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misstrauisch gegenübersteht. Die Nachricht erscheint ihm abenteuerlich und unglaublich, dass Odysseus, der Vielgewanderte, auch an den Rhein gekommen sei; ganz abweisen will auch Tacitus diese Kunde nicht, denn es erscheint ihm immerhin erwähnenswert, dass Ulixes dort eine Stadt gegründet und benannt habe. Die Ortsbezeichnung Asciburgium kann unmöglich die römischen oder germanischen Berichterstatter auf Uixes gebracht haben, irgend welche lautliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Namen liegt nicht vor. Asciburgium bedeutet vermutlich Eschenburg, Schiffsstadt, liegt am linken Rheinufer zwischen Gelduba (Gelb) und Vetera (Xanten) und ist vielleicht das Dorf Asburg bei Mörs (Hist. 433). Konnte also der Name der Stadt schwerlich die Vorstellung eines germanischen Odysseus hervorrufen, so bleibt nur die Annahme übrig, dass die Römer in Asciburgium Mythen vorfanden, in denen sie zu ihrem Erstaunen die griechische Odyssee wiederfanden. Nun ist in der ganzen Rheingegend kein Mythus verbreiteter als der vom Jahresgotte, der mit der Odyssee die auffallendste Parallele bot. In Trier war die Sage von Orendel lokalisiert, in Cleve die vom Schwanenritter; am Rhein ist die Siegfriedsage zuhause. Welche von den verschiedenen Fassungen des Mythus den Römern aufstiess, lässt sich natürlich nicht einmal vermuten. Es mag naheliegen, an den Schwanenritter besonders zu denken, der auch in einem Schiffe ankam, die bedrängte Frau rettete und der Gründer von edlen Geschlechtern wurde. Denkt man an die Orendelsage, so liegt die Ähnlichkeit mehr in den Seeabenteuern und der endlichen Heimkehr. Diesem Jahresgott war möglicherweise ein Altar errichtet, und waren die Römer einmal auf die Ähnlichkeit der germanischen Sagen mit den ihnen wohlbekannten des Odysseus gekommen, SO war es leicht, im Übereifer auf dem Altare selbst den Namen des griechischen Helden und sogar den seines Vaters, des Laertes, zu lesen. Waren gar die unbekannten Zeichen, die die Gewährsmänner des Tacitus schlankweg,,griechisch" fanden, Runen (Vorrunen), von denen einige in der Tat den griechisch-lateinischen Buchstaben gleichen mochten, so war

der kühne Schluss noch viel leichter möglich (s. u. Kultus, Erforschung der Zukunft).

In einigen merkwürdigen geschichtlichen Erzählungen hat sich die Erinnerung an den abwesenden und wiederkehrenden Naturgott erhalten. Die Sagen von verschiedenen Fürsten, die nach langer Abwesenheit, entstellt und unbekannt, meist mit zauberischer Hilfe zu ihrer Gattin und in ihr Reich zurückkehren, wurzeln zum Teil durchaus in geschichtlichen Begebenheiten, anderseits aber haben sich mit ihnen mythische Elemente verbunden. Kreuzritterfahrten nach dem heiligen Lande werden mit den ehemaligen Fahrten der Götter zusammengestellt, die plötzliche, unerwartete Heimkehr mit dem Wiederkommen des Jahresgottes, die Vereinigung mit der solange getrennten Gattin und der Wiederantritt der Herrschaft mit der Befreiung der Erdgöttin, der Vertreibung der winterlichen Mächte. Besonders das Motiv der Wiedererkennung der verbundenen Gatten ist von der Sage mit rührender Treue bewahrt worden.

