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jenes Plotinische Sichschämen, überhaupt noch einen Leib zu haben1), eine geschichtliche Nothwendigkeit war; aber diese Zeit ist nicht mehr die unsre: uns liegt ob, uns nunmehr endlich von allen den Einseitigkeiten zu befreien, die uns noch immer als ein Erbstück des Mittelalters verblieben sind. Die Erkenntniss der ,,Stellung des Menschen in der Natur", welche wir durch die Entwicklungstheorie gewinnen, ist der letzte und entscheidende Schlag, den die mittelalterlich - mönchischen Anschauungen erhalten. Treten wir nun unserer Aufgabe näher, und verfolgen wir die Bedeutung unsrer Lehre für die Moral mehr im einzelnen.

,,Die Thiere sind unsere erstgeborenen Brüder", wie schon HERDER erklärte die Wurzeln des menschlichen Stammbaums sind in der Thierwelt zu suchen: dies die Wahrheit, von der wir ausgehen. Was folgt nun hieraus? Hören wir zuerst einen ,,Antidarwinianer": „Es ist unmöglich, die Wichtigkeit des Ursprungs zu überschätzen. Wenn unsre Menschheit nur das natürliche Product der modificirten thierischen Fähigkeiten ist; so werden die meisten ernstgesinnten Menschen gezwungen werden, jene Motive aufzugeben, mit welchen sie ein edles und tugendhaftes Leben zu führen unternommen hatten, als auf einen Irrthum gegründet"). Der Gegenstand ist zu ernst, um mit sehr nahe liegendem Spotte zu antworten; aber diese Zeilen ehren ihren Verfasser nicht! Die Moralität ruht auf sehr schwacher Basis, welche durch den Nachweis einer anderen Genealogie als der angenommenen umgestürzt wird! Der unglaublich tiefe Sittlichkeitszustand der barbarischen Stämme ist bekannt genug, und von solchen stammen erwiesenermassen (ganz abgesehen von unserer Theorie) alle civilisirten Nationen ab, - die Originale zu jenem Menschenfleischladen-Bild in HUXLEY'S Schrift3) hat es daher vermuthlich nicht nur in Africa gegeben: folgt hieraus, dass wir jenen Vorfahren gleichen müssen? - Doch genug über einen Punct, den wir eigentlich schon in der Einleitung erledigt hatten.

,,Gute Leute zeigen sich gegen alle Wesen barmherzig; indem sie bedenken, wie sehr sie ihnen gleich sind," heisst es in dem

1) Vgl. ZELLER, Philosophie der Griechen. III. 2. S. 416. 5.

2) Citirt von BREE, Fallacies etc. p. 13.

3) HUXLEY, Man's Place in Nature. p. 55.

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Brahmanischen Hitopadesa 1): und diese Ausdehnung der Humanität über die Grenzen der Menschheit hinaus bis auf Wohl und Wehe unserer erstgeborenen Brüder" ist die nächste Consequenz der Entwicklungslehre auf moralischem Gebiet 5). Jene, stolz sich selbst „die ethische" nennende Betrachtungsweise, welche den Menschen in autotheistischer Befangenheit aus der ganzen Natur heraushebt und für diese kein Herz hat, diese ,, ethische" Betrachtung hat noch stets die sehr antiethische Eigenheit gehabt, die Thiere als ,,blosse Sachen" anzusehen, gegen die man keinerlei Pflichten hat — da sie ja eben nur ,,von Natur dazu geboren sind, dass sie gefangen und geschlachtet werden", wie es II. Petr. II, 12 heisst. Auch die berühmte Kantische Moral findet an sich nichts darin, den Thieren die grässlichsten Schmerzen zwecklos zuzufügen; und nur deshalb sei dies zu unterlassen, da es der Pflicht des Menschen gegen sich selbst entgegengesetzt ist, weil dadurch das Mitgefühl am Leiden im Menschen abgestumpft und folglich eine der Moralität im Verhältnisse zu anderen Menschen sehr diensame Anlage geschwächt und ausgetilgt wird!" Und dieser Paragraph steht nicht etwa in der Rechts-, sondern in der „Tugendlehre“!“) — Dem unbefangenen und dabei sittlich guten Menschen sind jene Einseitigkeiten anti-naturalistischer Schulen glücklicherweise fremd; er weiss, ,,wie sehr wir den Thieren gleich sind": d. h. er verkennt nicht ,,das der schmerzlichsten Empfindung fähige, ewige Wesen, welches in allem, was Leben hat, da ist und aus allen Augen, die das Sonnenlicht sehen, mit unergründlicher Bedeutsamkeit hervorleuchtet!" Wenn eine gute Mutter ihr Kind ein Thier misshandeln sieht, dann wird sie sicherlich sagen: „Quäle doch das arme Thier nicht, es thut ihm ja weh!" Unser Sittlichkeitsgefühl reagirt ähnlich wie in Betreff des Menschen auch auf dem Thiere zugefügte Verletzungen; unser Gewissen straft uns auch, wenn wir ein Thier gequält haben, SCHOPENHAUER redet sogar von dem „herzzerreissenden Schmerze“, welchen derjenige empfindet, „welcher zufällig ein geliebtes Thier tödtlich verletzt hat und nun seinen Scheideblick empfängt"; und unser Gerechtigkeitsgefühl empört sich, wenn wir

4) Vgl. M. MÜLLER, Essays. I. Bd. S. 271.

5) Vgl. DARWIN, Descent of Man. vol. I. p. 101. 6) KANT. Metaphysik der Sitten. II. Thl. §. 17.

die brutale Behandlung eines Thieres mitansehen müssen; wir empfinden ein Gefühl der Genugthuung, wenn diese Rohheit gezüchtigt wird. In einer Berliner Zeitung aus dem April dieses Jahres (1875) stand folgender Bericht, dem man hier eine Stelle verstatte „Lynchjustiz. Am Sonnabend Nachmittag war die R.-Strasse der Schauplatz eines Volksgerichts. Ein übermässig mit Schutt und Steinen beladener Wagen, bis an die Axen im Sande stehend, sollte von zwei Pferden von der Stelle geschafft werden. Die Last erwies sich als zu gross, und die riesigsten Anstrengungen der Thiere vermochten sie nicht zu bewegen. Aergerlich über den Aufenthalt, fing der Kutscher die Pferde in einer Weise zu maltraitiren an, wie sie kaum jemals in Berlin vorgekommen sein dürfte. Mit dem dicken Stiel der Peitsche schlug er wie von Sinnen die Thiere auf Nase, Maul und Augen, sodass sie blutend und ächzend ihre Anstrengung, aber vergeblich, verdoppelten. Vier Arbeiter von einem Neubau hatten zuerst die Unmenschlichkeit bemerkt und eilten empört den Thieren zu Hülfe. Nun soll er 'mal sehen, wie das thut', erscholl es im Chor, und hageldicht fielen die Hiebe auf den Barbaren, bis er flehentlich um Erbarmen bat. Keiner der vielen vorübergehenden Zeugen machte Miene, dem Gezüchtigten beizustehen, nachdem er gehört hatte, um was es sich handle." Es ist ein durchaus wahrer Ausspruch SCHOPENHAUER's, dass ,,Mitleid mit Thieren mit der Güte des Charakters so genau zusammenhängt, dass man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Thiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein." Und es gehört zu SCHOPENHAUER'S bleibendem Verdienste, auch in der Wissenschaft die Rechte der Thiere geltend gemacht zu haben wie schon STRAUSS anerkannt hat. In dieser Hinsicht haben ihn seine Indischen Studien sehr gefördert. Alle jene Indischen Mythen, wie z. B. von Ssemtschan-Tsch'enpo, der eine dem Verhungern nahe Tigerin durch Darbringung seines eigenen Leibes errettet und für diese ,,Gutthat" in der Götterregion Galdan wiedergeboren wird, oder vom göttlichen Löwen Kunta, welcher, um die vom Könige des Landes unter argen Drohungen auf seine Erlegung ausgesandten Jäger aus ihrer Gefahr, dem Tyrannen gegenüber, zu erlösen, sich lebendig das Fell abziehen, und darauf, als ,,achtzigtausend Fliegen, Ameisen und sonstiges Ungeziefer" herbei

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eilen und das entblösste, nasse Fleisch benagen, sich nicht rührt, aus Besorgniss sie zu verscheuchen, und solchergestalt nach Darbringung seines Körpers seinen Geist aufgiebt:"") alle jene

Mythen und Fabeln haben, trotz ihrer grossen Uebertreibung, doch eine edle Moral.

Wem es Bedürfniss ist, seine moralischen Grundsätze noch durch religiöse Erwägungen zu unterstützen, der möge an die GOETHE’schen Verse und an das Wort des Psalmisten denken:

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Wenden wir uns nun einem Probleme zu, das seit Jahrhunderten, vielleicht mehr als irgend ein anderes, die Gedanken der Philosophen beschäftigt hat, und durch die Entwicklungstheorie seine endgültige Entscheidung findet: Der Frage, ob die menschlichen Willensacte, wie alles andere Geschehen in der Natur, dem allgemeinen Causalitätsgesetze unterworfen sind, oder nicht. — Diese, von einigen Philosophen-Schulen, sowie von der übergrossen Mehrzahl der Philosophisch-Ungebildeten vorausgesetzte Eigenschaft der menschlichen Willensacte, eine Ausnahme vom Causalitätsgesetze zu machen, hat man bekanntlich kurzweg,,Willensfreiheit" genannt;

7) Vgl. I. J. SCHMIDT, Dsanglun, oder der Weise und der Thor. Aus dem Tibetischen übersetzt und mit dem Originaltexte herausgegeben. St. Petersburg und Leipzig, 1843. II. Thl. S. 21 ff. 101 ff.

und nur zu lange haben auch die Gegner jener Annahme sich diese Bezeichnung gefallen lassen. Die Folge davon war, dass man von denjenigen, welche keine Durchbrechung der allgemeinen Causalitätsverkettung durch die menschlichen Willensacte annehmen konnten, behauptete: sie läugneten die Willensfreiheit. Nun ist dieser Begriff aber ein sehr vieldeutiger. „Frei" bedeutet zunächst, wie SCHOPENHAUER sehr richtig sagt,,,dem eigenen Willen gemäss": man nennt einen Menschen (oder ein Thier) (physisch-) frei, wenn er thun kann, was er will; ein Volk ist (politisch-) frei, wenn es dem eigenen Willen gemäss regiert wird; ein Mensch hat (juridisch-) frei gehandelt, wenn er, bei Verstandesgebrauch, seinem Willen gemäss handeln konnte. Der menschliche Wille ist ferner, vermöge seines weiteren, nicht auf den gegebenen engen Raumund Zeitpunct beschränkten Gesichtskreises, (psychologisch-) frei vom Zwange der anschaulich-gegenwärtigen Motive, welche im wesentlichen das Thun des Thieres bestimmen; er ist dann moralisch-frei, wenn er sich „unabhängig von der Nöthigung durch sinnliche Antriebe" durch vernünftig - sittliche Beweggründe zu bestimmen vermag: what obeys reason, is free

,,was der Vernunft gehorcht, ist frei", nach dem Sänger des ,,verlornen Paradieses". Alle diese verschiedenen Freiheitsbegriffe, die physische, politische, juridische, psychologische und moralische Freiheit, sind, wie allgemein anerkannt, mit der Annahme einer alles Geschehen, also auch unser Handeln beherrschenden Causalität sehr wohl verträglich, und ihre Geltung ist auch noch nie von den philosophischen Vertretern dieser Ansicht, den,,Deterministen", bestritten worden. Wenn man nun nichtsdestoweniger behauptet hat, der Determinismus hebe ,,die Freiheit" auf, so ist dies also unrichtig; und wenn man behauptet hat, der Determinismus hebe ,, die Willensfreiheit" auf, so ist dies auch nicht viel richtiger denn alle jene Freiheitsbegriffe beziehen sich auf den Willen, gehören mithin unter den allgemeinen Gattungsbegriff der „Willensfreiheit", von welchem jener déserteur de l'ordre général nur eine einzige Art, richtiger eine Abart ist. Durch diese Behauptung, der Determinismus hebe die Freiheit auf, haben die betreffenden Moralisten gegen denselben zu allen Zeiten die Affecte aufgeregt, was zwar eine sehr kluge, aber, zumal bei Moralisten, gar nicht hübsche Taktik ist. - Noch

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