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drohten. Es wäre unbillig, hier auch nur einen näheren Vergleich mit Goethe anstellen zu wollen, doch sieht man, wie schwer es dem Verfasser geworden, dem dürftigen Stoff Pathos und Effect zu geben. Ich erwähne noch, daß auch von einer Iphigenie in Tauris des Racine ein Fragment erhalten ist; er wollte ein Liebesverhältniß Iphigeniens mit Thoas Sohn, und war so klug, das Stück fallen zu lassen. Eine taurische Iphigenie von Guimond de la Touche ist später mit vielem Beifall aufgenommen worden.

XI.

Die ältere Form der Iphigenie.

Ich füge hier ein besonderes Kapitel ein für denjenigen Leser, der das Verhältniß der ersten Jphigenie zur zweiten noch näher ins Auge fassen will und zugleich zur besseren Ausführung dessen, was wir schon andeuteten. Man nennt die ältere Form des Stückes gewöhnlich prosaisch; allein Goethe selbst bezeichnet sie als rhythmisch. Wir lesen in seinem Brief vom 8. September, vom Brenner datirt: „Das Stück, wie es gegenwärtig liegt, ist in poetischer Prosa geschrieben, die sich manchmal in einen jambischen Rhythmus verliert, auch wohl anderen Sylbenmaßen ähnelt. Dieses thut freilich der Wirkung großen Eintrag, wenn man es nicht sehr gut liest und durch gewisse Kunstgriffe die Mängel zu verbergen weiß." Die sogenannte rhythmische Prosa war damals nichts Ungewöhnliches, sie herrscht z. B. in Gesners Jdyllen, in einigen Dramen Klopstocks und es giebt eine Ueberseßung der Gedichte Friedrichs des Großen, welche ohne Ausnahme jambisch war, obwohl in Prosa gedruckt, die Verse nur von ungleicher Länge ein athemloses Fortgehen in demselben Verstakt, das höchst geschmacklos ist und zur Verzweiflung bringen kann. Nicht ganz so verhält sich's mit Goethes erster Iphigenie, doch ist es offenbar zu wenig gesagt, wenn wir lesen: „die sich manchmal in jambischen Rhythmus verliert," denn dieser ist durchaus vorwaltend, nur daß er durch Sazbildung, Interpunction und weibliche Ausgänge sich in bequemere Partien abseßt. Er hält sich in der Nähe

des fünffüßigen Blankverses, wird aber doch auch sechsfüßig, vierfüßig, dreifüßig, zuweilen aber auch sieben- und sogar achtfüßig scheint es doch, als ob Goethe sich schon jezt im Jahr 1786 be: mühe, die Auffassung der „rhythmischen Prosa“, die sich bald als ein Unding erwies, von sich fern zu halten. Nur dadurch, daß schon in der ersten Gestalt eine gewisse Versgliederung herrscht, war es nun auch möglich, ohne ein Wort und eine Silbe zu ändern, die in Prosa geschriebene Iphigenie gleichzeitig auch in Verszeilen umzuseßen, wie dies in dem schönen Folioexemplar der Fall ist; möglicherweise führte Goethe schon die leßtere Form nach Italien mit sich. Ich theile *) hier den Eingang, in Verse abgesetzt, nach der Urschrift in Folio (s. o.) mit.

Erster Act. Erster Auftritt.

Iphigenie (allein).

Heraus in eure Schatten, ewig rege Wipfel

Des heil'gen Hayns; hinein ins Heiligthum

Der Göttin, der ich diene, tret' ich hier mit immer neuem Schauer; Und meine Seele gewöhnt sich nicht hieher!

So manche Jahre wohn' ich

Hier unter euch verborgen!

Und immer bin ich, wie im ersten, fremd

Denn mein Verlangen steht

Hinüber nach dem schönen Lande

Der Griechen!

Und immer möcht' ich übers Meer hinüber

Das Schicksal meiner Vielgeliebten theilen.

Weh dem, der fern von Aeltern und Geschwistern,

Ein einsam Leben führet!

Jhn läßt der Gram des schönsten Glückes nicht genießen!
Ihm schwärmen abwärts die Gedanken

Nach seines Vaters Wohnung,

*) Nach Boas

oder auch dem siebzehnten Band der nachgelassenen Werke,

1842.

An jene Stellen, wo die goldne Sonne

Zum ersten Mal den Himmel vor ihm aufschloß;
Hin wo die Spiele der Mitgebornen

Die sanften liebsten Erdenbande knüpften.

Der Frauen Zustand ist der schlimmste

Von allen Menschen!

Will dem Mann das Glück wohl, so herrscht er
Und erficht im Felde Ruhm,

Und haben ihm die Götter Unglück zubereitet,
So fällt Er

Es entsteht die Frage, ob Goethe wohl selbst Theil habe an diesem Abseßen der Prosa in Verszeilen. Jedenfalls sehr stark und bis ins Einzelne gehend kann der Antheil nicht sein, denn in vielen Fällen läßt die Theilung sich besser machen und hat anders im Ohr des Dichters gelegen. So sind die dactylischen Stellen meistens dadurch fernzuhalten, daß hier Absaß mit weiblichem Ausgang anzunehmen ist, namentlich dann, wenn einzelne jambische Dipodien sich sondern. Von dieser Art ist der vierte der gegebenen Verse:

Und meine Seele

Ferner:

Gewöhnt sich nicht hieher

Hin wo die Spiele -Der Mitgebornen

Daß diese dipodische Gliederung ganz besonders in Goethes Ohr gelegen, zeigen einige Stellen der prosaischen Iphigenie, die ich danach mittheile, um so mehr da die von Boas gegebenen Proben nach der wahrscheinlich von Vogels Hand geschriebenen Urschrift derselben nur unvollkommen entsprechen. Von der Art ist besonders der Monolog in dem zweiten Auftritt des dritten Actes, wofür es nur eines Fingerzeiges bedarf:

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So darf Drest
Sieh deinen Sohn! Seht euren

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Heißt ihn willkommen! - Auf Erden wars in un

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ferm Haus alten Tantals u. s. w.

Ein Gruß zum Tod! Und das Geschlecht

Hat seine Freude

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Jenseits der Nacht!"

Es sind dies Rhythmen von so viel Pathos und Angemessen: heit, so ganz und gar deklamatorisch und unmittelbar, daß man ihren Verlust in der späteren Gestalt durchaus zu bedauern hat; und doch haben sie sich auch da nicht ganz verwischen lassen, bringen aber, zumal wenn man sie dactylisch nimmt, dort nur Unsicherheit und Holprigkeit hervor. Man sieht schon hier, wie wesentlich die Kenntniß der ältern Jphigenie ist, um manches in der vom Dichter veröffentlichten zu erklären, hier zunächst auf metrischer Seite.

Wie wenig übrigens die erste Iphigenie Prosa war, und daß schon in dieser skizzenhaften Behandlung an den Fortschritt zu einer durchaus metrischen gedacht war, tritt an mehreren Stellen durch bereits ganz ausgebildete Stichomythieen hervor, die denn auch meistens unverändert in die spätere Form übergegangen sind. So lesen wir in der sogenannten prosaischen Iphigenie zu Anfang des vierten Actes:

Iphigenie.

Dies ist allein der Priest'rin überlassen.

Arkas.

Solch einen Fall soll auch der König wissen!

Iphigenie.

Hier kann sein Rath nicht helfen, sein Befehl nicht hindern.

Arkas.

Doch will die Ehrfurcht, daß es also scheine.

Iphigenie.

Erbringe nicht, was ich versagen sollte.

Arkas.

Versage nicht, was gut und nüßlich ist.

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