Die ältesten Züge hat die Sage vom Grafen von Calw bewahrt (D. S. Nr. 524); in ihr ist deutlich noch nicht von einem einmaligen, sondern stets wiederkehrenden Ereignisse die Rede; das alte Motiv der dauernden Knechtschaft ist überraschend treu bewahrt, auch die Befreiung der Gattin von einer neuen Ehe noch nicht vergessen; nur an die Stelle der Meerfahrt ist ein Verschwinden in die Berge getreten, die wohl das Totenreich bedeuten; in den Bergen ist der Wohnsitz der Seelen:

Vor alten Zeiten lebte zu Calw ein Graf in Wonne und Reichtum, bis ihn zuletzt sein Gewissen antrieb, und er zu seiner Gemahlin sprach: „,nun ist von Nöten, dass ich auch lerne, was Armut heisst, wo ich nicht ganz will zu Grunde gehen". Hierauf sagte er ihr Lebewohl, nahm die Kleidung eines armen Pilgrims an, und wanderte in die Gegend nach der Schweiz zu. In einem Dorfe, genannt Deislingen, wurde er Kuhhirt, und weidete die ihm anvertraute Herde auf einem nahgelegenen Berge mit allem Fleiss. Wiewohl nun das Vieh unter seiner Hut gedieh und fett ward, so

Herrmann, Mythologie.

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verdross es die Bauern, dass er sich immer auf dem nämlichen Berge hielt, und sie setzten ihn vom Amte ab. Da ging er wieder heim nach Calw, und heischte das Almosen vor der Thüre seiner Gemahlin, die soeben ihre Hochzeit mit einem andern Manne feierte. Als ihm nun ein Stück Brot herausgebracht wurde, weigerte er es anzunehmen, es wäre denn, dass ihm auch der Gräfin Becher voll Wein dazu gespendet würde. Man brachte ihm den Becher, und indem er trank, liess er seinen güldenen Mahlring darein fallen, und kehrte stillschweigend nach dem vorigen Dorfe zurück. Die Leute waren seiner Rückkunft froh, weil sie ihr Vieh unterdessen einem schlechten Hirten hatten untergeben müssen, und setzten den Grafen neuerdings in seine Stelle ein. So hütete er bis zu seinem Lebensende.

Hierher gehören ferner die Sage vom edlen Möringer (D. S. Nr. 523), die schwäbische Sage aus dem 10. Jahrhundert von Udalrich und Wendilgart, die am auffallendsten an die Odyssee erinnert (D. S. Nr. 525), Karls des Grossen Heimkehr aus Ungerland (D. S. Nr. 439), und Heinrichs des Löwen Rückkehr aus dem gelobten Lande (D. S. Nr. 520). Je jünger die Volkssage ist, um so weniger weiss sie von dem ursprünglich tragischen Gehalt des Mythus; sie kennt zuletzt nur noch einen guten Ausgang. Der Graf von Calw weiss noch deutlich von einer fortwährenden Knechtschaft; die beiden folgenden Sagen haben eine Erinnerung an die Rückkehr aus dem Totenreiche bewahrt; sie erinnern an die Hüllerin' Kalypso, die grauen Männer', die Phäaken der griechischen, die Nebelkinder, die Nibelungen der deutschen Sage:

Hans von Bodmann kommt in ein fernes Land, das durch hohe Mauern von der übrigen Welt abgesondert ist, zu einem Nebelmännchen. Dieses schliesst mit dem Ritter einen Vertrag: er solle das Nebelläuten abstellen und die leidige Glocke in die Tiefe des Sees versenken, die allabendlich ihm bummelnd um den Kopf schlage, dafür wolle er den Ritter über Nacht durch einen dienstbaren Geist in die Heimat bringen lassen, wo gerade die Hochzeit seiner Frau

mit einem andern gerüstet werde. Der Herr von Bodmann willigt ein, kommt als Bettler zum Hochzeitsschmause und giebt sich durch den Ring zu erkennen.

Auch dem Grafen von Stadion erscheint ein Nebelmännchen, nachdem er sieben Jahre umhergeirrt ist, und führt ihn auf einer Nebelwolke in die Heimat; er kommt zur rechten Zeit an, vertreibt den neuen Freier und erweist sich durch einen Stahlring als den verschollenen Gatten.

