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Wirksamkeit, die aber nicht mehr, wie früher, von einer gleich festen Körperkraft unterstüßt wurde. Kränklichkeit bemächtigte sich seiner und verließ ihn nicht mehr ganz. Seine zunächst erscheinenden Werke stehen demgemäß auch den früheren an Bedeutung nach: wir nennen die „Terpsichore“ und die in zehn Heften erschienenen „Briefe zur Förderung der Humanität“, kleinere leicht hingeschriebene Auffäße enthaltend und Uebersetzungen. Am wichtigsten sind aus dieser Zeit die Schriften über, oder vielmehr gegen Kantische Philosophie, welche vielleicht noch nicht hinreichend gewürdigt sind, erklärlich durch die auf dem Gebiet der Philosophie herrschend ge= wordenen Parteiansichten und Leidenschaften, und sie zogen Herder zunächst viele Feinde zu.

Ueberhaupt ist, was sich hier nicht übergehen läßt, Herders lezte Lebenszeit eine vielfach verdunkelte. In Weimar, dem da= maligen Mittelpunkt geistigen Lebens in Deutschlands, und ganz besonders angewiesen auf den Verkehr mit den dort versammelten Geistern, hatte er sich der Reihe nach mit ihnen verfeindet und lebte in völliger Abgeschlossenheit. Er verstand zuleßt seine Zeit nicht mehr, pries die Vergangenheit auf Kosten der Gegenwart, ja sein krankhaft erregtes Gemüt blieb hier der Leidenschaft nicht verschlossen. Machte er in Ergüssen seiner Feder dem Unmut und Verdruß in rücksichtslosester Weise Luft, besonders in seiner Zeitschrift Adrastea, so vergab er im Aerger seinem schriftstellerischen Ruf nicht wenig und hatte nachher die um so größere Kränkung zu erleben, daß Verdienst und Ruhm der von ihm Verneinten nur um so höher stieg, und sich je mehr und mehr im deutschen Volk befestigte. Ist dies an sich tragisch, so wird es das besonders noch dadurch, daß offenbar körperliche Verstimmungen drückend auf den Geist wirkten, daß aber diese körperlichen Leiden großentheils nur die Folge übermäßiger Anspannung des Geistes, also dessen waren, was er dem deutschen Vaterlande geleistet. Der einzige welcher in den lezten Lebensjahren dem verdüsterten Herder treu blieb und Balsam in sein wundes Herz träufelte, war der junge

Jean Paul; er hat nie aufgehört, Herder mit einer Art von Cultus zu verehren - er dankt ihm freilich auch viel.

Von äußeren Ehren ist im Jahr 1797 die Erhebung zum Präsidenten des Oberconsistoriums zu gedenken einer Stellung, die bisher keinem Bürgerlichen zu Theil geworden und dann die Erhebung in den Adelstand durch den Kurfürsten von Bayern. Er ward dieser Auszeichnungen wenig froh, denn seine Gesundheit wich jest mit schnellen Schritten, dazu kam der Umsturz mit einem Wagen und eine erfolglose Brunnenkur zu Eger. Herder starb bald nach seiner Rückkunft zu Weimar am 18. Dezember 1803, in dem Alter von nur 59 Jahren.

III.

Johann Gottfried Herder.
(Schriften.)

Herder ist noch weniger ein selbstständiger Dichter als Lessing, allein er besaß ein hohes Maaß von Empfänglichkeit für Poesie, die er in ihrer ganzen Hoheit und mit innerster Seele zu fassen wußte, und er besaß in vorzüglichem Grade die Gabe, seine Be= geisterung auf Andere zu übertragen, rund umher zu erwecken, zu befruchten. Allem Anschein nach zündete sein Geist sich zunächst an dem Enthusiasmus Winkelmanns für alte Kunst an, verallge= meinerte diesen aber, und dehnte ihn auf alte Poesie aus, insbe= sondere griechische und hebräische, dann vornehmlich auf die poetischen Naturlaute der Völker. Ossian und die schottischen und altenglischen Balladen wurden in seiner Jugend zuerst bekannt, mit wahrem Feuereifer faßte er dieselben auf und verfolgte nun die Stimmen der Völker nach allen Richtungen. Es ist in seiner ganzen Natur etwas Warmblütiges, das stark absticht gegen die kühle Kunst nach französischem Muster; daß nun eine solche wärmere Gestalt gerade vom Norden kommen mußte, kann auffallen, allein Herder hatte nicht den langen abschwächenden Weg durch die Schule gemacht, er war selbst großentheils ein Kind der Natur und brachte als solches Organe für Naturlaute mit, und für alles was außer der Schule und im Freien gewachsen war, alle wildwachsenen Blumen der Poesie schienen seinem Wesen verwandt und gleichartig. Nun lag aber auch vieles in der Zeit; Herder ist ein Zeitgenoß Rousseaus und

war, ohne von diesem gerade abhängig zu sein, in seiner Art ein Aehnliches, Besseres, ein Vernünftigeres. Es war überdies die Zeit, wo eine strenge und bereits abgenußte Regel zusammenbrach man befand sich am Vorabend einer großen und allgemeinen Revolution, die elektrischen Strömungen waren schon vorhanden und feinfühlende Naturen wurden zuerst davon berührt. Hierauf beruht die Richtung, welche Herders Bestrebungen nahmen, andererseits aber auch die Wirkung, welche sie machten. Herder war ein lauter und reiner Mund um für Deutschland Gedanken auszusprechen, welche damals in der Luft lagen.

Wenn Herders Bedeutung in der Anregung und Vermittlung besteht, dann werden wir uns hier zunächst seinen prosaischen Schriften zuzuwenden haben, in denen Kritisches, Aesthetisches, überhaupt Literarisches enthalten ist. Wir dürfen den Werth dieser Echriften aber durchaus nicht nach dem Eindruck messen, den sie heutigestages auf uns machen, denn er war auf ihre Zeit ein ganz anderer. Als der treffliche Heyne im Jahr 1805, also nach Herders Tode, eine zweite Ausgabe der Fragmente zur deutschen Literatur besorgte, überhäufte er sie mit dem größten und vielseitigsten Lobe, von dem jest nur noch ein bescheidener Theil uns einleuchtem will. Und doch ist Heyne, obwohl ein Freund Herders und obwohl es hier allerdings einer Empfehlung galt, doch in allen Dingen ein besonnener Mann und schrieb gewiß nichts gegen seine Einsicht und Ueberzeugung. Die Zeiten eben sind es, die sich geändert haben, es ist der Fortschritt der allgemeinen Bildung. Schon Goethe in späteren Jahren, man sehe seine Gespräche mit Eckermann, fand sich veranlaßt auszusprechen, daß aus Herder nicht mehr viel zu schöpfen sei. Warum? Weil Alles, was daraus zu schöpfen war, sogleich der Nation ins Blut gegangen. Viel anders steht es mit Lessing, der darum, obwohl älter, doch viel weniger veraltet ist. Eine nähere Parallele zwischen Herder und Lessing ist in mehrfacher Beziehung lehrreich und anziehend, wir versparen uns dieselbe aber besser bis dahin, wo wir bereits nähere Kenntniß von Herders Bestrebungen erworben haben.

Die noch in Riga verfaßten Briefe zur deutschen Literatur (1767) knüpften sich unmittelbar an die damals eifrig gelesenen Literaturbriefe an, welche sich ja der Theilnahme Lessings rühmen konnten. Sie suchen manches daran zu modificiren, ein andermal führen sie einen Gedanken weiter. Ihr Zusammenhang mit jenen Briefen ist so innig, daß sie ohne dieselbe ihres vollen Verständnisses entbehren. Die Ausführung ist nicht eben sonderlich und trägt noch alle Spuren der Jugend an sich, sowohl die Frische und Unbefangenheit als auch eine gewisse Sorglosigkeit, ja öfters Unreife. Allein das ganze Publicum war damals jung, im höchsten Grade empfänglich und hatte nichts von Abgespanntheit und Ueberdruß. Es handelt sich im ersten Bande hauptsächlich über Eigenheiten und Vorzüge der deutschen Sprache, gegenüber der französischen; die größere Freiheit der Wortfolge und männliche Nachdrücklichkeit wird hervorgehoben, gewiß damals ein Wort zur Zeit. Im zweiten Theil wünscht sich der Verfasser eine Uebersetzung des Homer und verspricht sich von ihr Großes für die deutsche Literatur, die Engländer seien uns darin zuvorgekommen. Hier findet sich die beachtenswerthe Stelle: „Ich würde nicht gerne Poesie und Herameter bei dieser Ueberseßung vermissen; aber Herameter und Poesie im griechischen Geschmack; sollte es auch nur Gelegenheit geben, uns immer aufmerksam zu machen, wie weit unsere Sprache und Poesie hinten bleibe." Nicht lange darauf traten Stolberg und Voß in die Schranken und heute hat man Mühe die Zahl der Homerübersehungen zu übersehen. Der von Herder gehoffte Einfluß blieb nicht aus. Eine Aeußerung Herders im ersten Bande dieser Fragmente, wo er statt der künstlicheren griechischen Versmaaße für das Deutsche ein einfacheres aus Jamben, Trochäen und Dactylen gemischtes vorschlug, ist von den folgenden Dichtern und Ueberseßern nur allzu eifrig erfaßt worden, zunächst wegen der Bequemlichkeit. Herder versprach sich davon sogar Anwendung auf das Theater; die wahre Fähigkeit der deutschen Sprache, welche Klopstock vollkommen ermaß, scheint er nicht erkannt zu haben. Gegenstand der Beurtheilung werden die Zeitgenossen Haller und Hagedorn, dann besonders die

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