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Der ältere Hartung, Hartnit, der stärkste aller Helden, besitzt die beste aller Waffen und die kostbarste aller Rüstungen. Er erstreitet sich gegen das winterlich riesische Geschlecht der Isungen (Eismänner, vgl. Nibelungen, Nebelmänner) die schönste aller Frauen; die Geliebte steht ihm in dem Kampfe bei. Er zieht dann aus, mit seiner funkelnden Rüstung geschmückt, um einen Drachen zu erlegen, findet aber dabei seinen Tod. Der jüngere Hartung, Hartheri, rächt wie Pollux den älteren, der, wie Castor, den Mächten der Finsternis verfallen ist, tötet den Drachen, legt die goldglänzenden Waffen des Erschlagenen an, besteigt sein Ross und vermählt sich mit der Witwe des Bruders.

Der Hartungenmythus muss aus einer Naturerscheinung entstanden sein, die in gleicher Weise am Lichte wie am Dunkel teil hat, d. h. an dem Zwielichte, nicht dem Morgen- und Abendsterne. Das aus der entweichenden Nacht und dem. durchleuchtenden Himmel erzeugte Zwielicht überwindet die Finsternis am Morgen, vermählt sich bei Tagesanbruch mit der Morgenröte oder der goldenen Sonnenjungfrau, die er aber erst befreien muss, und erliegt am Abend den Dämonen der Dunkelheit. Aus der doppelten Naturerscheinung ent. sprang die Zwillingsnatur der göttlichen Jünglinge. Sie sind mit kostbaren Rüstungen geschmückt, dem leuchtenden Sonnengolde; sie reiten auf glänzenden Rossen, denn die Vorstellung der Sonne oder der Wolken in Rossesgestalt ist uralt; sie sind tapfere Krieger und Drachenkämpfer, denn ihre Aufgabe ist es, das nächtliche Dunkel zu vertreiben. Erliegt der eine Bruder am Abend dem Dunkel, so rächt ihn der jüngere am Morgen und führt selbst die Göttin heim.

Die alemannische, vielleicht ehemals bayrische Sage von den Brüdern Baltram und Sintram hat den deutschen Dioskurenmythus bewahrt (D. S. No. 219). Die Einfachheit dieser Erzählung zeugt für ihr hohes Alter; die Göttin ist aus ihr geschwunden; es handelt sich allein um den Kampf der beiden Brüder gegen den Drachen, um den Tod des einen, die Rache und Befreiung durch den anderen. In dieser Sage kann man auch den Übertritt des Göttermythus

in die Heldensage erkennen. Der eine der beiden Söhne des Tius führte im Mythus den Namen Balder, in der Sage erscheint er unter dem heroischen Namen Baltram. Wie im Hartungenmythus der jüngere Bruder zurücktritt, obwohl ihm die Rolle des Rächers zufällt, so bedeutet Sintram nur den Gefährten oder Nachfolger des Gottes. Als die jugendlichen, lichtspendenden, rossebändigenden, streitbaren Götterjünglinge treten Baltram und Sintram in der Sage auf:

Als die beiden Brüder zur Jagd auszogen, stiessen sie in wilder und wüster Waldung auf einen hohlen Berg. In der Höhlung lag ein ungeheurer Drache, der das Land weit umher verödete. In Sprüngen fuhr er auf Baltram und Sintram los und verschlang den einen Bruder lebendig. Der andere aber setzte sich kühn zur Wehr und bezwang nach heissem Kampfe das wilde Getier, in dessen gespaltenem Leibe sein Bruder noch ganz lebendig lag.

Auch das Märchen Die zwei Brüder hat Züge von der Natursymbolik des Dioskuren-Mythus erhalten (K. H. M. Nr. 60). An Stelle der reisigen Götterjünglinge stehen zwei wackere Jäger. Der jüngere Bruder tötet den Drachen, befreit die Königstochter und vermählt sich mit ihr. Er wird in einen Stein verwandelt; die Steine, die das Licht nicht durchlassen, sind eine Bezeichnung der Finsternis; seine Verzauberung in einen Stein entspricht dem Tode des Gottes im Drachenkampfe. Das im Berge versteckte Schwert, das der Jüngling hervorholt, erinnert an die gotische Sage von Attilas Schwert (s. u. Tius). Auch die Rache, die durch den anderen Bruder erfolgt, fehlt nicht; im übrigen klingt nach Märchenart der Schluss versöhnend aus.

