ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

dadurch lähmte, dass er dessen Bereich, das Reich der „Erscheinung", die ,,Sinnenwelt", zwar nicht in einen blossen Schein verflüchtigte, demselben aber doch, der imaginären sog. „intelligibeln Welt" gegenüber, alle Würde entzog und so in der That zu dieser, dem Werthe nach, in das Verhältniss des Scheins zum Sein setzte. Daher sagt FRIEDRICH HARMS vom eigentlichen Idealismus mit vollstem Rechte: „Dessen muss er sich bewusst sein, dass er alle Naturwissenschaften untergräbt und aufhebt; und wundern darf er sich deshalb auch nicht, wenn die Erfahrungswissenschaften der Natur ihn von vornherein verwerfen als ein Dogma, mit dem sie nicht bestehen können" 2). Dass nun KANT'S Lehre

eine stark skeptische Wendung erhielt, ist sehr begreiflich. Er ging (worauf wir schon einmal aufmerksam machten) von der verhängnissvollen Auffassung der Philosophie als „Metaphysik“ aus; Metaphysik behauptet, von der Erfahrung unabhängige Erkenntnisse zu besitzen; KANT wies durch Kritik des Organs der Metaphysik, nämlich der Vernunft selbst, nach, dass es solche Erkenntnisse nur in Betreff der subjectiven Vorstellungsgesetze gäbe: die Folge davon war, dass er Philosophie zur Lehre von den Gesetzen und Grenzen des Erkennens einschrumpfen lassen musste und ihr jede Möglichkeit, eine Weltanschauung zu produciren, (weil diese ja nie eine metaphysische sein könne) absprach. Dies musste gerade einen Mann von dem speculativen Bedürfniss eines KANT am meisten niederdrücken und so in ihm die skeptische Gemüthsstimmung" hervorbringen, in der er auf den Ruinen des Wissens nun doch ein schattenhaftes moralisch-mystisch-intelligibles Reich begründen wollte.

Gehen wir nun auf den Kriticismus näher ein. Rückhaltslos muss man zunächst mit HELMHOLTZ (der ja um die allgemeinere Anerkennung der Kantischen wirklichen Errungenschaften bekanntlich das höchste Verdienst hat) zugeben, dass „Vorstellung und Vorgestelltes offenbar zwei ganz verschiedenen Welten angehörig sind, welche eben so wenig eine Vergleichung unter einander zulassen, als Farben und Töne, oder als die Buchstaben des Buches

2) Allgemeine Encyklopädie der Physik. Herausgegeben von G. KARSTEN, I. Bd. Einleitung in die Physik. Bearbeitet von G. KARSTEN, F. HARMS und G. WEYER. Leipzig, 1869. S. 283.

mit dem Klange des Wortes, welches sie bezeichnen" 3). Denn unsre Sinne sind doch kein Thor, und unser Bewusstsein ist doch kein Behältniss, durch welche und in welches die Dinge, wie sie da sind, in uns hineinspazieren, wie schon LEIBNIZ sagte! Wenn wir also bei allen unsern Empfindungen und Vorstellungen in uns selbst verbleiben, da dieses Alles ja, nach einem Ausdrucke SCHOPENHAUER'S, ein Vorgang im Organismus ist, ,,auf das Gebiet unterhalb der Haut beschränkt"; so können wir dieselben offenbar nur als Wirkungen, die wir erfahren, ansehen. Der Einwurf, der Begriff der Causalität sei ja auch nur eine Verstandeskategorie, subjectiv und daher hier nicht anwendbar, ist hinfällig, da wir das Verhältniss der Dinge (oder des „Dinges. an sich") zum empfindenden und erkennenden Subject doch irgendwie werden denken müssen, und dies die einzige Möglichkeit ist. „Soll überhaupt von der Erscheinung zu ihrem Grunde, ihrem Wesen und ihren Ursachen vorgedrungen werden, so kann dies nicht anders als nach dem Gesetz des Grundes, diesem allgemeinsten Denkgesetze, geschehen.“ (ZELLER 4). Auch KANT und SCHOPENHAUER haben stets dieses causale Verhältniss zwischen Gegenstand und Empfindung, oder allgemeiner, zwischen Ding und Erscheinung stillschweigend vorausgesetzt, wenn sie auch zuweilen mit Worten dagegen protestirten. In der That wäre der einzige Ausweg der Nihilismus),

3) Vgl. HELMHOLTZ, Physiologische Optik. S. 442 ff.

4) EDUARD ZELLER, Geschichte der Deutschen Philosophie seit Leibniz. München, 1873. S. 878.

