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In allen Geisteskräften liegt unmittelbar der Trieb nach einer ihren eigenthümlichen Gesetzen gemässen Bethätigung, ,,ein Wille zum Leben", wie wir mit SCHOPENHAUER sagen können: es giebt aber eben einen so vielfachen Willen zum Leben", als Geisteskräfte nach Bethätigung streben. Die intellectuellen Kräfte, die SCHOPENHAUER als ein Secundäres dem,,Willen" als dem Primären gegenüberstellt, haben selbst auch ihren „Willen zum Leben“, und nicht weniger die künstlerischen und die sympathischen, sittlichen Geisteskräfte. Wenn man also auch wirklich diesen,,Willen" als Subject fassen wollte und nicht als Prädicat von Geistes-` kräften, wie wir es thun: so dürfte man, ihn zu charakterisiren, doch nicht bloss mit unserem Pessimisten das ,,Fressen und Sichbegatten" anführen, sondern nicht minder alle moralischen, künstderischen und wissenschaftlichen Bestrebungen; nicht einmal bei den höheren Thieren reicht die SCHOPENHAUER'sche Charakteristik des,,Willens" aus. Ohne eine treibende Kraft kann auch das Vorstellungsspiel nicht in planvoller Thätigkeit sein; und auch das stille, speculative, abstracteste Nachdenken bedarf der nach einem Ziele hin tendirenden Willensbestrebungen nicht minder, als die äusseren Handlungen. Der philosophische Eros ist nichts anderes als das Gefühl speculativer Geisteskraft, die nach einer ihren eigenen Normen entsprechenden Bethätigung drängt. Alle Gefühle sind nun Zustände der Förderung oder Hemmung irgend einer eigenthümlichen Geisteskraft, nach SCHOPENHAUER überhaupt des ,,Willens"; und ist in dieser Fassung eben nur einem Aristotelischen Gedanken eine grössere Bedeutung und Allgemeinheit gegeben, als der Stagirite vielleicht selbst erkannt hat. Mit anderen Worten: die Förderung jeder specifischen Geistesthätigkeit wird als Lust, deren Hemmung als Unlust empfunden. Eine normale Arbeit gewährt also positiven Genuss, und gilt dies für alle Gebiete menschlicher Thätigkeit; sie ist nicht nur ein Mittel zum Fernhalten der „Langenweile" und zu späterem Genuss, sondern (immer vorausgesetzt, dass sie nach Qualität und Quantität den Kräften des betreffenden Individuums gemäss ist) selbst Genuss. Andrerseits offenbart sich die mangelnde Bethätigung der Kräfte nicht minder bei der zur Unthätigkeit verurtheilten physischen Körperkraft durch ein lästiges Gefühl der Spannung, als bei den

einseitig oder nur schwach functionirenden intellectuellen Kräften durch ,,Langeweile", oder bei den ohne Anregung bleibenden sympathischen oder Gemüthskräften durch alle Gefühle unbefriedigter Sehnsucht und Vereinsamung. - Je höherpotenzirt diese specifischen Kräfte sind, eine um so höhere Steigerung des Lebensgefühls muss bei ihrer Bethätigung eintreten, und umgekehrt ist es eine bekannte Erfahrung, dass es nur bei wahren Bedürfnissen wahre Freuden geben kann. Bei einer gewissen kritischen Vorsicht kann man daher aus der Freude, die uns die Beschäftigung mit einem gewissen Gegenstande gewährt, selbst erkennen, wozu man natürliche Befähigung und daher Beruf hat, und wozu nicht. „Das Interesse, welches das Individuum an etwas findet, ist die schon gegebene Antwort auf die Frage, ob und was hier zu thun sei," bemerkt daher HEGEL sehr treffend; denn on ne peut triompher que de ce qu'on aime, wie STANISLAUS LESZCZYNSKI sagt; und: si l'on est à sa place, on est heureux, nach VAUVENARGUES auch GOETHE mehr als einmal behandelt hat. Wenn daher ein Mann der Wissenschaft von dem,,fast vollständigen Mangel an äusserem und innerem (!) Lohn (!)" der Wahrheitsforschung spricht, von „jener geistigen Unruhe, jenem Seelenschmerz, welcher nur demjenigen begreiflich ist, welcher gewisse Bahnen der Erkenntniss überschritten hat," - von dem,,Schmerz der Erkenntniss" 17): so. muss man höchlich befremdet werden. Das sind schlechte und nicht „gute Brahminen“, die sich, wie jener VOLTAIRE'sche, unglücklicher schätzen, als ein altes Paria-Weib: wenigstens dann schlechte, wenn sie der Wissenschaft ihr Unglück zuschreiben wollen! Fons vitae eruditio possidentis Beatus homo qui invenit sapientiam!

(Prov. XVI, 22. III, 13.)

ein Gedanke, den

Et nil dulcius est, bene quam munita tenere

edita doctrina sapientium templa serena. (Lucr. 7 sq.)

Allerdings giebt es auch zur Wissenschaft in hohem Grade befähigte Geister, die in dieser Grosses leisten, und doch unglücklich bleiben; aber ohne Wissenschaft wären sie vollends verzweifelt: es war nicht die Wissenschaft, sondern das Leben überhaupt, welches

17) Vgl. L. BUCHNER, Kraft und Stoff. 10. Aufl. Leipzig, 1869. S. 272.

