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MONATSHEFTE

Herausgeber:

Theodor Hermann Pantenius und Hanns von Zobeltitz.

XVII. Jahrgang 1902/1903.

Heft 1, September 1902.

A

Mephistopheles:

Allein ich will!

Roman von

Frieda Freiin von Bülow.

dieses Ganze Zit nur für einen Gott gemacht!

Er findet sich in einem ewigen Glanze,
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.

Faust: Alein ich will!

(Goethe.)

In einem Aprilmorgen ging die Schwester Christine von Wüstenkaltheim nach Dictenbaufen hinunter. Sie trug ihre große Bastuchtasche am Arm und hielt den Schirm über sich aufgespannt, denn ein uaner egen rieselte gleichmäßig nieder. r der freien Hand schürzte sie den Rock ires Flaugedruckten Diakonissengewandes it samt dem Unterrock hoch auf, so daß die erken Lederstiefel und sogar noch ein St der grauwollenen Strümpfe zum Vorhein kamen. Das durfte sie sich erlauben, nn auf ihren Morgengängen durch den Balb pflegte sie feinem Menschen zu be orgien, zumal, wenn sie, wie heute, den teren Richhoeg die Eschwand hinunter vam. Wohl trat hier zuweilen ein Stück Fotwild heraus, oder ein großer grauer 21bhase sprang dicht vor ihr von seinem Laser auf, um die Flucht zu ergreifen, doch ver denen schämte man sich nicht. Dagegen war es gar wichtig, den Saum der Röcke

(Abdruck verboten.)

Reinmachen der Schuhe bei den durchweichten Wegen! „Ach ja!" Die Schwester Christine seufzte es vor sich hin. Gleich darauf lachte sie vergnüglich auf. Ihr fiel ein, daß im vorigen Spätsommer die Frau Gräfin Dieters sie gefragt hatte: „Warum tragen Sie nicht Galoschen ?"

Galoschen! Was so eine vornehme Dame, die vier Monate im Jahr mit Dienern und Wagen und Pferden auf dem Lande lebt, sich für Vorstellungen macht! Galoschen waren ganz schön auf den harten Landstraßen, von denen der Herr Landrat neulich im Milsfelder Kegelklub gejagt hatte, daß er es im Schlaf noch spüre, sobald er auf seine Straßen käme. Im aufgeweich ten Waldboden, auf den von Holzfuhren zerpflügten moraftigen Wegen würden sie aber beim ersten Schritt stecken bleiben!

Die Schwester Christine blieb stehen. Sie war an der steilen Eschwand angelangt, die nicht mit Eschen, sondern mit Buchen bestanden war. Feucht und glatt und rötlich glänzte am Boden der Teppich des vorjährigen Buchenlaubs.

So wacker die kleine zarte Schwester bisher ausgeschritten war, zögerte sie jest doch angesichts dieses Abstiegs. Wenn sie ins Rutschen fam und fiel, beschmußte sie ihre Kleider, zerbrach womöglich den Regenschirm, diesen wertvollen Freund! Sie hätte

chonen. Sie hatte genug und übergenug Arbeit, auch ohne noch „Tengel" ausbürsten cher Rockhäume neu einfassen zu müssen. Hein schon das unaufhörliche Trocknen und B.thazen & Kleings Monetshefte. XVII. Jahrg. 1902 1903. I. Bd.

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bleiben sollen, wenn nur die nicht gar so große Umwege machte mit ihren weiten Kurven! Man verlor soviel schöne Zeit!

am Ende doch lieber auf der Fahrstraße wenig Befangenheit ob dieses gegenseitigen Anschauens auf dem einsamen Wege, und sie wandte den Kopf zur Seite, mit anscheinender Aufmerksamkeit den brüchigen, schwarzbekrusteten Schnee betrachtend, der noch in den Spalten des finsteren Grundes lag und nicht schmelzen wollte, weil die Sonne hier fast niemals herfam.

Indessen dauerte Unschlüssigkeit bei der Schwester Christine niemals lange. Was muß, muß, dachte sie und entwarf rasch ihren Feldzugsplan. Sie schloß den Schirm und hing ihn mittels einer selbsterfundenen Henkelvorrichtung über den Arm, steckte den Kleiderrock nach Art der Bäuerinnen über den Hüften fest und hatte so beide Hände frei. Nun ließ sie sich, halb laufend, halb gleitend, von einem Baumstamm zum andern fallen. Es ging. Außer Atem und mit verdoppeltem Herzschlag, aber in großer Geschwindigkeit langte sie unten an auf der Waldstraße des oberen Gauatals, welches hier schluchtartig schmal war und der „finstere Grund" hieß. Ihr Gesicht glühte, ihr Atem feuchte, ihre Hände, von denen sie die, gewirkten Handschuhe weislich abgestreift hatte, waren rot und voll Baumrindenfeuchtigkeit.

