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verstanden, die französischen Dichter in manchen Stücken zu sehr beschränkt hat, dass vieles in dem Gesetz von den drei Einheiten, besonders der Zeit und des Orts auf blosem Missverständniss beruht, und so wie es gefordert wird, gar nicht ausführbar, auch nie geleistet worden ist, und mit dem Wesen der Poesie im Widerstreit steht, der man niemals die physische Möglichkeit mit arithmetischer Strenge nachrechnen, sondern ihre Wahrscheinlichkeit, die keine geschichtliche, sondern eine poetische sein soll, nach dem Eindruck auf die Phantasie beurtheilen muss das alles ist seit Lessing schon so oft abgehandelt worden, dass es unnütz sein würde, einen so alten Streit noch einmal durch zu fechten. Nur eine historische Bemerkung erlaube ich mir noch hinzu zu setzen; der eigentlich beschränkende Geist unter jenen, welche damals viel Einfluss hatten, war Boileau. Wie schädlich er auf die französische Dichtkunst eingewirkt, lässt sich wohl aus der einzigen Thatsache schliesen, dass er nahe daran war, den Corneille eben so zu misshandeln, wię den Chapelain. Was den Mann am besten schildert, scheint mir die von ihm gegebene Vorschrift, dass man von zwei reimenden Versen den letzten, wo möglich, immer zuerst machen solle. Statt des wahren Urtheils und Kunstgefühls, galt ihm ein Spott, der bisweilen nicht der feinste ist, und statt der Poesie ein recht voll zuschlagender Reim. So kann ich denn nicht umhin dem Racine bei zu stimmen, wenn er von Boileau, der übrigens sein Freund war, an seinen Sohn schreibt: "Boileau sei ein recht biederer Mann, von der Poesie verstehe er herzlich wenig."

Ein anderes Hauptgesetz dieses Kunstrichters war jenes bekannte, von Horaz entlehnte, dass ein Geisteswerk, wenn es in gehöriger Reife an das Licht der Welt treten soll, gerade so vieler Jahre bedarf, als zu einer natürlichen Geburt Monate erfordert werden. Aber ungeachtet dieser Regel des anmaslichen Gesetzgebers, dürfen wir wohl bezweifeln, dass die Athalia von Racine, und der Cid von Corneille, nach meinem Gefühl die beiden herlichsten Dichterwerke der französischen Poesie, nicht so langsam herausgekünstelt, sondern schnell in Einer Begeisterung und wie in Einem Guss hervorgebracht wurden. Diese beiden Schöpfungen, die grösten vielleicht welche die französische Bühne besitzt, können am besten bezeichnen, welche Höhe dieselbe erreicht hat, und wo sie auf ihrem Wege in der Nachahmung des alten Trauerspiels stehen geblieben ist.

Wie wenig auch die neuern Erklärer des Aristoteles dieses wahrgenommen haben mögen, denn in ihm selbst ist es allerdings deutlich anerkannt, der lyrische Bestandtheil, und der Chor ist das Wesentlichste im Trauerspiel der Alten, wovon das ganze getragen und gehalten wird, so dass wer diese Form sich zum Ziele setzt, nothwendig vorzüglich darauf sein Auge richten muss. Der Cid des Corneille geht überall in das Lyrische über, und dieser Schwung der Begeisterung giebt ihm jene hinreissende Kraft, gegen welche Neid und Kritik nichts vermochten. Den Chor der Alten aber hat Racine in seiner Athalia, obwohl mit Änderung und selbständiger Aneignung, aber wie mir es scheint, für diesen Zweck sehr glücklich, und mit

hoher Poesie wieder eingeführt. Wäre das französische Trauerspiel auf diesem Wege, welchen die beiden ersten Dichter in den Werken ihrer höchsten Begeisterung bezeichnet, weiter fortgegangen, so würde es dem der Alten viel ähnlicher an Schwungkraft und Hoheit geworden sein; viele der engen Fesseln, welche aus blos prosaischem Missverstand hervorgegangen waren, würden von selbst weggefallen sein und freier würde es sich in einer freilich dann ganz anders gestalteten Form, bewegt haben.