Aus den Worten des Tacitus lässt sich nicht ersehen, welcher Kasus Aleis ist, ob Dativ. Plur. von Alci oder Alcae, Nom. Sing. oder Nom. Plur. Alces, got. alkeis erklärt man als die Leuchten. den, Glänzenden (ags. eolh-sand Bernstein) oder als Götter, denen der Hirsch heilig ist (ahd. elch, fem. elha, an. elgr, lat. alces, gr. aλzn): das goldene Geweih und die goldenen Klauen sollen der die Wolken und die Erde treffende Sonnenschein sein. Man vergleicht mit dem Merseburger Zauber

spruche, der von dem Unfalle erzählt, der Balders Ross begegnet ist, den schwäbischen Spruch:

Es ging ein Hirsch über eine Heide,

Er ging nach seiner grünen Weide,

Da verrückt er sein Bein

An einem Stein.

Da kam der Herr Jesus Christ

Und schmiert's mit Schmalz und Schmeer,

Dass es ging wie her.

Merkwürdig ist allerdings, dass wie Balders Fohlen auf dem Ritte nach dem Walde, so der Hirsch auf seinem Wege nach der grünen Weide seinen Fuss verrenkt; wie Wodan Balders Ross heilt, so thut es hier der Herr Jesus Christ. Am wahrscheinlichsten aber gehören die Alkîz zu aht be- [ulh schützen, ags. ealgian, got. ahls (geschützter Ort = Tempel), alhs lett. elks Abgott, gr. dhaînɛĩv, diný. Die Alkîz wären also die Schützer und würden den griech. avazes entsprechen.

Wie die Semnonen bei den Erminonen, so sind die Nahanarvali bei den vandilischen Völkern Mittelpunkt der Kultusgemeinschaft. Da ihr Name nur bei Tacitus vorkommt, wird er mit dem Kultus und der Mythologie zusammenhängen. Er ist vielleicht ein hieratischer Kultname, d. h. das Volk nannte sich nach der Gottheit, zu deren besonderem Dienst es von den andern Stämmen bestellt war. Die Nava-ner-vali werden als die erklärt, die sich die in der Schlacht zu tötenden Männer aussuchen (got. naus der Tote, ner Mann dvýg, waljan wählen). Seltsam ist, dass Tacitus an derselben Stelle (Germ. 43) ein (mythisches) Volk der Inanimi, ,der Entseelten' erwähnt. Oder man deutet die Nahanarvali als die, die genug Wundmale aufzuweisen haben, Kriegen von erprobter Tapferkeit (ahd. narwa Narbe, got. ganohs, ahd. ganôgi), ein Name, der für die heldenhaften Söhne des Tius wohl passen würde. Oder man erklärt sie als die Totenkämpfer oder die Manngewaltigen.

Der Harlungenmythus.

Auf eilendem Rosse, über Land und Meer, kommt der göttliche Vater Tius seinen Lieblingen zu Hilfe. Aber völlig verändert tritt uns die Gestalt des hohen Himmelsherrn im

Harlungenmythus entgegen. Indem Tius und seine Gemahlin, die Sonnengöttin Frija, mit den göttlichen Zwillingen in Verbindung gebracht werden, entsteht ein Mythus von erschütternder Tragik, der in seiner herben Strenge zu dem Schönsten gehört, das der deutsche Geist der Vorzeit hervorgebracht hat.