Erschöpft stand sie still.

Und da bemerkte sie mit einemmal, daß es wirklich Frühling wurde. Das keimte und sproßte grünend um sie her, und die Vögel sangen laut!

Der April war freilich schon beinahe am Ende, aber in diesem rauhen Bergland blieb der Winter gar lange.

Plöglich erschrak sie. Dort auf der Waldstraße kam jemand ein Mann

ja, es schien sogar ein Herr!

In Hast ließ sie den Rock herab, strich sich die Scheitel glatt, spannte den Schirm auf und ging mit ihrem leichten, federnden Schritt hurtig weiter. Unter dem Schirm hervor blickte sie verstohlen dem Nahenden entgegen.

Sie erkannte ihn bald. Dieser Hüne im Jägeranzug war ein benachbarter Gutsbesizer, den die Leute den Klosterbaron" nannten, weil sein Gut ein ehemaliges Kloster war. Aber er hieß eigentlich Höllen.

Er schritt so, wie Männer schreiten, die gewohnt sind, auf eigenem Grund und Boden zu gehen. Sein brauner Jagdhund folgte ihm so dicht, daß er mit der Schnauze zuweilen des Herrn Bein berührte.

Als er ihr so nahe gekommen war, daß sie deutlich seine Gesichtszüge erkannte und er also auch die ihrigen, erfaßte sie ein

So wollte sie mit abgewandtem Kopf an ihm vorüber; er aber blieb stehen, zog den Hut und sprach sie an: „Guten Morgen. Sie kennen mich wohl nicht wieder. Wir sahen uns einmal vorigen Sommer auf dem Missionsfest in Niedergauschach. Wissen Sie jezt? Ich bin der ..."

Sie unterbrach ihn: „Freilich kenne ich Sie jest, Herr Baron."

„Wie kommen Sie denn aber hierher in den finsteren Grund ?" fragte er freundlich verwundert.

Auf dem nächsten Weg von Wüstentaltheim. Die Eschwand 'runter." Was tausend!"

"Ich hab' nämlich 'ne Kranke unten in Dietenhausen, die ich alle Morgen besorgen muß."

„Bei Wind und Wetter?"

"

„Wie's eben ist."

Solch eine tapfere kleine Dame!" sagte er, zugleich herzlich und achtungsvoll.

Ihr wurde ganz seltsam wohl. Ja, sie begriff, daß alle Leute den Klosterbaron gern hatten. Wenn er so sprach und einen so dazu ansah, mußte man ihm ja gut sein. Welch ein Glückstos hatte dessen Frau gezogen! Ach ja! Aber sie konnte nicht länger stehen und schwagen.

Mit kurzem Gruß eilte sie weiter. Ihr war ganz hell und froh zu Sinn, als habe sie eben etwas Schönes, Besonderes erlebt.

Das Tal erweiterte sich ein wenig. Die Gaua, die auf den Bergen von Wüstenkaltheim als Quell dem Gestein entsprang, hatte auf ihrem eiligen Weg zu Tal schon soviel Schneewasser und kleine Rinnsale aufgenommen, daß sie hier bereits als angeschwollener Bach neben der Straße murmelte und gluckste.

Weiden und Haselsträucher hingen voller Käßchen.

An einer steinigen Stelle hockte sie am Bach nieder und spülte die Hände rein. Sie mochten an der Luft trocknen.

Der Waldweg mündete auf die Fahr

hraße, die in Serpentinen von Wüstenfalt. ham ins Tal hinunter führte, und durch es noipende Gezweig schimmerten die roten Jaldächer und Fachwerkhäuschen des DorDietenhausen.

Fin Bauer kam daher.

Die Schwester, die alle Dietenhäuser tanie, sprach ihn an.

„Na, Hänse-Lude, wie wird's denn? Behalten wir heut den Regen?"

Der Hänse-Lude schaute nach den Wolken und nach den Bergen. Dann sagte er mit einem pfiffigen Lächeln: „Morgenregen and Alcibertanz, das hat beides teine Deyer."

Sie lachte und ging weiter.

Slit ungeheurem Getöse, Geschnatter, Candel und Geschrei kam eben die Gänseberde aus dem Dorf, die von der schwachinzigen alten Katrin' und ihrem klugen, starten Schäferhund auf die Hut am Bergang geleitet wurde.

„Geht's gut, Katrin'?" rief die Schwester. Je, soweit - wenn das Reißen nich

war'!"

We reist's denn wieder?"