5) Denn es ist eine schon dem alten Inder KAPILA bekannte Wahrheit:,,dass man, wenn man nur an die Wirklichkeit der Gedanken glaubt und die Wirklichkeit aller äusseren Dinge abläugnet, bald zugeben müsse, dass gar nichts existire, da wir uns unserer Gedanken in eben der Weise bewusst werden, wie wir uns äusserer Gegenstände bewusst sind." (Vgl. M. MÜLLER, Essays. I. Bd. S. 202). — KANT erklärt: ,,Sogar sich selbst und zwar nach der Kenntniss, die der Mensch durch innere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmassen zu erkennen, wie er an sich selbst sei. Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen Begriff nicht a priori, sondern empirisch bekommt: so ist natürlich, dass er auch von sich durch den innern Sinn und folglich nur durch die Erscheinung seiner Natur und die Art, wie sein Bewusstsein afficirt wird, Kundschaft einziehen könne; indessen er doch nothwendiger Weise über diese aus lauter Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjects noch etwas anderes zum Grunde liegendes, nämlich sein Ich, so wie es an sich selbst beschaffen sein mag, annehmen muss." (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 3. Abschn.)

oder die Verneinung des Willens zum Denken. „Unsere Anschauungen und Vorstellungen“, sagt HELMHOLTZ ), „sind Wirkungen, welche die angeschauten und vorgestellten Objecte auf unser Bewusstsein hervorgebracht haben." Jede Wirkung hängt nun, so schliesst unser Forscher weiter,,,ihrer Natur nach ganz nothwendig ab sowohl von der Natur des Wirkenden, als von derjenigen, auf welche gewirkt wird. Eine Vorstellung verlangen, welche unverändert die Natur des Vorgestellten wiedergäbe, würde heissen, eine Wirkung zu verlangen, welche absolut unabhängig wäre von der Natur desjenigen Objects, auf welches eingewirkt wird: was ein handgreiflicher Widerspruch wäre. So sind also unsre menschlichen Vorstellungen und so werden alle Vorstellungen irgend eines intelligenten Wesens, welches wir uns denken können, Bilder der Objecte sein, deren Art wesentlich mitabhängt von der Natur des vorstellenden Bewusstseins. . . . Dass unsre Vorstellungen den Dingen nicht gleich sein können, liegt in der Natur des Wissens."

[ocr errors]

Dieses Alles kann keinem Zweifel unterliegen: aber in dieser Natur unseres wie jedes denkbaren Wissens liegt ja nichts weniger als ein Mangel des Wissens!: und hic locus est, partes ubi se via findit in ambas hier ist der Ort, wo unser Weg sich von dem Kantischen Gedankengange trennen muss. Wenn wir schlechterdings nichts von den Dingen wissen können, als was in unserer Vorstellung liegt; wenn, wie KANT sagt, die Vernunft vergeblich ihre Flügel ausspannt, um durch die Speculation über die „,Sinnenwelt", d. h. die Welt als Vorstellung, hinauszukommen: so werden wir eben „das Ding an sich" völlig ruhen lassen und nicht verlangen, Alles (wie LICHTENBERG sagt) „,absolut zweimal zu haben, wo man an einem genug hätte und nothwendig genug haben muss“; wir werden durch eine umfassende, in's Breite und in's Tiefe gehende Erforschung unserer Welt und unseres Lebens ein Abbild derselben im Bewusstsein schaffen: und wir werden auf diesem durchaus nicht den Hintergrund eines magischen Feenlandes, „intelligible Welt" bei KANT genannt, dulden dürfen: da dessen schattenhafte Farben, so weit sie sich eben von der Dunkelheit der absoluten

6) Vgl. HELMHOLTZ, Physiologische Optik. S. 442 ff.

Leere abheben, sämmtlich auch nur von der Iris der ,,Sinnenwelt" entlehnt und unter der Leitung von Gemüthsphantasien, unter Fernhaltung des für incompetent erklärten Verstandes, aufgetragen sind. „Eine der sonderbarsten Anwendungen, die der Mensch von der Vernunft gemacht hat, ist wohl die, es für ein Meisterstück zu halten, sie nicht zu gebrauchen, und so, mit Flügeln geboren, sie abzuschneiden", bemerkt LICHTENBERG: und doch verlangt der grosse KANT von uns nicht viel Geringeres! Die theoretische Vernunft wird sich ihren Flug in das Reich der Moral und der Religion nicht durch Kantische Kritik (bez. Skeptik) abschneiden lassen: aber freilich wird sie diese Reiche auch nicht in einem transscendenten Jenseits, das nur durch ein miraculum rigorosum (wie KANT selbst die Transscendental-Freiheit nennt) die Sinnenwelt berührt, sie wird diese Reiche nicht in der (per antiphrasin so genannten) ,,intelligibeln" Welt aufsuchen: sondern mitten im Herzen der Welt unseres Empfindens und Denkens.

-

Der grosse Kritiker hat Recht mit der Behauptung, dass die Vorstellungen, als solche, von ihren Gegenständen toto genere verschieden sein müssen. Er hat ferner mit Recht die Apriorität der Denkgesetze geltend gemacht: aber diese unsre Denkgesetze, so wie sie sind, haben doch einen Ursprung, als die Ausstattung eines in der Zeit aufgetretenen Geschlechts, nämlich der höchsten Species terrestrischer Organismen! Er zeigte, dass nur unsrer eigenen Natur gemäss die Dinge auf uns wirken können: aber diese Natur selbst ist ja nicht direct vom Himmel gefallen, sondern hat einen zeitlichen, empirischen Ursprung! Wie die Zahl der Blumenblätter oder der Staubfäden den Pflanzen, so sind den Menschen die Ideen oder Harmonien eingeboren und treten in der Entwicklung hervor," sagt KEPLER) sehr schön: aber Eines wie das Andere ist geworden: Und der Gedanke nun, dass die Entwicklungstheorie für unser Problem die höchste Bedeutung habe, musste sich denkenden Anhängern derselben sehr bald aufdrängen; und HERBERT SPENCER hat in England, EMIL DU BOIS-REYMOND in Deutschland das Verdienst, diesen Gedanken zuerst erörtert zu

[ocr errors]

) Vgl. MORITZ CARRIERE, Die philosophische Weltanschauung der Reformationszeit. Stuttgart und Tübingen, 1847, S. 135.

v. Giżycki, Entwicklungstheorie.

3

haben. HERBERT SPENCER erklärt: „Wenn es gewisse äussere Beziehungen giebt, welche von allen Organismen in allen Momenten. ihres wachen Lebens erfahren werden Beziehungen, welche absolut constant, absolut universell sind so werden sich entsprechende innere Beziehungen befestigen, welche absolut constant, absolut universell sind. Solche Beziehungen haben wir in denjenigen von Raum und Zeit . . . beständige und ewig wiederholte Elemente des Denkens deren sich zu entledigen unmöglich ist

[ocr errors]

die,Formen

der Anschauung'. Dieses, scheint mir, ist die einzig mögliche Versöhnung zwischen der Erfahrungs-Hypothese und der Hypothese der Transscendentalisten; von denen keine für sich haltbar ist. . . . Um es hier auf sich beruhen zu lassen, dass die ungerechtfertigte Behauptung, die Seele sei vor der Erfahrung eine tabula rasa (a blank), die Frage ignoriren heisst: woher kommt die Kraft, Erfahrungen zu organisiren (the power of organizing experiences)? Wenn bei der Geburt nur eine passive Receptivität für Eindrücke existirt, warum lässt sich ein Pferd nicht erziehen wie ein Mensch? Sollte man behaupten, dass die Sprache den Unterschied macht: warum gelangen dann nicht Katze und Hund, die in demselben Hauswesen aufwachsen, zu ähnlichen Graden und Arten der Intelligenz?" u. s. w. 8). 8). Und unser berühmter Physiologe DU BOIS-REYMOND sagt: „Sollte man sich nicht denken können, dass auch die sog. angeborenen Ideen dergestalt (nach der Entwicklungslehre) ein natürliches Erbtheil unseres Geschlechts seien? Sollte nicht hierin die wahre Entscheidung des alten Streites zwischen Empirismus und Nativismus (LEIBNIZ, KANT) liegen, eine Entscheidung, die zugleich eine Versöhnung wäre, da beide Theile Recht behielten? Denn indem diese Anschauung die prästabilirte Harmonie für das menschliche Individuum zulässt, wie in Dingen des Instinctes für die einzelne Biene und Ameise, lässt sie für das ganze Geschlecht die sensualistische Ansicht gelten. So bietet sie überdies noch einen Vortheil. Die schwierige Arbeit, welche der Sensualismus dem einzelnen Menschenkinde während der ersten Lebensmonate zumuthet, von denen es noch dazu etwa elf Zwölftel schlafend verbringt, ver

8) HERBERT SPENCER, The Principles of Psychology. vol. I. London and Edinburgh, 1870. p. 467 sq.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »