimmte sie dadurch günstig. Aber man bedurfte dabei keineswegs der Vermittlung des Feuers, sondern einfacher und ursprünglicher war es, den überirdischen Mächten ihr Opfer vorzulegen, die Gaben in eine Schüssel zu tun oder die Leiber der Opfertiere aufzuhängen. Selbst der höhere Kultus wendet keineswegs immer das Opferfeuer an. Ibn Dustah erzählt:,,Ihre Weissager (d. h. Goden), von denen manche über die Fürsten gebieten, fordern bisweilen von ihnen beliebige Dinge, wie Weiber, Männer, Pferde zum Opfer für ihren Schöpfer, und einem solchen Befehle des Weissagers muß man unbedingt nachkommen. Er nimmt den Menschen oder das Tier, legt ihm eine Schlinge um den Hals, hängt das Opfer an einem Baume auf, wartet, bis es ausatmet, und sagt dann, dies sei ein Opfer zu Gott". Das Aufhängen der Kriegsgefangenen an einen Galgen, Odins Hängen am windbewegten Baume,

die Opferung König Wikars durch Starkad sind noch in später Zeit treue Abbilder des ältesten ritualen Verfahrens, das zur Vermittlung zwischen Göttern und Menschen noch keine Opferfeuer kannte. Wohl aber brannten von alters her Zauberfeuer zur Verscheuchung böser Dämonen.

Der Götter wie der Toten mit Gaben zu gedenken, auch außer festlichen Kultakten, war gleich üblich. Wie man beim Mahle den Toten Minne trank, so auch den Göttern. Wie im Totenkult ist im höhern Kultus der heitere Verkehr mit den Menschen ein wesentlicher Teil. Einst kamen die Geister wie die Götter nur zu feiernden Leuten; sie wollten nicht Zeugen der Arbeit und Plage, sondern des Frohsinns sein; sobald sie zu den Menschen kommen, sollen und müssen diese feiern, sonst folgt irgend ein Unglück. So wird das Gebot, an bestimmten Tagen sich der Arbeit zu enthalten, als Niederschlag uralter Sitte verständlich. Vor allem deutet der besondere Gebrauch, der beim Opfer mit dem Blute gemacht wird, auf hohes Alter. Mit dem aufgefangenen Blute bestrich man die heiligen Geräte und besprengte die Teilnehmer: offenbar ein Rudiment früher gemeinschaftlicher Teilnahme am Blutgenusse. Daheim zu sitzen und die Opferkessel auszuschlecken, macht Olaf Tryggwason den Schweden zum Vorwurfe; mit dem Blute der Gefallenen bestrich man nach der Schlacht die Altäre der Götter und auch den Opferbaum (Herv. S. 12).

Früher als durch Opfer wird man eine direkte Einwirkung auf die in den Naturerscheinungen waltenden Wesen durch zauberische Handlungen versucht haben: durch ein irdisches Abbild - similia similibus dachte man den Vorgang am Himmel zu beeinflussen, durch das Besprengen oder Begießen eines Menschen oder eines Gegenstandes auf der Erde z. B. glaubte man das himmlische Wasser aus den verschlossenen Wolken befreien zu können.

In Schweden legt man in die erste Garbe beim Schneiden eine Flasche Branntwein, um die Gunst des Tomtegubbe zu gewinnen, oder man bindet in die erste Garbe beim Dreschen eine Bier- oder Branntweinflasche und einen harten

Kuchen. Dieser Brauch ist ein uralter Regenzauber. Wie man die Garbe unter Segensformeln mit Wasser begoß, so sollte dadurch auf magische Weise die Regengottheit bestimmt werden, auf die dem Mutterschoße der Erde im nahenden Herbst anvertraute und im nächsten Jahre zur Ernte heranreifende Saat, die durch die Garbe symbolisch vertreten wird, ihr himmlisches Naß herabzusenden. Man darf annehmen, daß diese Handlung einst von der ganzen Dorfgemeinde mit festlichem Auf- und Umzuge, Gesang und Tanz und mit Opfer vollzogen wurde. Aus der menschlichen zauberhaften Nachahmung des Naturvorganges entsteht im Laufe der Zeit ein großes Herbstfest, das die Gunst der Gottheit für fruchtbares Wetter zum Sommer durch einen bekränzten, mit weihendem Wasser besprengten und dann in das Wasser untergetauchten, d. h. ursprünglich getöteten Menschen erwirken sollte. Im reinen Götterkultus stellt sich endlich die Handlung so dar, daß die Schweden bei mehrjährigem Mißwachs und dadurch entstandener Hungersnot, in der viel Volk verdarb, den ersten Herbst Rinder opferten, den zweiten Menschen, den dritten den König (Yngl. S. 15).

Der Opfernde aber, der einen Gott für sich durch Gaben zu gewinnen sucht, erreicht im Gegensatze zum Zauberer sein Ziel indirekt, indem er sich das Wohlwollen der mächtigen Götter sichert. Opferhandlung und Zauberhandlung gehen später vielfach ineinander über, wie das Gebet, das zum Opfer gehört, etwas von den Wirkungen des Zauberspruches annimmt. Dem religiösen Bedürfnisse der breiten Volksmassen im täglichen Leben und in allen Vorgängen des Familienlebens entsprach mehr der niedere Kultus mit seinen Beschwörungen und Zaubersprüchen. Dessen Technik war so ausgebildet, daß der Eingeweihte sich an Macht und List den Gestalten des Geisterreiches gewachsen fühlte und sich ihrer erwehren konnte. Aber der Kult der großen Götter ist im wesentlichen Pflege, nicht Abwehr. Nur selten sucht der Verehrer den Gott zu entfernen, indem er ihn anbetet und speist, sondern er bringt ihm Speise und Trank dar und hofft durch sein Opfer auf die Gesinnung des Gottes

