ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Ich komme noch einmal auf diejenigen Scenen zurück, die, wie Schiller das wohl erkannt hat und Herder noch mehr hätte erkennen sollen, den unvergänglichen Werth des dramatischen Werkes ausmachen: Clärchens Liebe zu Egmont, und das rührende Verhältniß zu Brackenburg. *) Hier ist alles Leben und Seele, die innigsten, schwungvollsten Töne, ein unmittelbarer Erguß der Begeisterung, ein Ueberströmen des liebenden Herzens, und alle Farben so wahr, so stark, so sein. Wieder haben wir hier die illusorische Darstellung von Brackenburg der das Garn halten soll bis zu dem Mädchen, das vor dem Geliebten auf dem Schemel kniet, und die, durch Liebe und Leid gehoben, dann plößlich heranwächst zur Heldin. Wie Goethe selbst darauf hindeutet, ist ihre Liebe zum Helden nicht eine gewöhn liche, denn seine Liebe zu ihr erscheint ihr stets als ein Unbegreifliches, und dies eben idealisirt das Ganze. Wiederum ist ihr Verhältniß zu Brackenburg mit der größten Zartheit nicht nur, sondern auch mit bewundernswürdiger Sicherheit des Umrisses gezeichnet, durchaus meisterhaft. Aber so schön, so hinreißend, so rührend das alles ist, es steht doch auf der Grenze des Romans und wirkt mehr gelesen als auf der Bühne dargestellt.

Auch die Form ist nicht frei von der Zwiespältigkeit des Ganzen. Die Prosa geht stellenweis in Vers über, so daß Schiller sich ver: anlaßt sah die Worte Brackenburgs Sie läßt mich stehn"

"

u. s. w. sogleich als Vers abgefeßt zu geben. Im Allgemeinen hat die Sprache etwas Abgerissenes, kurze unverbundene Säße, die auf die Länge ermüden. Es zeigt sich, daß für gehobene Darstellung die ungebundene Rede nicht ausreicht; dazwischen läuft Skizzenhaftes unter. Auch im Adel des Ausdrucks, namentlich wo Personen höheren Ranges sprechen, bleibt das Stück merklich unter unfern heutigen Ansprüchen. Edel zu sprechen, wenn man nicht in förmlichen prosaischen Perioden sprach, mochte damals schwerer sein.

Mit Göz verglichen ist Egmont nicht eben ein Fortschritt auf der Bahn der historischen Tragödie, obwohl er um vieles regelmäßiger

*) Dies übrigens ein früher bei Lenz vorkommendes Motiv. Man jehe mein Buch.

ist. Im Gegentheil, das unhistorische Liebesverhältniß, der Roman, hat hier bei weitem mehr das Uebergewicht. Man sieht, daß Goethe dazwischen den Roman Werther schrieb, der zwar seinen Namen ausbreitete, jedoch, leider ist es wahr, ihn aus der höhern Laufbahn herablenkte.

Auch mit Iphigenie und Tasso finden sich Berührungspunkte, wir erkennen in Egmont denselben Goethe wieder, der mehr und mehr gewohnt wurde, das künstlerische Object nach seinen eigenen Erlebnissen und Anschauungen hinzuzuführen und, mehr als im Interesse der Kunst war, von den Gefühlen, die ihn gerade beweg ten, hineinzulegen. Er verschob das Historische, er rückte es dahin, wo er sich zu Hause fühlte. Es leuchtet ein, daß das nur eine bedingte, nur eine halbe Lösung der Aufgabe ist, allein Goethe, der seine Kraft kannte, erreichte eben dadurch das lebhafte Colorit und jene Blutwärme, welche seine gelungenen Gestalten auszeichnet, hier vor allen sein Clärchen. Man hat Recht gethan, Goethes Frauengestalten abzubilden: in ihnen liegt hauptsächlich seine Schöpfung. Aber was folgt? Wie Schlegel äußerte: es sei neben Goethes Tasso immer noch eine Tragödie dieses Namens möglich, so müssen wir, wenn auch ungern, so doch mit Ueberzeugung, Gleiches von Egmont sagen. Und daß dem so sei, das zeigt sich besonders in Goethes nächstem Werk.