Da es aber im Allgemeinen herschender dramatischer Gebrauch wurde, den lyrischen Bestandtheil aus der Anlage des alten Trauerspiels weg zu lassen, so entstand daraus ein groses Missverhältniss; besonders bei solchen mythologischen Gegenständen, die auch bei den Alten behandelt worden waren und wie sie ungefähr ein Trauerspiel ausgefüllt hatten. Fiel der lyrische Bestandtheil weg, so war nun die Handlung nicht reichhaltig genug; da ergriff man dann jene Mittel, um den leeren Raum aus zu füllen, die auch schon bei den Alten zur Zeit des Verfalls der tragischen Dichtkunst zu gleichem Zwecke gedient hatten. Man machte die Handlung verwickelter durch hineingelegte Intriguen, welche der Würde und dem Wesen des Trauerspiels ganz zuwider sind, oder man setzte alles in die Rhetorik der Leidenschaften, wozu in jedem tragischen Stoff leicht die mannigfaltigste Veranlassung sich findet. Dies ist nun eigentlich die glänzende Seite des französischen Trauerspiels, darin hat es eine hohe und fast unvergleichliche Stärke und dadurch entspricht es so ganz dem Charakter und dem Geist

der Nation, bei welcher die Rhetorik in allen Verhältnissen einen herschenden Einfluss behauptet hat, und auch noch behauptet, und welche selbst im Privatleben zu einer solchen Rhetorik der Leidenschaften sich hinneigt. Es ist diese allerdings auch in einem gewissen Mase ein nothwendiges und unentbehrliches Element der dramatischen Darstellung. So ausschliesend herschend aber, wie im französischen Trauerspiele, darf dieses einzelne Element nicht sein; zweckwidrig wenigstens wäre es, was sich blos auf die französische National-Eigenthümlichkeit gründet, als Regel auch für andre Nationen aufstellen zu wollen, die vielleicht mehr Sinn für die Poesie, als angebornes Talent zur Rhetorik haben.

Die Vorliebe für diesen rhetorischen Theil des Trauerspiels ist bei den Franzosen so gros, dass ihre Bewunderung und Beurtheilung ebendaher weit mehr auf einzelne Stellen gerichtet ist, als auf das Ganze. Sehen wir aber auf dieses, und sehen wir auf die Stücke, die eine wahrhafte und poetische Auflösung haben, so werden wir finden, dass auch in dieser Hinsicht das französische Trauerspiel sich mehr an das Alterthum anschliest, und meistens mit einem vollkommenen Untergang endet, ohne alle Milderung oder mit einer noch halbschmerzlichen Versöhnung; seltner aber, wie doch der christliche Dichter vorzüglich dahin streben sollte, auf den Kampf, wie in der Athalia des Racine, Sieg folgen, oder aus Tod und Leiden ein neues Leben in höherer Verklärung hervorgehen lässt, wie in der Alzire von. Voltaire, meinem Gefühle nach, seinem Meisterwerk, worin er als wahrer Dichter und seiner beiden Vorgänger ganz würdig erscheint.`

WACKENRODER.

W. G. WACKENRODER geb. zu Berlin 1772, gest. 1798. Seine "Phantasien über die Kunst," welche zuerst 1798 erschienen, wurden von Tieck neu herausgegeben 1814.

FRANCESCO FRANCIA.

(Phantasien, 2.)

So wie die Epoche des Wiederauflebens der Wissenschaften und der Gelehrsamkeit die vielumfassendsten, als Menschen merkwürdigsten, und am Geiste kräftigsten gelehrten Männer hervorbrachte; so ward auch die Periode, da die Kunst der Mahlerei aus ihrer lange ruhenden Asche, wie ein Phönix, hervorging, durch die erhabensten und edelsten Männer in der Kunst bezeichnet. Sie ist als das wahre Heldenalter der Kunst an zu sehn, und man möchte (wie Ossian) seufzen, dass die Kraft und Gröse dieser Heldenzeit nun von der Erde entflohen ist. Viele standen an vielen Orten auf, und erhoben sich ganz durch eigene Stärke; ihr Leben und ihre Arbeiten hatten Gewicht, und waren der Mühe werth, in ausführlichen Chroniken, wie wir sie noch von den Händen damaliger Verehrer der Kunst besitzen, der Nachwelt aufbewahrt zu werden; und ihr Geist war so ehrwürdig, als es uns noch ihre bärtigen Häupter sind, die wir in den schätzbaren Sammlungen ihrer Bildnisse mit Ehrfurcht betrachten. Es geschahen unter ihnen ungewöhnliche, und vielen jetzt unglaubliche Dinge, weil der Enthusiasmus, der itzt nur in wenigen

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