Die Harlunge der Heldensage Emrika (der Furchtbare oder Unermüdliche) und Fritila (der Zierliche, etwa ,Schönle') sind ein streitbares rüstiges Brüderpaar. Übermütig verschonen sie keinen Waldvogel und kein Wildtier auf ihren Wegen und lassen den Frauen am Hofe Ermenrichs, ihres Oheims, keine Ruhe. Zu Breisach im Breisgau steht ihre Burg, und weithin ist ihr Reichtum an Gold berühmt, der Schatz der Harlunge. Der getreue Eckehart ist den jungen Königen zum Vogt und Pfleger gegeben. Sibich aber, Ermenrichs Ratgeber, verleumdet die Brüder: sie stellten der Königin, Ermenrichs Gemahlin, nach. Schon längst war Ermenrichs Habgier durch den grossen Goldschatz der Harlunge geweckt. Er sammelt ein Heer, überfällt die Brüder, die trotz der Warnung ihres Pflegers ihm verwegen entgegen gehen, lässt sie ergreifen und hängen. Eckehart nimmt später an dem treulosen Ratgeber Sibich furchtbar Rache, fängt ihn auf der Flucht ein, führt ihn nackend quer über das Ross gebunden durch das Heer und hängt ihn auf.

Auch die Harlungensage ist ein altgermanischer Dioskurenmythus, der vom Himmelsgott und seinen Söhnen handelt. Ermenrich, germ. *Ermanarîkaz ist ein Beiname des uralten Gottes des lichten Tages, des Tius, und bedeutet den König über alle und alles, den König ohnegleichen (Irmintius). Seine Gemahlin ist die Sonnengöttin Frija. Die Harlunge sind die Söhne des Tius, die Repräsentanten des Zwielichtes. Dem Zwielicht folgt die Sonne, daher wird ein Liebesverhältnis zwischen den Brüdern und der Göttin angenommen. Auf glänzenden Rossen stürmen die reisigen Jünglinge heran, prangend im Goldschmucke, die Brust bedeckt mit breitem Geschmeide, dem kein anderes gleicht, vernichten die Dämonen der Finsternis, werben um die Hand der holden Göttin und führen sie als Gattin heim. Eher als die anderen Götter

erscheinen sie am weiten gewölbten Himmel, überholen diese im Wettlaufe und heben im Triumph die Göttin auf ihren goldenen Wagen. Eine tragische Wendung in der Liebesgeschichte des Himmels musste eintreten, sobald der Tagesgott selbst die holde Sonne zur Gattin begehrte. Wenn sich der Gott des Tages, um den Gipfel seiner Macht zu erreichen, mit der Sonne vermählen will, kann diese Verbindung nur durch das göttliche Zwillingspaar, das Zwielicht, erfolgen: sie bringen dem Irmintius die Sonne als Brautführer zu. Aber nicht immer walten die Werber treu ihres Amtes, waren sie doch selbst einst die Freier und Liebhaber der Sonnengöttin gewesen. Anstatt die dem Vater bestimmte Braut einzuholen, sind sie selbst in Liebe zu ihr entbrannt und suchen die Braut mit ihrer Einwilligung für sich zu behalten. Durch blitzendes Geschmeide, das ihre kunstreichen Hände angefertigt haben, gewinnen sie die Sonnengöttin. Die Sonne, die die reisigen Brüder heraufführen, wird als ein herrlicher Schmuck aufgefasst, als ein grosses, leuchtendes Halsband. Brisingamen, Halsband der Brisinge (der Zusammenflechter, der kunstreichen Verfertiger, mhd. brîsen einfassen; oder aisl. brísingr, Feuer) heisst der schimmernde Schmuck, den die Zwillingsgötter für die Sonnengöttin selbst hergestellt oder im Wettlauf errungen haben. Die Vorstellung ist altgermanisch, dass Frija im Besitze eines goldenen Halsschmuckes ist (S. 232, 234). Das Wort des Herrn,,Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben" (Mt. 7, 6) giebt der Dichter des Heliand so wieder: Vor die Säue sollt ihr nicht eure Perlen werfen oder schimmernden Schatz, heiligen Halsschmuck' (1724). Selbst das Beiwort heilig mag uralt sein, wie die Allitteration zeigt: es ist der unverletzliche, der Himmelskönigin als Göttereigen zukommende Schmuck. Mit diesem glänzenden Halsbande machen die Brisinge, die göttlichen Brüder, die dem Tagesgotte seine Braut zuführen sollen, die Göttin dem Himmelsherrn untreu. Dafür trifft sie der wilde Zorn des Vaters; mit dem Tode durch. den Strang, der alten entehrenden Strafe für Verräter und Überläufer (Germ. 12) rächt er den ihm angethanen Schimpf: wenn der helle Tag seine ersten Strahlen aussendet, tötet er das Zwielicht.

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