4. Die Zwillingsgötter des Zwielichtes, der Himmelsgott und die Sonnengöttin,

Schon die Indogermanen verehrten ein göttliches Zwillingspaar, das mit den Lichterscheinungen des anbrechenden Tages zusammenhängt. Den mit der Sonnengöttin über den Himmel fahrenden Himmelskindern und Rosseherren der Inder (Asvin) entsprechen die rossberühmten Aids zovoor der Griechen und ihre Schwester Helena, sowie die lettischen ,Gottessöhne', die auf ihren grauen, braunen oder schwarzen Rossen geritten kommen, um die Sonnentochter zu freien. Der Mythus von den Thaten und dem ungleichen Schicksale der berittenen Söhne des höchsten Gottes, der Retter aus aller Not, lebt auch bei den Germanen fort und lässt sich aus der Heldensage erschliessen. Aber daneben haben die Germanen denselben Mythus selbständig weitergebildet, und das Geschick dieser Zwillingsgötter mit ihrem obersten Gott, Tius, und seiner Gemahlin, Frîja, eng verknüpft.

Der Hartungenmythus.

Den ostgermanischen Dioskurenmythus erwähnt bereits Tacitus (Germ. 43):,,Bei den Naharnarralen (südlich von Thorn und Bromberg) wird ein Hain uralter Götterverehrung gezeigt. Ein Priester mit weiblicher Haartracht steht dem Heiligtum vor, doch nennen die Berichterstatter als Götter, römisch aufgefasst, Custor und Pollux. Dies das Wesen der Gottheit, ihr Name Alkiz; obgleich es keine Bilder von ihnen giebt, verehrt man sie doch als Brüder, als Jünglinge."

Tacitus schildert hier den gemeinsamen Kult der vandilisch-gotischen Stämme, Pfleger und Hüter des Stammesheiligtums sind die Nahanarvali. Tacitus hebt einmal das rein Germanische dieses Kultes hervor, sodann, dass die Gesamtvorstellung, die er von diesen Göttern bekam, ihn an Castor und Pollux erinnerte: die beiden germ. Gottheiten sind auch Brüder und Jünglinge wie die griech. Dioskuren, aber es sind germ. Götter.

Zwischen der oberen Oder und Weichsel war der Wohnsitz der vandilischen Stämme gelegen. Mit den Marcomannen gegen Marc Aurel verbündet, treten sie zum ersten Male in der Geschichte auf (167). Sie zerfielen in zwei Stämme, Asdinger und Silinger; von den letzteren hat Schlesien seinen Namen. Ein Haufe jener Völkerschaften drang südwärts über die Karpaten vor und liess sich im nördlichen Ungarn nieder. Asdingi lautet der Name des vandilischen Königsgeschlechtes, und weil dieser Teil unter der Führung der Asdingi seine Wanderung unternahm, ging auf ihn der Name "Aσtıyyor über (Jord. 22. Dio 7112). Wie die Schwaben als Ziuwari den Kult des Tius in die neue Heimat mitnahmen, so verpflanzten auch jene eindringenden Scharen den Kultus der Ostgermanen an die obere Theis. Das Priestertum oder auch das spätere Königtum, das diesem Kult vorstand, leitete seinen Ursprung von dem göttlichen Brüderpaare ab und nannte sich in altgermanischer Weise nach ihm. Der Name der vandilischen Könige, der Asdinge, ist got. *Hazdiggôs und bedeutet Männer mit Frauenhaar ("hazds, an. haddr, ags. heord Haar einer Frau'). Den Hazdingen entsprechen die mhd. Hartungen, die an. Haddingjar; in ihnen leben die taciteischen Alcis fort. Der ältere der Hardinge (mhd. Hartunge) heisst in der Sage Hartnit, woraus Ortnit entstellt ist, sein jüngerer Bruder heisst Hartheri. Die Hartungensage hat den Mythus von den nahanarvalischen Brüdern aufbewahrt; die süddeutsche Sage setzt an Stelle des jüngeren Bruders Hartheri den Wolfdietrich. Aus einer Vergleichung der verschiedenen Sagen ergiebt sich folgende mythische Grundlage:

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