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nicht viel anders als die Ritter und Knappen im Göß. Epimetheus z. B. sagt: „Mein Bruder, alles was Recht ist!“ Die Nede wird jezt als Vers abgesezt, könnte aber ebenso gut Prosa sein. Auch später noch gedachte Goethe sowohl einen gefesselten als befreiten Prometheus zu schreiben. zu schreiben. Von jenem war ein Monolog und ein Chor der Nereiden fertig, dessen er in Briefen an Schiller (Nr. 290, 321 a.) gedenkt. Diesem Prometheus, dessen Grundgedanke die gegenwärtige Periode des Dichters kennzeichnet, stellte er in der nächsten, ebenso kennzeichnend, die milde Iphigenie gegenüber; zwischen beiden steht Proserpina.

VII.

Werther.

Es bleibt in Goethes erster Periode noch sein berühmter Roman zu betrachten: die Leiden des jungen Werther. Auf des Dichters Romane ausführlicher einzugehen liegt zwar außerhalb unserer nächsten Aufgabe, sie bilden jedoch einen so wesentlichen Theil der Goethe'schen Leistung und werfen so viel Licht auf das Ganze derselben, daß sie hier nicht außer Acht fallen dürfen.

Goethe war bisher kein Schriftsteller von Beruf, gewiß nicht in dem Sinne, wie Klopstock, Wieland und Lessing es waren: seine Lebensaufgabe schien immer noch eine ganz andere werden zu wollen. Obgleich über den Dilettantismus weit hinweg, obgleich die Theater sich schon seines Göz bemächtigt hatten, so fiel es ihm doch nicht ein nach einem zweiten gleich dankbaren Stoff zu suchen, es ist das Eigenthümliche seines Wesens und seiner Lage, daß er überhaupt den Stoff nicht suchte. Er dichtete nicht um zu dichten, es mußte der Stoff ihm kommen, es mußte etwas an ihn herantreten was ihn ergriff, denn nur ergriffen konnte er schreiben. So lag es denn im Schooß der Zukunft was sein nächstes Werk sein werde, weder er selbst noch ein Anderer konnte dies irgend bestimmen.

Da ereignete sich die merkwürdige Katastrophe des jungen talentvollen Jerusalem, der als Sohn eines so ausgezeichneten und

hochgestellten Vaters um so mehr die Augen auf sich zog und Goethe befand sich an dem Drt, wo die That geschah, er erlebte zum Ueberfluß hier nahebei ein Aehnliches. *)

Unser Dichter war von Hause aus ein Schüler der Natur und handelte nach dem Losungsworte der Zeit, dem Stolberg einen Ausdruck gab in dem emphatischen Liede: Süße heilige Natur --. Wie er nach der Natur zeichnete, so dichtete er auch nach ihr. Die Gelegenheit, wie es in der späteren Elegie heißt, war von früh ab seine Göttin, er mußte gesehen, erlebt, empfunden haben, was sich ihm als Gedicht gestalten sollte. Seinen Liedern liegt Wirkliches zum Grunde, zum öftern so wenig verhüllt, daß die Veröffent= lichung versagt war, aber auch in seinen Dramen brachte er überall Portraitgestalten an, und seine Umgebung mehr als sich selbst, fast jeden seiner Freunde und Verwandten kann man mehr oder weniger in irgend einer dramatis persona nachweisen. Lerse im Göz nannte er mit Namen, in Elisabeth zeichnete er seine Mutter, in Maria hat man Friederike wiedererkannt, und auch zu Weislingen und

*) Karl Wilhelm Jerusalem war der Sohn des auch als Schriftsteller geschätzten protestantischen Abts Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem zu Brannschweig; er war Secretär des Herrn von Höfler, Herzoglich BraunschweigischLüneburgischen Subdelegatus zur Visitation des Kaiserlichen und Reichskammergerichts zu Wetzlar. Der junge Jerusalem hatte sich selbst schon durch Schriften bekannt gemacht, „Philosophische Aufsätze, 1776 zu Braunschweig von Leffing herausgegeben, darin: 1) daß die Sprache dem ersten Wienschen durch Wunder nicht mitgetheilt sein kann. 2) Ueber die Natur und den Ursprung der allge. meinen und abstracten Begriffe. 3) Ueber die Freiheit 4) Ueber die Mendelssohn‍sche Theorie vom sinnlichen Vergnügen. 5) Ueber die vermischten Empfindungen. Zu Wetzlar faßte Jerusalem eine heftige Leidenschaft zu einer jungen Fran, einer Frau Heerdt, ob sie aber mit Vornamen Charlotte geheißer, ist fraglich; Goethe wählte den Namen der von ihm geliebten Charlotte Buff, damals an Kestner verlobt, erst nach Goethes Flucht mit demselben verheirathet am Palmsonntag 1773. Es steht übrigens jezt fest, daß Jerusalems Tod nicht allein in der unglücklichen Liebe, sondern zugleich in einer Ehrenkränkung von Seiten des Prästdenten seinen Grund hatte, indem dieser ihn nöthigte vom Spieltisch aufzustehen, da „Gesellschaft komme“, Assessoren und Referendare nämlich, die nur aus Adeligen bestanden. S. Kestuers Briefe an Goethe, und A. Stöber: Der Aktuar Salzmann.

Adelheid mögen die Urbilder nicht gefehlt haben. Wie nun, wenn sich vor den Augen eines solchen Dichters ein fertiger Roman gestaltete, eine Begebenheit, die ihn auf das Innerste ergriff! Seiner Darstellung werden hier nicht nur die brennendsten Farben geliehen sein, er wird vielmehr derselben das unmittelbarste, sprühendste Leben einhauchen. Hier liegt der Schlüssel zu dem Noman Werther, einem Roman, dem noch kein zweiter an Wirkung gleich: gekommen ist.

Es bleibt nur hinzuzufügen, daß nicht bloß Werther, sondern die ganze Zeit in ähnlicher Weise gestimmt oder erkrankt war. Wenn damals schon die Freundschaft eine eigenthümlich sentimentale Beimischung erhielt, so gilt das von der Liebe noch in ungleich höherem Maaß, Klopstocks Lieder von der ausschließlichen und ewigen Bestimmung der Geliebten für einander, seine Anrufe an die künftige Geliebte schwammen schon in diesem Strom und steigerten mächtig die Schwärmerei bis zur Krankheit. Unglückliche Liebe hat zu aller Zeit im Einzelnen den Tod gebracht, wie viel mehr denn in dieser! Nichts schien natürlicher als ein Zerreißen des Lebensfadens, der Selbstmord verlor in diesem Fall sein Schreckniß, sein Verwerfliches. Um so größer war damals die Theilnahme an dem ersten Fall, der sich unter so besonderen Umständen er= eignete und eine Darstellung konnte hier darauf rechnen das größte Glück zu machen. Aber, wenn das Leben durch hoffnungslose Liebe so ganz entwerthet schien, lag hier nicht wieder ein großes Hinderniß für die Darstellung, für den Erfolg des Romans? Sicherlich, und eben darum mußte hier ein Goethe kommen, eben darum konnte nur in seiner Hand der treffende Pfeil vom Bogen entsandt werden. Es kam nicht bloß darauf an, das kranke Gemüt in allen seinen Leiden in einer tiefgeschöpften Pathologie des Herzens zu entfalten, nicht bloß darauf an, den Todeskeim in dem erkrankten Herzen zu zeigen und ihn von Stufe zu Stufe der Katastrophe entgegenzuführen; sondern die höhere Aufgabe war zugleich die, dies Herz reich, frisch, tieflebendig darzustellen, es mit tausend Fäden an das Leben fest zu klammern, es tief wurzeln zu lassen

im Boden des Lebens, um den Krach des gewaltsamen Los reißens desto erschütternder werden zu lassen. Hier war die Fülle einer genialen Kraft erforderlich, nur aus der eigenen unendlichen Liebe zum Leben, nur aus der Stärke der eigenen Lebenskraft und Lebenslust konnte hier die wahre und erschöpfende Darstellung er= wachsen. Wenn aber jemals einem Künstler die Mittel und Farben für ein ergreifendes Gemälde zu Gebote gestanden haben, so war dies der Fall bei Goethe in seinem Werther. Selbst jung, selbst verliebt, selbst tief und schmerzlich getroffen, war er doch zugleich ein Künstler, der bereits einen Göz geschaffen, und er war hier in dem Roman noch bei weitem mehr auf seinem Felde, in seinem Beruf. Seine Art, nach der Natur zu zeichnen, lebende Personen Modell sizen zu lassen, fand hier eine vorzügliche Anwendung. Die Verhältnisse, in denen Goethe zu Wezlar lebte, waren denen des Helden so nahe verwandt, daß das Eine für das Andere eintreten fonnte. Aber wenn er hier nach dem Leben schilderte, mit welcher Auffassung, mit welchem Geist hat er es gethan, wieviel Leben, Seele, Genius gab er von seinem Eigensten hinzu! Es giebt wohl keinen Roman, dessen Bilder mit so unauslöschlichen Farben sich an die Phantasie wenden und hier in stets neuer Gestalt verbleiben, so daß die bildende Kunst im Grunde ein Ueberflüssiges thut mit den vielfach unternommenen Jllustrationen, ja man darf sagen, daß in Betracht illusorischer Darstellung hier noch eine höhere Stufe erreicht sei als im Gög. Und so ist denn auch die Gesammtwirkung nur noch eine mächtigere, es ist hier mehr Einheit, mehr Fluß, mehr zwingender Zusammenhang, statt der dort oft hervortretenden Zersplitterung der Scenen, und dabei ist doch eben so viel Abwechslung nicht nur des Inhaltes, sondern auch der Form, bald Briefe, bald erzählende Darstellung, dazwischen Gelesenes, Notirtes. Natur und Leben wirkt überall im Einklange, in tiefer Harmonie, die Schilderung der Natur ist gleich hinreißend, ja überwältigend, wie die des Lebens, und, wo Betrachtungen auftreten, zeigt sich vollends ein warm fließender Strom der Beredtsamkeit, dessen gleichen man in deutscher Sprache nicht

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