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sondern eine andere Erklärung, etwa die Wincklersche Formel der gemeinsamen altorientalischen Weltanschauung und der Einzelmotivwanderung, dafür bereit halten, so ist eben immer noch sehr die Frage, ob man in diesen Dingen überhaupt mit einem scharfen Entweder-Oder rechnen darf, ob bei einem so sehr komplizierten Tatbestande nicht vielmehr verschiedene Erklärungsprinzipien, wie Wanderung größerer Sagen-Komplexe, Wanderung von Einzelsagen und Einzelmotiven, volksmäßige oder literarische Entlehnung, Übereinstimmung auf Grund von gleicher altorientalischer Weltbetrachtung, Übereinstimmung auf Grund von gleicher allgemein menschlicher psychologischer Veranlagung usw., je in ihrer Weise und an ihrem Orte ihre Berechtigung nebeneinander behalten. So scheint mir auch in der Leben-JesuFrage in Wirklichkeit die Sache noch bedeutend komplizierter zu liegen, als Jensen anzunehmen geneigt ist. Zwar halte ich es auf Grund der von Jensen aufgedeckten Parallelen wenn man auch nur einen Teil derselben gelten lassen will für durchaus möglich und sogar für sehr wahrscheinlich, daß das Leben Jesu, wie es uns bei den Synoptikern und im Johannesevangelium erzählt wird, in einer ganzen Reihe von Punkten im letzten Grunde auf die babylonische Gilgamesch-Sage zurückgeht. Doch ist meines Erachtens, neben dieser einen auf die Heldensage zurückgehenden Wurzel, für die Erklärung der Christusgestalt mindestens ebenso von Bedeutung eine zweite Hauptwurzel, nämlich eine im engeren Sinne mythische Wurzel, eine zugrunde liegende wirkliche Göttergestalt. Man wird vielleicht einigermaßen richtig scheiden und verteilen, wenn man annimmt, daß in dem mehr menschlichen Teile der Leben-Jesu-Sage vielfach eine alte Heldensage nachklingt, die mehrfach sehr wohl im letzten Grunde auf die babylonische GilgameschSage zurückgehen mag, in dem göttlichen Charakter der Person Jesu, wie ihn namentlich auch die paulinische Christologie zeigt, dagegen eine frühere Göttergestalt nachwirkt, wobei, wie der persische Mithra, so auch der babylonische

Marduk und Tamûz in Betracht kommen können; wie ja übrigens auch Jensen selbst keineswegs ausschließlich die Gestalt des halbgöttlichen Helden Gilgamesch, sondern ebenso auch die Gestalt des Adapa-Xisuthros und seines göttlichen Ebenbildes Marduk, sowie die Gestalt des göttlichen Siegers im Löwenkampfe als Prototyp für Jesus heranzieht. Wenn ich nun in meinen folgenden Ausführungen fast ausschließlich diese letztere, mehr göttliche Seite der Christusgestalt berücksichtige, auf die etwaigen Nachklänge aus der Gilgamesch-Sage im Leben Jesu dagegen so gut wie kaum eingehe, so begreift sich das leicht dadurch, daß ich mich in dem ersteren Falle im Gange meiner eigenen früheren Forschungen und Aufstellungen bewege, in dem letzteren dagegen mich in der Hauptsache nur referierend auf Jensen hätte berufen können, der nach dieser Seite hin jedenfalls alles bereits beigebracht und gesagt hat, was dazu überhaupt beizubringen und zu sagen wäre.

Indem ich nun im folgenden, ähnlich wie bereits früher in,,Keilinschriften und Altes Testament", speziell für diese mehr göttliche Seite der Christusgestalt Parallelen und Analogien aus dem Babylonischen vorführe, möchte ich, wie schon damals, auch jetzt wiederum ausdrücklich zuvor betonen, daß es sich dabei keineswegs etwa durchgängig um eine Zurückführung der betreffenden Entsprechungen gerade auf eine babylonische Vorlage handeln soll, daß ich vielmehr im allgemeinen die Parallelen und Analogien einfach nur als solche gebe, nur in gewissen Fällen eine wirklich historische Kette, etwa durch die Mittelglieder der jüdischen Messiasvorstellung und der Gestalt des persischen Mithra oder andererseits durch syrisch-phönizische Adonis-TamûzKulte hindurch, zwischen babylonischen und christologischen Vorstellungen als wahrscheinlich annehme, in anderen Fällen es aber zunächst durchaus offen lasse, ob nicht die Parallelen vielmehr auf gleichartiger gemeinsamer altorientalischer, in alter babylonischer und ägyptischer Kultur begründeter Weltbetrachtung, oder wieder in anderen Fällen auch einfach

auf gleicher allgemein menschlicher psychologischer Veranlagung beruhen. Auch das mag noch für weniger wohlwollende und gerne mißdeutende Leser, wie gleichfalls früher schon, ausdrücklich hervorgehoben werden, daß auch nach meiner Meinung alles etwa aus der Fremde gekommene Material im Judentum und vollends im Urchristentum eine ganz eigenartige Färbung und Umbildung erfahren hat, entsprechend dem ganz verschiedenen und eine höhere Stufe der religiösen Entwicklung darstellenden religiösen Ideenund Interessenkreis, in den es hierbei Aufnahme gefunden hat.

Bei der Vorführung des babylonischen Materials habe ich im folgenden von einer genaueren Darbietung und Besprechung desjenigen umfänglicheren, insbesondere mythologischen und epischen Stoffes abgesehen, der anderwärts bereits wiederholt ausführlich und auch in leicht zugänglichen Publikationen vorgelegt ist, und mich darum hierfür im allgemeinen nur mit kurzen Hinweisungen und Literaturzitaten in den Anmerkungen begnügt. Dagegen habe ich solches absichtlich etwas ausführlicher behandelt, das anderwärts noch nicht, oder wenigstens nicht in einer für weitere Kreise leicht zugänglichen Form zur Darstellung gekommen ist.