Geister wie SCHOPENHAUER nicht befriedigte. SCHILLER sagt so schön als wahr, in KANT's Sinne und sogar theilweise mit dessen Worten: „Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es giebt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuss verschafft. Der höchste Genuss aber ist die Freiheit des Gemüths in dem lebendigen Spiele aller seiner Kräfte." Und, rechtverstanden, ist auch alle Wissenschaft der Freude gewidmet; und keinem Glücke steht das herzerquickende Gefühl geistiger Vollkraft nach.

Wir haben oben die Erhaltung und Förderung des Lebens des Individuums und der Gattung als das eine Ziel der Einrichtung des geistigen Organismus gekennzeichnet; und wir sahen ferner, dass dieses Leben bei höheren Wesen ein sehr reiches und nicht auf das vegetative und allgemein-animale Gebiet beschränkt ist. Durch jene Veranstaltung zum Bestehen des Individuums und der Gattung wird nun offenbar nicht nur eine zoologische Species als solche erhalten, als blosse Darstellung einer „Platonischen Idee": sondern der höchste Zweck ist das in sich befriedigte geistige Leben an sich. Nichts ist blosses Mittel - universa propter semetipsum operatus est Dominus. (Prov. XVI, 4.).

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STRAUSS sagt von der Natur": „Da sie nicht weiter über sich gehen kann, will sie in sich gehen. Sich in sich reflectiren, ist ein ganz guter Ausdruck von HEGEL gewesen. Empfunden hat sich die Natur schon im Thiere; aber sie will sich auch erkennen" 18). Obwohl nun nicht bezweifelt werden kann, dass diese Anschauung zu STRAUSS' materialistischer Weltansicht gar nicht. passen will, so enthält sie doch eine bedeutungsvolle Wahrheit. Wir haben schon in den Einleitungsworten alle Einführung des Zufalls in eine philosophische Weltanschauung bekämpfen müssen, und irgendwie werden wir uns das Bestehen des Bewusstseins in der Welt auslegen müssen: Der Baum des Lebens, der, mit Wurzeln und Gezweig, Erde, Wasser und Luft und alle Sphären des Seins durchklammernd, dieses Alles geniesst und des Bewusstseins Blüthe hervortreibt, muss Ziel und Zweck aller

18) STRAUSS, Der alte und der neue Glaube. S. 245.

physikalischen Zurüstung der Natur sein. Wir sagen daher nicht nur, wie KANT: ,,die vernünftige Natur existirt als Zweck an sich selbst"; sondern: alles in sich befriedigte psychische Leben ist letzter Zweck 19).

19) Im 1. Essai (the Relation of the Evolution Hypothesis to Human Psychology) seines Werkes: Sensation and Intuition: Studies in Psychology and Aesthetics (London 1874) hat JAMES SULLY mehrere in obigem Abschnitte nicht erörterte Fragen behandelt. Vor Allem suchte er den,,möglichen Einwand gegen das besondre Studium des individuellen Bewusstseins, den man aus dem Begriff der Entwicklung herleiten kann", die Behauptung, dass,,die alte Methode der psychologischen Forschung mit der jüngeren Philosophie des Lebens unverträglich" sei, durch ,,logische, wissenschaftliche und praktische Erwägungen“ zu entkräften; und er erörtert sodann die Schwierigkeiten in der concreten Anwendung der Vererbungstheorie und in der Erforschung des thierischen Bewusstseins, wobei er gewissen Ueberschätzungen des letzteren durch DARWIN nicht mit Unrecht entgegentritt (p. 17 sq.).

II.

ERKENNTNISSTHEORIE.

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,,Da alle Dinge in der Natur Beziehung auf einander haben, was kann reeller und wahrer sein, als diese Beziehungen!" LICHTENBERG.

KUNO FISCHER Sagt in der Vorrede zu seinem trefflichen Werke über FRANZ BACON 1): „Wenn man heute fragt: was heisst sich in der Philosophie orientiren? so muss man antworten: das heisst KANT studiren." Gewiss, KANT studiren, sich von ihm belehren lassen! Sollen wir uns aber von ihm bekehren lassen?? Jedenfalls wird man zu ihm Stellung nehmen müssen; und diese Stellung wird man nur dadurch genau bestimmen können, dass man zwischen KANT, dem idealistischen Kritiker, und Kant, dem idealistischen Skeptiker, scharf unterscheidet. Der Kritiker KANT war es, der in den „Prolegomenen“ erklärte: sein „Idealismus" sei „lediglich dazu, um die Möglichkeit unserer Erkenntnisse a priori von Gegenständen der Erfahrung zu begreifen“, er sei ,,nur als das einzige Mittel, jene Aufgabe aufzulösen, in den Lehrbegriff aufgenommen worden", - weshalb der Philosoph diese Bezeichnung Idealismus lieber zurücknimmt und ihn den kritischen genannt wissen will", da dieser Idealismus,,bei weitem noch nicht die Seele des Systems ausmacht." Der Skeptiker KANT war es, der in der ,,Kritik der reinen Vernunft",,das Wissen aufheben" will, um dem Glauben Platz zu machen"; der Skeptiker war es vor Allem, der alles freudige, objective Forschen indirect

1) K. FISCHER, Franz Baco von Verulam. Die Realphilosophie und ihr Zeitalter. Leipzig, 1856. S. VIII.

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