Die Katrin' sezte die Einzelheiten ihrer Feschwerden ausführlich auseinander. Sie pad langsam und leise, in einer Dorf andart, zu deren Verständnis die Schwester, Lie aus dem nördlichen Thüringen stammte, nur hr mühsam vorgedrungen war. Und die Alte machte dazu ein geheimnisvoll wich tiges Gesicht.

Bahrend sie ihre Leiden schilderte und bie Saweiter in den ihr geläufigen Worten etwas Trost und Rat erteilte, paßte der veitandige Hund auf die lärmende Gänseita, auf.

Es lag den Grafen Dieters, die seit vierhundert Jahren in der Dietersburg hausten, auch gar nichts daran, gesehen zu werden, obwohl das alte Schloß malerisch genug wirkte; sie wollten lieber für sich sein.

Schwester Christine, die in Wüstenfaltheim, dem allerärmsten Dorfe des Gebirges, lebte, fand Dietenhausen immer recht wohlhäbig behaglich. Doch es war gegen die Dörfer gefegneterer Landstriche arm, die Häuser klein, teilweise noch mit Stroh gedeckt und baufällig. Der steinige Boden des Gebirges ernährte den Landmann fümmerlich.

Über die Brücke vom Schloß her fam ein Diener in der gräflichen Hauslivree. "Ist die Herrschaft schon hier?!" rief ihn die Schwester verwundert an.

„Jawohl. Und wir bleiben jezt hier.“ „Na, dann komme ich nachher 'mal vor.“ Am Ende des Dorses, schon auf der Anhöhe, lag das Armenhaus, das eine Gründung der jungen Gräfin Dieters war. Sie hatte gern ein neues Haus bauen wollen, und das wäre auch viel hygienischer gewesen, aber der Herr Graf konnte die neuen Häuser nicht leiden. Er hatte nur erlaubt, ein altes Bauernhaus anzukaufen. Dieses war mit seinem tief herabreichenden moosbewachsenen Strohdach gar malerisch anzusehen, aber baufällig und armselig war es und kostete eine Menge Ausbesserungsgeld.

Dort wohnten die drei obdachlosen Dorfarmen, der Peter, die Schulze-Lisebet und die Gret. Dazu hatte die Gräfin ein Tagelöhner Ehepaar als Hauseltern eingesetzt.

Auf einer Holzbank vor der Tür saß der Peter und guckte in die Luft. Er sah ein wenig hilflos und kläglich aus, weil

„Der Fidele ist doch ein liebes Tier!" der Himmel bewölkt war, denn des Peters Jagte die Schweiter.

„Der is sehre gut. Ja, ja." Weiter ging die Schwester und kam an der Brücke vorüber, die zum Schloß führte. Die Dietersburg lag mit samt dem herrlich grünen Schloßgarten auf einer durch zwei Gaucarme gebildeten Insel. Die Gaua,

in dieser Zeit des auf den Vergen Emelzenden Schnees hier ein reißendes Fen war, trennte Herrschaft und Dorf.

Machtige Bäume und Gebüsch umgaben Ces Sales wie ein hoher Schirm, so daß mars von der Straße her im Winter wenig im Sommer gar nicht sehen konnte.

Lebensglück war der Sonnenschein. Mit blödem Lächeln erwiderte er den Gruß der Schwester.

noch."

Mut, Peter! Die Sonne kommt heut

Sein stumpfer Geist erfaßte die Worte nicht, aber wohl empfand er die aufmunternde Freundlichkeit. Etwas wie ein Kinderlächeln überflog das bärtige Gesicht.

Als die Schwester Christine aber in das kleine Zimmer trat, in dem die alte Gret lag, um diese, wie jeden Morgen, zu säubern und umzubetten, war die Gret tot.

Sie sei über Nacht, ohne daß eins 'was

Aus unserer Studienmappe:

Elstudie von Prof. Peter Janssen - Düsseldorf.

gemerkt hätte, gestorben, berichtete die Brücknern, welche die Hausmutter war.

„Nun, da hat es der liebe Gott gut gemeint," sagte die Schwester, mit ihr und mit uns."

„Viel gute Tag' hat sie nicht gehabt," meinte die Brücknern.

Die alte Schulze-Lisebet, die von Gicht gekrümmt war, seufzte: „Besser schlimme Tag' als tot sein!" Die Lifebet liebte das Leben und genoß es jest in ihrem ruhigen Asyl unter der Gönnerschaft der gnädigen Gräfin, der sie manches Erfreuende abzuschmeicheln verstand, wie sie es früher nicht hatte genießen können. Jest genoß sie auch das Ereignis dieses Todesfalls, der einige Abwechslung brachte. Nicht nur, daß die Nachbarinnen zu Spill" kommen würden, fie bewegte in ihrem Gemüt auch heimliche Begierden nach dem einen und anderen Stück aus dem geringen Nachlaß der Gret. Von den guten Bettsachen, die die Gräfin geschenkt hatte, konnte wohl etwas auf sie fallen. Freilich, die Brücknern hatte ihre Augen gleichfalls schon darauf geworfen, aber mit der wollte sie sich einigen. Nur der Schwester mußte man

irgend 'was vormachen! Die war zu genau!