zu wirken, nicht in der Form von Zwang, sondern durch Erreichung seines mächtigen Wohlwollens. Zu den Gaben treten einladende und lobpreisende Reden, vielfach in metrischer Form, dazu Gesang, Musik und Tanz. Was dem Menschen selbst große Freude bereitete, mußte nach kindlicher Auffassung auch den Göttern gefallen und sie ebenso wie die Opfergaben für die freundlich stimmen, die ihnen jene Lust bereiteten. Kämpfe mit den Waffen, die sich bis zum Blutopfer steigerten, Ringkämpfe, Wettläufe und Wettrennen, Schwerttänze waren den Germanen solche Vorführungen, die zur Unterhaltung ihrer Götter dienten. Mit dem Gotte genießen auch die Menschen einen Teil der Opferspeise. Denn auf das, was der Gott gnädig angenommen hat, ist sein göttlicher Segen geheimnisvoll übergegangen; darum verleiht die Opferspeise dem Menschen, ja auch Tieren und leblosen Gegenständen, genossen, berührt, gestreut oder aufgestrichen, Kraft und Gedeihen.

Die Stellung der Nordleute zu den Göttern entspricht etwa dem Verhältnis, in dem auf Erden der getreue Anhänger eines mächtigen Häuptlings zu seinem Herrn steht. Von der hohen christlichen Auffassung, daß die Kreatur vor dem ewigen, mächtigen Herrn aller Dinge demutsvoll in den Staub zu sinken hat, ist das nordische Heidentum weit entfernt. Durch Opfer, Gebet und Anrufen ihrer Gnade und ihres Beistandes beweisen die Menschen ihren Glauben, nehmen aber dabei an, daß die Götter eine Verpflichtung anerkennen, das empfangene Geschenk lohnend zu vergelten. Freyja will Ottar, der stets an die Göttinnen geglaubt habe, zum Vatererbe verhelfen denn er habe ihr so viele Opfer dargebracht, daß durch die zahlreichen Opferbrände das Gestein geschmolzen und zu Glas geworden sei (Hyndl. 10). Von einer Einwirkung dieses Glaubens auf die Ethik und Moral ihrer Anbeter ist kaum die Rede. ,,Besser ist nicht gebetet, als zu viel geopfert: immer sieht die Gabe auf Vergeltung" heißt es mit klaren, dürren Worten (Hov. 144). Vorsichtig erbittet man sich selbst ein Zeichen von der Gottheit, ob sie das Opfer annehmen will oder nicht (vgl. Thorkil und Frey; S. 216).

Bezeichnend ist auch, daß Thorkil dem Gott vorhält, was er ihm Gutes erwiesen habe.

Hakon Jarl hat vor dem Kampfe mit den Jomswikingern seinen siebenjährigen Sohn geopfert, um die Hilfe der Wettergöttinen Thorgerd Hölgabrud und Irpa zu erlangen. Sie schicken ein furchtbares Unwetter, daf die Jomsburger großen Schaden erleiden. Als aber Hakon den Hagelschauer nach einer Weile sich mindern sieht, ruft er noch einmal die Thorgerd eifrig an und ihre Schwester Irpa, und hält ihnen das vor, wieviel er darum getan habe, indem er seinen Sohn geopfert habe um Sieg für sich (Jómsv. S. 44).

Es wird also erwartet oder geradezu gefordert, daß die Götter sich erkenntlich zeigen.,,Ich dir du mir"; ,,do ut des" ist die kurze Formel des germ. Opfers, und ganz wie bei einem Geschäfte wird aufgezählt, wie viele Leistungen die Götter als Entgelt zu liefern haben, oder der Anrufende marktet gar mit der Gottheit über den Preis, um den sie ihre Gabe zu verkaufen sich gefallen läßt, und versucht erst durch geringere Gaben ihre Gnade zu erkaufen. So versuchen die Schweden bei einer Hungersnot zuerst durch Tieropfer, dann durch Menschenopfer, endlich als das Mißjahr nicht besser wird, durch das Höchste, ein Königsopfer, die Dürre abzuwenden (S. 446).

Hakon Jarl hatte in höchster Not den heiligen Wald aufgesucht, der sich wie der Nerthushain auf einer Insel erhob; in einer Lichtung warf er sich, gegen Norden gewandt, nieder und begann zu beten. Er rief seine Schützerin Thorgerd an und flehte zu ihr mit ganzem Sinne; sie aber hatte taube Ohren für ihn und sein Gebet, gab ihm zögernd Antwort, und er glaubte zu erkennen, daß sie ihm heftig zürne. Er bot ihr verschiedene Dinge zum Opfer an, aber Thorgerd wollte sie nicht nehmen. Da warf der Jarl weissagende Opferstäbe, und durch sie ward ihm gekündigt, daß ein Menschenopfer genehm wäre. So bot er ihr denn alle seine Mannen zum Opfer an, ausgenommen sich und seine Söhne, und tat alles, was er konnte, um sie mit Opfer böser Zauberei zu gewinnen; er neigte und beugte sich hierhin und dorthin vor ihr und legte sich ganz nieder zur Erde, denn sein Leben hielt er davon abhängig, daß er erhört würde. Als auch das nichts half, ließ er ihr unter allen Menschen die Wahl, mit alleiniger Ausnahme seiner selbst und seiner beiden ältesten Söhne. Da wählte sie seinen dritten Sohn Erling, der damals sieben Jahre alt und in jeder Hinsicht vielversprechend war. Hakon war nun überzeugt, daß Thorgerd sein Flehen erhört habe und ihm den Sieg schenken würde.

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