Unheilszeit und Heilszeit

Die Vorstellung von einer besonderen Heilszeit, die durch das Erscheinen eines erwarteten Heilbringers eingeleitet wird, und von einer dieser Heilszeit vorausgehenden besonderen Unheilszeit bildet einen bekannten integrierenden Bestandteil der Messias- und Christusidee Alten und Neuen Testamentes. Bei Jesus kommt diese Vorstellung in zwiefacher Weise zum Ausdruck: einmal für sein Auftreten als ,,Heiland", als Bringer des ,,Evangeliums" während der Zeit seines Erdenlebens, wobei in den hierauf bezüglichen Aussagen insbesondere die Heilszeit als solche mehrfach

näher geschildert wird; und sodann für die Zeit seiner „Ankunft" (Parusie) am Ende der Tage, wobei die Ausmalung der vorausgehenden Unheilszeit einen besonders breiten Raum in den einschlägigen eschatologischen apokalyptischen Schilderungen einnimmt.

Es ist nun neuerdings von mehreren Seiten mit Recht geltend gemacht worden, daß diese Vorstellung der messianischen Heilszeit, mit vorausgehender Unheilszeit, keineswegs einen speziell innerjüdischen und urchristlichen Gedankenkomplex darstellt, daß vielmehr sowohl im Babylonischen, als auch im Ägyptischen sich bereits ganz Analoges findet, und daß wir daher hier, d. h. also in diesem Falle wohl in einer gemeinsamen altorientalischen, in Babylonien wie in Ägypten gleicherweise verankerten Betrachtungsweise, die Quelle zu suchen haben werden, auf die jene alttestamentlichen, spätjüdischen und urchristlichen Vorstellungen von einer Heils- und Unheilszeit im letzten Grunde zurückgehen.

Im Babylonischen begegnen wir dieser Idee von einer Unheils- und Heilszeit zunächst innerhalb der Mythologie, vor allem bei den Kämpfen und Plagen in der Urzeit mit einer darauffolgenden Friedens- und Segenszeit. So steht am Anfang der Welt der Kampf gegen Tiâmat und ihre Genossen, der vom Götterkönig (in älterer Gestalt des Mythus Ellil, in späterer Marduk) siegreich durchgeführt wird, woran sich dann unmittelbar die Welt- und Menschenschöpfung, der Beginn einer neuen Zeit des Heils, schließt3. So begründet auch in dem Mythus von der Bezwingung des ,,Löwen" (labbu) 4, der mit einer ,,Schlange" kombiniert erscheint, und den ich nach wie vor, trotz aller Differenzen im einzelnen, doch nur als eine Parallele zu jenem TiâmatKampf auffassen möchte 5, nach vorausgegangener Drangsalszeit der göttliche Bezwinger des Löwen eine Königsherrschaft, die jedenfalls dann auch als Heilszeit gegenüber der vorausgegangenen Unheilszeit zu denken ist.

Als eine Zeit fortgesetzter Plagen, die über die Menschen wegen ihrer immer neuen Versündigung verhängt

werden, erscheint die Unheilszeit in dem Mythus von Ea und Atrachasîs 6. Hier folgen wiederholt aufeinander Dürre, Mißwachs, Unfruchtbarkeit verbunden mit großer Hungersnot, was zum Zwist der Menschen in der engeren Familie führt und die Menschen zuletzt sogar zum Verzehren ihrer eigenen Kinder treibt. Eine andere damit wechselnde Plage ist die einer großen Fieberseuche, die die Menschen in großer Zahl dahinrafft. Als letzte und größte Plage in dieser Reihe ist wahrscheinlich die Sintflut? zu denken, die die gesamte Menschheit dahinrafft und nur den einzigen Atrachasîs, den gerechten Weisen, mit den Seinen verschont. Nach jenen Plagen lesen wir in dem genannten mythologischen Texte von einer Neuschöpfung von Menschen. Es handelt sich dabei anscheinend um die neue Heilszeit nach Ablauf jener Unheilszeit. Von einer großen Seuchenplage, die über die Menschen durch den Seuchengott Urra erging, nebst dem Rate, wie man sich vor solcher Seuche zu schützen vermöge, handelt ausführlich auch ein anderer mythologischer Text 8.

Wohl unter dem Gesichtspunkt dieses im Mythus vorliegenden Schemas von einer Unheils- und einer Heilszeit hat man nun in Babylonien auch die historische Zeit betrachtet: ein schlechter König gilt als typischer Bringer der Unheilszeit, ein guter König als solcher der Heilszeit. So lesen wir in einem Texte aus der Bibliothek Assurbanipals, der aber jedenfalls auf ältere Verhältnisse, etwa auf die Zeit um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends sich bezieht und von dem Unheil handelt, das ein schlechter König von Babylon über sein Land bringen würde:

Selbiger Fürst wird Elend erleben, nicht frohen Herzens sein, während seines Königtums werden Schlacht und Kampf nicht aufhören. Unter selbiger Regierung wird einer den anderen auffressen, werden die Leute ihre Kinder für Geld verkaufen, werden die Länder insgesamt in Unordnung geraten, wird der Mann vom Weibe lassen, auch wird das Weib vom Manne lassen, wird die Mutter vor der Tochter das Tor verriegeln, wird der Besitz Babels nach Subartu und Assur hineinkommen, wird der König von Babel dem Fürsten

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