Schwester Christine wusch indessen die alte Gret zum letztenmal und kleidete fie für den Sarg.

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2.

Ein Diener geleitete die Schwester Christine durch einen dunklen Saal der Dietersburg.

Wenn die Schwester Christine in diesen Saal trat, wurde ihr stets etwas beklommen zu Mute, so vornehm und feierlich war hier alles. Lebensgroße Gemälde an den Wänden und spiegelglattes Parkett unter den Füßen, und jedes Möbel wie aus einem Palast. Und dies halbe Licht und der hallende Schritt und dieser ganz seltsame feine Duft nach Altertümlichkeit! Man wagte kaum aufzutreten und wurde sich mit einemmal seiner groben schmutzigen Stiefel und der plumpen Baumwollhandschuhe störend bewußt.

„Die Frau Gräfin sizt auf dem Altan," sagte der Diener.

Am Ende des Saales führte eine Tür auf diesen sogenannten Altan, einen steinernen Ausbau über der jeßt in lichtem, zartestem Grün prangenden Parkwiese, die von einem dichten Kranz alter Bäume und blühender Sträucher umgeben war, so daß man über sic hinaus nichts sah, als die nahen Waldberge. Ein Zeltdach von rot und weißgestreiftem Segeltuch schüßte vor Regen und Sonne.

Schon hatten sich die Wolken zerteilt, blauer Himmel lugte allenthalben vor. Schon schwebten Sonnenstrahlen auf Leitern von bläulichem Duft durch das Gewirr der regennassen Zweige nieder. Feuerfarbene flatterige Tulpen leuchteten auf einem Beet. Es duftete stark nach fruchtbarem Erdbrodem.

Die Gräfin Gabricle Dieters saß auf einem Strohsessel und arbeitete. Ein Wasch. korb mit Lumpen stand neben ihr. Bor ihr auf einem Gartentisch lag ein Häuschen ausgezupfter Wollfäden.

Sie stand nicht auf, streckte jedoch der Schwester kordial die Hand entgegen. Ihr an Marmorstatuen erinnerndes Gesicht zeigte keine Spur von dem üblichen Begrüßungs

ischeln, welches unter höflichen Leuten das Bergnigen zu markieren pflegt, das sie gew55nlich nicht empfinden. Sie lächelte sehr felten, manche behaupteten: nie. Da gegen legte sie eben jezt in ihren Ton etwas übertriebene Einfachheit und gerzlichkeit.

28ie freue ich mich, meine gute, liebe Schwester Christine! Nun müssen Sie mir sehr viel erzählen! Sehen Sie sich zu mir. Hier. Sie bekommen gleich eine Tasse Schokolade. Nein, Sie trinken eine Tasje, Sa werden Sie gar nicht gefragt. Wissen Sic, was das ist?" fie wies auf tie Lumpen. Das ist mein neuestes Sparfritem: aus alten Wolllappen, die ich auf reppie, lasse ich einen derben Stoff weben, der vrächtige Winterhosen für unsere Dorfarmen gibt. Ist das nicht eine gute ErFindung?"

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eifer auf Wollstoffrester gekommen, daß die wollenen Kleider seiner Frau ihm nicht mehr sicher schienen! Aber nun er

zählen Sie mir zu allererst 'mal ausführ lich, wie es Ihnen diesen Winter in Ihrem eisigen Wüstenkaltheim eigentlich gegangen ist!"

Mir ist's ja ganz ordentlich gegangen, aber im Dorf haben wir wieder viel Krankheit gehabt, und unser Herr Pfarrer....

,,Da kommt Ihre Schokolade," unterbrach die Gräfin und nahm dem Diener die Tasse vom Teebrett. „Das ist nämlich ein neues Präparat von ganz vorzüglichem Nährwert. Lüders, packen Sie zwei Pfundpakete von der Nährsalzschokolade in Schwester Christinens Tasche."

Die Schwester bedankte sich erfreut. „Das wird 'was für meinen Herrn Pfarrer sein," sagte sie.

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Nun also: Wie geht es Ihnen? Das interessiert mich jezt am meisten."

Die Schwester dachte: Nicht die Bohne interessiert es dich ja. Das merkt man doch.'

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