Wenn aber auch das Geschichtsbild ziemlich gesondert dasteht von der dramatischen Handlung und dem dramatischen Interesse, während beides sehr wohl besser verschmolzen sein konnte, so bleibt doch immer das Streben, ein großes Historienbild zu entwerfen und eine Zeit in allen ihren Schichten von der Regentin und dem Feldherrn und Statthalter bis zum Schüßenkönig und Zimmermeister und Schneider vorzuführen, ein Stück Leben auf die Bühne zu stellen, und in dieser Rücksicht hat Goethes Egmont wahrscheinlich mehr Antheil an Schillers Wallenstein, als gemeinhin er: kannt wird.

XIV.

Elpenor.

Den dramatischen Arbeiten der ersten Weimarischen Periode wäre nun wohl die Betrachtung eines der bedeutendsten Werke, des Faust, anzuschließen, um so mehr, als sich in der Behandlung des Gegebenen hier Vergleichungspunkte mit Egmont finden; das Erscheinen des Fragmentes Faust fällt eben in diese Zeit. Allein es ist rathsam, das Fragment von der Fortführung desselben zur Tragödie nicht zu trennen, und eben so wenig die leßtere von dem, was Goethe ihren zweiten Theil nannte. Da nun der Faust in seiner Ganzheit sich über das Leben des Dichters erstreckt, von der frühesten Zeit seines Schaffens bis an seinen Tod, so wird ange= messen sein, dies hohe und merkwürdige Kunstwerk uns noch aufzusparen; es macht am natürlichsten den Beschluß unserer Durchmusterung der dichterischen Werke.

Wir wenden statt dessen uns einigen anderen dramatischen Fragmenten zu. Es wäre auffallend, wenn Goethes Vorliebe für griechische Stoffe an der einzigen Iphigenie sich sollte erschöpft haben; die günstige Aufnahme die leßtere fand, mußte sicherlich zum Fortgehen auf dieser Bahn auffordern. Und wirklich hat auch manches der Art seinen Geist beschäftigt. Der Iphigenie in Delphi gedachten wir schon, sie gehört dem Aufenthalt in Italien an, wurde dann aber von Tasso verdrängt. Allein auch schon früher, bald nach der ersten Jphigenie in Prosa, hatte Goethe ein griechisches

Trauerspiel im Sinne und brachte zwei Acte davon auf das Papier. Das Trauerspiel heißt Elpenor, und was davon vorhanden ist, erwuchs in den Jahren 1781 und 82. Riemer meldet: Diese unvollendet gebliebene Tragödie wurde angefangen den 11. August 1781 und neben der Iphigenie fortgeführt und mit verbessert." Das Fragment steht jezt im 10. Band der Ausgabe leßter Hand. Es war ursprünglich, gleich der Iphigenie, in Prosa, d. h. in versificirter Prosa geschrieben. Als das Fragment in die Octavausgabe aufgenommen werden sollte, bewog Riemer den Dichter, die jambisch gefügten Worte als Verse abzuseßen und er erhielt dazu den Auftrag. Im Allgemeinen hat er wohl die in des Dichters Ohr liegenden Abfäße getroffen, doch einigemal ist man stark verjucht, den Einschnitt vortheilhafter und mehr dem Ohr gemäß zu legen. *) Die Arbeit, offenbar mit großen Hoffnungen begonnen, gerieth dennoch bald ins Stocken, und wurde nie wieder aufgenom= men; Goethe sagt, er wisse nicht, ob durch seine Schuld, oder durch Schuld der Sache selbst. Einmal scheint er zur Aufnahme geneigt gewesen: er theilt, als es den Horen an Manuscript fehlt, das Fragment an Schiller mit und erbittet sich dessen Urtheil, ohne sich als Autor zu nennen. **) Schiller scheint ihn wirklich nicht erkannt zu haben, denn sein Urtheil lautet: das Werk erinnere an eine gute Schule, ob es gleich ein dilettantisches Product sei, und kein Kunsturtheil zulasse; es zeuge von einer sittlich gebildeten Seele, einem schönen und gemäßigten Sinn und von einer Vertrautheit mit guten Mustern. Wenn es nicht von weiblicher Hand ist, er:

