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wachsen konnte, so bleibt dennoch sehr viel von dem Wesen eines Trauerspiels, ja man kann sich verwundern, warum Goethe sein Stück als Schauspiel einführte. Sehr wahrscheinlich that er dies nur im Gefühl, daß dem Werk manches fehle um Tragödie zu sein, und in der Absicht, diesen Maaßstab fernzuhalten, woran er auch sehr weise that. Er wollte damit nicht viel anderes sagen als Drama, denn ein Schauspiel ist das Stück ebenso wenig, dazu fehlt ihm der befriedigende Ausgang. Es endet mit dem Tod des Helden, und überdies stirbt Adelheid, das dämonische Prinzip; der Held unterliegt unter den rührendsten Umständen, aber nicht ohne Erhebung, nicht ohne die Aussicht auf eine bessere Zukunft für Deutschland, alles Momente einer wahren Tragödie, Momente, die das Werk sogar vor manchem voraus hat, das sich Tragödie nennen darf. Das Tragische geht sogar noch weiter: wir haben nicht nur den Untergang unseres besonderen Helden, des Nitters mit der eisernen Hand, sondern des Ritterthums im Allgemeinen, ja eines ganzen Zeitalters, des Mittelalters, dessen Kraft und Werth hier allerdings zur Anschauung kommt; wir haben nicht sowohl den Conflict der Personen, als vielmehr der Zeitalter. Und was steht denn der Tragödie entgegen? Eben die allzu große Ausführlichkeit des Zeitbildes, die beinahe idyllische Ausbreitung der einzelnen Scenen, die allzu große Buntheit der aufund abtretenden, nicht durchgehenden Figuren, der oft launenhaft beschleunigte und abgerissene Wechsel der Bilder, der Mangel an Knappheit und Einschränkung allerorten, dann aber auch der Mangel an durchgängiger Consequenz des Fortschrittes; es fehlt vor allem die Steigerung der Leidenschaft und die Concen= tration der Handlung. So bleiben denn, bei tragischer Stimmung: wundervolle Lebensbilder, dargestellt mit illusorischer Kraft, die aber mehr eben dahin fließen, vereint zu einem großartigen Zeitbilde, überdies ein Werk von unvergänglicher Frische, das glänzend bestehen wird neben Allem, was in Jahrhunderten etwa noch kommen mag.

Gegeben wurde das Stück in der Gestalt wie es zuerst er

schienen und kurz nach seinem Erscheinen in Berlin, hier und zugleich in Deutschland zum ersten Mal am 12. April 1774, in dem Döbbelinschen Theater in der Behrenstraße. Am 24. October desselben Jahres folgte Schröder in Hamburg nach, später Braunschweig und andere Städte. Leider fehlt die Nachricht, ob man das Werk unverändert gegeben, was aber kaum möglich sein dürfte; doch deutet der Anfang präcis um fünf Uhr" wohl auf besondere Länge der Vorstellung. Daß man sich des Stückes als einer unge= wöhnlichen Erscheinung wohl bewußt war, zeigt die Ankündigung. Sie ist merkwürdig genug, um hier mitgetheilt zu werden. Heute wird die von Sr. Majestät von Preußen allergnädigst privilegirte Kochsche Gesellschaft berühmter Schauspieler aufführen: Göß von Berlichingen mit der eisernen Hand, ein ganz neues Schauspiel in fünf Acten, welches nach einer ganz besonderen und ganz ungewöhnlichen Einrichtung von einem gelehrten und scharfsinnigen Verfasser mit Fleiß verfertigt worden. Es soll, wie man sagt, nach Shakespeareschem Geschmack abgefaßt sein. Man hätte vielleicht Bedenken getragen, solches auf die Schaubühne zu bringen, aber man hat dem Verlangen vieler Freunde nachgegeben und so viel als Zeit und Plaß erlauben wollen, Anstalt gemacht, es aufzuführen. Auch hat man, sich dem geehrtesten Publicum gefällig zu machen, alle erforderliche Kosten auf die nöthigen Decorationen und neue Kleider *) gewandt, die in der damaligen Zeit üblich waren. In diesem Stück kommt auch ein Stück von Zigeunern vor. Die Einrichtung dieses Stückes ist am Eingange auf einem à parteBlatte für 1 Gr. zu haben“**).

Goethes Schauspiel machte bei seinem Erscheinen einen unge wöhnlichen Eindruck, besonders auf das jüngere Geschlecht; der Boden war auch durch Lessing und Herder für eine solche Saat genugsam vorbereitet. Während von den Aelteren der Verstoß gegen

*) Hierauf bezieht sich Lessings obige Aeußerung.

**) S. Goethe in Berlin, Berlin 1849, bei A. Dunder.

die herkömmliche Form übel vermerkt wurde, wirkte er hier nur anziehend und das frische Lebensblut, das in sämmtlichen Figuren pulsirt, mußte Anklang finden überall, wo Verbildung nicht hingedrungen war. Aber auch der Gegenstand an sich fand Sympathien in einer Zeit, wo es an Elementen politischer Unzufriedenheit oder doch Unbehaglichkeit nicht mehr fehlte. Hatte man schon Lessings Emilia um so begieriger aufgefaßt, als darin das Verderbniß der Höfe in schonungslosen Farben dargestellt worden, so fand hier ein Aehnliches statt, die Schilderung von dem Zerwürfniß des Reiches, dem rechtslosen Zustande, der Ueppigkeit der Geistlichen gewann dem kühnen Ritter, der nach Selbsthülfe griff, Sympathieen, welche über die Kunst hinausgingen, und kurz, es meldet sich hier schon, was ein Jahrzehnt später in verstärktem Maaß bei Schillers Räubern eintrat. Nicht minder groß war der Eindruck auf literarische Kreise, alles was sich zu poetischem Schaffen berufen fühlte, sah hier eine neue Bahn geöffnet, und die Leichtigkeit, mit welcher Goethe sein Werk hingestellt, konnte nur täuschend wirken. In der That wurde Göz von Berlichingen der Ausgangspunkt einer längeren Reihe von Theaterstücken und Romanen, ja einer ganzen Periode, welche nach einem Stück von Klinger „Sturm und Drang“ den Namen erhalten hat. Was bei Goethe eine verzeihliche Ausnahme gewesen war, wurde jezt zur Regel, die Formlosigkeit, welche dort der gegen alle Ordnung ankämpfende Held selbst zu bedingen und zu rechtfertigen schien, wurde nunmehr als allgemeines Geseß, als eine große Errungenschaft angesehen. Wahrheit und Wirklichkeit wurde die Losung, aber man erklärte bald allen Regeln des Geschmacks den Krieg und ging zur völligen Willkühr über. Unter denjenigen, welche sich mittelalterlichen Stoffen zuwendeten, zeichnet sich weiterhin Babo mit seinem Otto von Wittelsbach aus, doch hat er mit Goethe nicht viel mehr gemein als ein ge= wisses Costum. In weiterer Entfernung schlossen sich die Nitterromane an, groß der Zahl nach, an Werth nur mittelmäßig. Eine der Hauptwirkungen erfolgte spät und auf das Ausland: Walter Scott begann seine ruhmreiche Laufbahn mit einer Uebersehung des

Gög und es ist zugestanden, daß hieran seine Productionskraft sich entzündet. Was Shakespeare für Goethe gewesen war, gab dieser also reichlich den Britten zurück, und Walter Scott wieder hat auch viel angeregt in Deutschland.

So offenbar der Durchbruch ist, eine Bahn war hier dem deutschen Schauspiel noch nicht geöffnet, nicht einmal für Goethe selbst. Ein Buchhändler, wie schon erwähnt, verlangte gleich ein Dußend solcher Stücke und wollte sie honoriren, aber weder diese Aussicht auf Gewinn noch der dem Dichter reichlich zu Theil ge= wordene Ruhm konnte ihn bewegen hier fortzugehen; das hatte nun eben seine inneren Schwierigkeiten, und Goethe war Genius genug um sich nicht verleiten zu lassen.

VI.

Clavigo. Singspiele.

Dem Göz folgte in einigem Abstande Clavigo. Das Stück wurde wahrscheinlich im Mai 1774 verfaßt, in wenigen Tagen; wie wir darüber unterrichtet sind, dankt es sein Dasein einer Aufforderung, und es war eine Art von Wette, wenn Goethe, im Bewußtsein seiner Kraft, in so kurzer Zeit das Trauerspiel zu Stande brachte. Man hatte (s. o.) die Memoiren des Beaumarchais gelesen und es wurde bemerkt, daß der Stoff sich zum Drama eigne, was allerdings um so näher lag, als schon hier ganze Partieen dialogisch auftreten. Goethe benußte dieselben, ja überseßte nur die schon fertig daliegenden Hauptscenen und so könnte denn das Ganze mehr eine Redaction als eine wirkliche Production scheinen. Allein das war Goethe einmal unmöglich, jedem Stoff, den er in die Hand nahm, mußte er von dem Seinigen, ja von seinem Erlebniß mittheilen. In den Clavigo trug er manches von sich selbst hinein, die Situation war aber von der Art, daß er sich innerlichst berührt finden mußte, in wunderbarer Weise kam der Stoff seinen eigenen Erlebnissen entgegen: befand er sich doch eben auch auf dem Punkt, ein gefeierter Autor zu werden, den ein übereilt geschlossenes Band in seiner Ruhmeslaufbahn aufzuhalten drohte. Hier lag viel Aehnliches mit seinem Verhältniß zu Friederike, dessen Schmerz noch immer nicht ganz verwunden war, in Carlos und dessen Sprache aber hat man nicht mit Unrecht Merd erkannt, denn in gleicher Weise mochte dieser damals zu Goethe

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