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Theorie längst allgemeine Anerkennung gefunden haben, sind für die sich an jene anschliessende biologische Theorie von LAMARCK und DARWIN noch nicht sämmtliche Forscher gewonnen.

einige der Gegner gilt einfach das alte Wort:

turpe putant parere minoribus, et quae

imberbes didicere senes perdenda fateri;

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Für

und leider konnte diese selbst das Beispiel des berühmten LYELL nicht eines Besseren belehren; und durch das Verhalten Anderer erhält man auch nichts mehr als eine Bestätigung von LEIBNIZ' und HELVETIUS' Ausspruch, dass sogar die Grundsätze der Geometrie verlacht werden würden, wenn sie sich unseren Interessen entgegenstellten: aber eine grosse Anzahl denkender Männer wird nur durch einige vorgebliche Consequenzen unserer Theorie von derselben abgeschreckt. Einige erbitterte Gegner, wie BREE, haben als ihre Folge eine,,Geistesrevolution" prophezeit, welche die Gesellschaft bis in ihre Grundfesten erschüttern wird, indem sie die Heiligkeit des Gewissens und den religiösen Sinn vernichtet"; und materialistische Anhänger derselben haben als ihre Consequenzen Materialismus und Atheismus laut verkündigt. Jenen Männern waren nun diese vorgeblichen Consequenzen so gut wie eine deductio ad absurdum: sie waren überzeugt, dass die Principien falsch sein müssten, aus denen sich derartige Folgerungen ergeben. Gegen diesen Missbrauch unserer grossen Theorie in majorem materialismi et atheismi gloriam muss aber eine tiefere Philosophie protestiren.

Berlin, im November 1875.

GEORG V. GIŻYCKI.

EINLEITUNG.

Opinionibus antiquis inhaeremus pertinaciter, *

nec facile divellimur.

PETRARCA.

Alle Wissenschaft geht von einer Grund voraussetzung aus, nämlich, dass wir die Welt begreifen, d. h. dem Satze des Grundes unterwerfen, wollen. „Das Gesetz vom zureichenden Grunde", erklärt der berühmte HELMHOLTZ,,,ist nichts anderes, als die Forderung, Alles begreifen zu wollen. . . . Wir müssen versuchen, die Naturerscheinungen zu begreifen; wir haben keine andere Methode, sie der Herrschaft unsres Verstandes zu unterwerfen; wir müssen also an ihre Untersuchung mit der Voraussetzung gehen, dass sie zu begreifen sein werden"). Eine nothwendige Hypothese, um zu dieser Welterkenntniss zu gelangen, ist für das Sonnensystem (und die Astralsysteme überhaupt) die KANT'sche Theorie, für die geologischen Formationen unserer Erde die LYELL'sche Theorie, und für die organischen Wesen unserer Erde die LAMARCK-DARWIN'Sche Theorie: kurz, die allgemeine Theorie der continuirlichen Entwicklung, die Durchführung jenes von ARISTOTELES und LEIBNIZ aufgestellten und bewiesenen Gesetzes der Allmählichkeit aller Veränderungen, der lex continuitatis. Jede Hypothese darf nur von den uns jetzt vorliegenden Thatsachen und Vorgängen ausgehen; und obgleich, aus naheliegenden Gründen, eine völlig directe, empirische Bestätigung für keine dieser drei Hypothesen gegeben werden kann, so genügte doch das gewonnene Beweismaterial vollkommen, um sämmtliche Forscher für jene astronomische und jene geologische Hypothese zu gewinnen. „Kein Geologe hat gesehen“,

1) H. HELMHOLTZ, Handbuch der physiologischen Optik. Leipzig, 1867. S. 454 v. Giżycki, Entwicklungstheorie.

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sagt ERNST HAECKEL,,,dass die ungeheuern Gebirgsmassen, welche unsre Steinkohlenformationen, unser Salzgebirge, den Jura, die Kreide u. s. w. zusammensetzen, wirklich aus dem Wasser abgesetzt worden sind. Dennoch zweifelt kein Einziger daran. Auch hat kein Geologe beobachtet, dass diese verschiedenen neptunischen Gebirgs - Formationen in einer bestimmten Reihenfolge nach einander entstanden sind; und dennoch sind alle einstimmig von dieser Reihenfolge überzeugt. Das rührt daher, dass eben nur durch die hypothetische Annahme jener neptunischen Schichtenbildung und dieser Reihenfolge sich überhaupt die Natur und die Entstehung aller jener Gebirgsmassen begreifen lässt. Weil, dieselbe allein durch die angeführten geologischen Hypothesen sich begreifen und erklären lässt, deshalb gelten diese Hypothesen als sichere geologische Theorien 2)." Nun ist in der That auch die Lehre DARWIN'S, wie ZÖLLNER treffend bemerkt, „nichts andres als die Hypothese von der Begreiflichkeit der organischen Natur", setzen wir hinzu, die einzige jetzt und jemals überhaupt mögliche wissenschaftliche Hypothese: „diese Hypothese oder keine!" Aber ein so geringes speculatives Bedürfniss zu haben, eben freiwillig auf eine Hypothese zu verzichten, dies konnte bei einem Manne der Wissenschaft wohl einst zu entschuldigen sein, wo man die ganze Schöpfung an den „Anfang Himmels und der Erden" verschob und sich im übrigen auf Genesis I. berief: heutzutage, wo uns eine beständige Schöpfung geologisch nachgewiesen ist, wo es eine so fest und sicher,,wie die Berge Gottes" dastehende Thatsache ist, dass zu verschiedenen Zeiten verschiedene Organismen-Geschlechter einander abgelöst haben, und des Menschen Dasein,,von gestern" ist, heutzutage müsste eine solche Resignation an dem allgemeinen wissenschaftlichen Interesse sehr irre machen. Die einzig mögliche Hypothese: denn man wird doch nicht mit den Kaffern3) und ARTHUR SCHOPENHAUER) glauben wollen, dass Alles sich selbst mache, „Bäume und Sträucher durch ihren eigenen Willen entstehen",,,schlechthin sich selber setzen", so zu sagen; neque de coelo

2) E. HAECKEL, Anthropogenie. Leipzig, 1874. S. 296.

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3) Vgl. JOHN LUBBOCK, Pre-historic Times. London, 1865. p. 468. 4) SCHOPENHAUER, Werke. IV. Bd. I. S. 58.

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cecidisse animalia possunt 5); noch wird man sich dazu verstehen wollen, anzunehmen, dass in unzähligen Momenten unserer Erdgeschichte jedesmal gewisse Urstoff-Atome commandirt worden seien, zu lebendigen Geweben in einander zu fahren"); noch darf die Wissenschaft überhaupt Schöpfungsacte annehmen, d. h. Discontinuitäten der Causalreihe: denn ,,selbst die wildesten Hypothesen, wenn sie nur physisch sind, sind erträglicher als eine hyperphysische, d. i. die Berufung auf einen göttlichen Urheber" "). Durch die Entwicklungstheorie wird die zwar stets naive", aber doch, wegen unserer Befangenheit, dunkle Hieroglyphenschrift des,,uralten Autors Natur" auf die einfachste Weise entziffert. Denn nicht durch Annahme titanisch-gewaltthätiger Mächte sucht unsre Theorie das heilige Räthsel zu lösen, sondern durch den Nachweis der Summirung in wandelloser Gesetzmässigkeit fortwirkender kleinster Ursachen; sie kommt mithin in vollstem Maasse der alten methodologischen Forderung nach: principia non esse multiplicanda praeter necessitatem. Die Entwickelungstheorie ist ein grosses Inductionsgesetz, auf welches wir durch die vergleichende Zusammenstellung der wichtigsten morphologischen und physiologischen Erfahrungsgesetze hingeführt werden“). „DARWIN'S Hypothese", sagt THOMAS HUXLEY,,,ist, soweit ich sehe, mit keiner einzigen biologischen Thatsache unverträglich; im Gegentheil werden, wenn man sie zugiebt, die Thatsachen der Embryologie, der comparativen Anatomie, der geographischen Verbreitung und der Paläontologie mit einander verbunden und erhalten einen Sinn, wie sie ihn nie zuvor besassen“ 9). Die bedeutungsvolle Erscheinung, dass auch der berühmte Geologe Sir CHARLES LYELL noch in spätem Alter, also fern von aller jugendlichen Uebereilung, sich für unsre Theorie erklärt hat, fällt zu Gunsten derselben schwer in die Waagschale, da man gerade die geringe Anzahl geologischer, bez. paläontologischer Beweismittel häufig gerügt hat. Und wer etwa von bota

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5) LUCRETIUS, De rerum natura V, 790.

") DARWIN, Entstehung der Arten. 2. Aufl. Stuttgart, 1863. S. 517.

7) KANT, Kritik der reinen Vernunft. Methodenlehre. I, 3.

8) HAECKEL, Anthropogenie. S. 83.

9) TH. H. HUXLEY, Evidence as to Man's Place in Nature. London, 1863. p. 107.

nischer Seite her Schwierigkeiten befürchtet, dem ist eine der ersten Auctoritäten dieser Wissenschaft entgegenzustellen, HOOKER, welcher im Laufe seiner ausgedehnten Reisen die Pflanzenwelt arctischer, gemässigter und tropischer Zonen studirt hat", und, wie LYELL hinzusetzt, durch seine grossartigen, allseitigen Forschungen besser als jeder Andere „durch Beobachtung und Urtheil dazu angethan war, eine gewichtige Meinung über diese Frage abzugeben, ob der gegenwärtige Pflanzenwuchs der Erdoberfläche mit der Theorie DARWIN'S übereinstimmt, oder nicht. Man kann sich daher", fährt LYELL fort, nur auf's tiefste in Anspruch genommen fühlen, wenn wir ihn folgende Erklärung machen hören: Die wechselseitigen Beziehungen der Pflanzen aus jeder grossen botanischen Provinz und in Wirklichkeit der Welt überhaupt sind gerade so, wie sie sein müssten, wenn Abänderung während unbegrenzter Zeiträume in Thätigkeit gewesen wäre, in derselben Weise, wie wir sie während einer begrenzten Zahl von Jahrhunderten wirksam sehen, um allmählich im Laufe der Zeit Anlass zur Entstehung der auseinandergehendsten Formen zu geben '" 10). Unsre Theorie bewährt sich auch an jenem ächtesten Probirstein der Wahrheit einer Hypothese: in solchen Kreisen zu gelten, welche bei ihrer Begründung nicht in Betracht gezogen wurden, wie im Gebiete der Sprachwissenschaft 11). Daher bemerkt DARWIN mit vollstem Rechte: er könne nicht glauben,,,dass eine falsche Theorie diese mancherlei Gruppen von Erscheinungen erklären würde." Im Gegentheil möchte man mit KANT ausrufen: Wenn man im Stande ist, bei so viel Ueberführung unbeweglich zu bleiben, so muss man entweder gar zu tief in den Felsen des Vorurtheils liegen, oder gänzlich unfähig sein, sich über den Wust hergebrachter Meinungen zu der Betrachtung der allerreinsten Wahrheit emporzuschwingen“ 12). Veniet tempus, quo posteri tam aperta nos nesciisse mirentur! (SENECA.)

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Die Lehre von der Unveränderlichkeit der Arten lässt sich, wie man schon oft bemerkt hat, einfach auf die Mythen vom Paradiese und der Arche Noah zurückführen. Tot numeramus species, quot ab

10) LYELL, Alter des Menschengeschlechts. 2. Aufl. Leipzig, 1874. S. 391 f. 11) Vgl. A. SCHLEICHER, Die Darwin'sche Theorie und die Sprachwissenschaft. 2. Aufl. Weimar, 1873. S. 33. LYELL, a. a. O. Kap. 23.

12) KANT, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. II. Thl. 3. Hpst.

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