"

*) Einigemal auch verräth sich Goethes süddeutsche Aussprache, welche das E der Vorschlagssilben verschluckt und danach den Rhythmus hört. Indem man dies herjetzte, so wie die apostrophirten Silben herstellte, wurde der Vers zum öftern weniger rhythmisch als die Prosa.

**) Er hat lurz zuvor von seinen alten Papieren gesprochen, und äußert dann: „In das andere beiliegende Manuscript mochte ich gar nicht hineinsehen, es mag ein Beispiel eines unglaublichen Vergreifens im Stoffe und weiß Gott für was noch anderes ein warnendes Beispiel sein. Ich bin recht begierig, was Sie diesem unglücklichen Product für eine Nativität stellen.“

innert es doch an eine gewisse Weiblichkeit der Empfindung, auch insofern ein Mann diese haben kann. Wenn es von vielen Longueurs und Abschweifungen, auch von einigen, zum Theil schon angestrichenen, gesuchten Redensarten befreit sein wird, und wenn besonders der lezte Monolog, der einen unnatürlichen Sprung enthält, verbessert sein wird, so läßt es sich gewiß mit Interesse lesen." Im nächsten Brief (Mitte Juni 1798) giebt Goethe fich zu erkennen und sagt, es sei ihm um so lieber, daß Schiller ihn nicht erkannt, da jezt das Product ganz rein gewirkt habe. „ES können ungefähr sechszehn Jahre sein, daß ich diese beiden Acte schrieb, nahm sie aber bald in Aversion und habe sie gewiß seit zehn Jahren nicht wieder angesehen. Ich freue mich über Ihre Klarheit und Gerechtigkeit, wie so oft schon, also auch in diesem Falle. Sie beschreiben recht eigentlich den Zustand, in dem ich mich befinden mochte, und die Ursache, warum das Product mir zuwider war." Auch Schillers Antwort hierauf dürfen wir nicht übergehen. Er schreibt am 28. Juni: „Die Nachricht, daß der Elpenor von Ihnen sei, hat mich wirklich überrascht; ich weiß nicht, wie es kam, daß Sie mir gar nicht dabei einfielen. Aber eben weil ich unter bekannten und wahlfähigen Namen keinen dazu wußte, so war ich sehr neugierig auf den Verfasser, denn es gehört zu denen Werken, wo man, über den Gegenstand hinweg, unmittelbar zu dem Gemüt des Hervorbringenden geführt und getrieben wird. Uebrigens ist es für die Geschichte Jhres Geistes und seiner Perioden ein schäßbares Document, das Sie ja in Ehren halten müssen.“ Worte, welche nicht eben zur Fortseßung aufforderten. So fiel denn auch fein weiteres Wort über das Stück zwischen den Freunden; aber wie merkwürdig, das lezte, das Schiller überhaupt an Goethe schrieb, am 24. April 1805, lautet: „Vergessen Sie nicht, mir den Elpenor zu schicken." Schwerlich geschah es, wenigstens fehlt aller weitere Einfluß Schillers auf das Stück. Man kann auffallend finden, daß Goethe nicht eben lange nach dem Ableben seines Freundes das Fragment in den Werken drucken ließ, es müßte denn sein, eben als Document seiner Entwicklung. Es

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »