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XV.

Nausikaa.

Goethe erfaßte in Sicilien den Stoff der homerischen Nausikaa mit Leidenschaft. Der Anblick des Meeres, die in die Buchten hereinbrandenden Wogen, selbst der Dunst des Elementes machten eine poetische Welt in ihm wach, welche in Gestalten auszuprägen ihm Bedürfniß ward. Homer und das Treiben der Phäaken, vor allem aber die jugendliche Nausikaa boten sich ihm dazu an. Wir haben im vierten Band ein kleines Fragment von zwei Scenen, dann aber im 28. Band, aus späterer Erinnerung, den nach Acten geordneten Plan des in Gedanken weit ausgearbeiteten Stüdes; dazu noch im siebzehnten Band der nachgelassenen Werke das vollständige Scenarium über alle drei Acte, zum Theil mit näherer Angabe des Inhalts, und endlich ebenda noch fernere Fragmente. Es sollte gleichfalls eine Tragödie werden; die schöne Nausikaa giebt sich, wie von Sappho gefabelt wird, den Tod durch Sturz vom Felsen. Sie hat sich hoffnungslos in Odysseus verliebt, vor allen Dingen aber sich durch das Geständniß ihrer Liebe compromittirt. Goethe dachte dabei manches Homerische in der Erzählung des Odysseus anzubringen, der Antheil aber, den auch Nausikaa daran nähme, sollte das Epische ins Dramatische überführen. *)

*) Der Plan des „Ulysses auf Phäa“ (so nannte er die Phäakeninsel) dessen Goethe (s. Riemer II, 631) schon 1786 gedenkt, scheint dasselbe Stück zu sein.

Freilich, den Homer in solcher Weise zu modernisiren hat sein Bedenken, und die zarte Zeichnung der homerischen Nausikaa konnte durch ein solches Liebesverhältniß nicht gewinnen, wohl aber durch eine Bloßstellung und durch den gesuchten Tod in ihrem innersten Wesen gefährdet werden. Allerdings sagt Nausikaa, als sie dem Odysseus wehrt unmittelbar ihrem Wagen zu folgen, das Volk werde in ihm einen Freier erkennen, wobei sogar Worte zum Lobe des Odysseus fallen, doch geschieht das in aller Unbefangenheit und auch wenn weiterhin Alkinoos merken läßt, daß, falls Odysseus seine Tochter begehre, er sich geehrt fühlen werde, so ist doch von einer Neigung der Nausikaa kaum eine Spur, diese äußert nichts von dem Eindruck, den der Fremde auf sie gemacht, und sie kommt überhaupt mit Odysseus nicht weiter in Berührung, weder bei der Erzählung seiner Abenteuer, noch beim Abschied wird ihrer irgend gedacht. So ist denn auch der Gegenstand von den griechischen Tragikern, die so viel dem Homer entnehmen, schwerlich als Tragödie behandelt worden, denn wenn von Sophokles ein Stüd „Nausikaa oder die Wäscherinnen" genannt wird, so war dies wahrscheinlich ein Satyrspiel, um so mehr als berichtet wird, daß der Dichter selbst darin, als eine der Gespielinnen, ballspielend aufgetreten sei und darin Kunst bewiesen habe.

Wenn aber eine solche Nausikaa sich auch nicht in antikem Sinne dichten ließ, so doch in Goetheschem, ähnlich der Iphigenie; zu dieser behalten wir in der That ein anziehendes Gegenstück, eine in der Gemütswelt spielende Tragödie. Der Gang des Stückes und seine Hauptgedanken lassen sich mit den verschiedenen Mitteln einigermaßen überschauen. Die erste Secne des ersten Actes hält sich in der Nähe der Homerischen Darstellung, wir bekommen das Ballspiel, die Annäherung des Odysseus, oder wie Goethe schreibt, Ulysses. Das Fragment einer dritten Scene, welche aber nicht zu dem Scenarium paßt, bringt ein Gespräch zwischen Nausikaa und Eurymedusa, wie es scheint der Amme; es wird darin eines Traumes gedacht, den Nausikaa gehabt, er sollte wohl die entstehende Neigung vorbereiten und diese bei der Erzählung sich verrathen,

Darauf scheint in Gegenwart der Nausikaa gegen ihre Mutter Arete das Bekenntniß eines andern Mädchens zu erfolgen, woran sich Lehren wegen des vorsichtigen Verhaltens während des Brautstandes knüpfen vielleicht in der Absicht, die spätere Unvorsichtigkeit der Nausikaa für diese um so kränkender erscheinen zu lassen. Weiterhin giebt der Fremde sich annähernd zu erkennnen, indem er sich einen der Gefährten des Ulysses nennt. Seine Abfahrt wird bereitet, Nausikaa wirkt mit bei der Ausrüstung, sie verräth und entdeckt ihre Leidenschaft, als gelegentlich der Name Ulysses gesprochen wird. Dieser wird darauf noch ferner von Anderen gelobt; aber er ist im Begriff zu scheiden. Hier sollte die Frage in Anregung kommen, ob Ulysses verheirathet ist; es muß aber doch dieselbe wohl nicht bestimmt entschieden werden, denn es heißt: „Sie (Nausikaa) giebt ihm zu verstehen, daß er bleiben kann." Die Andeutungen über den Inhalt des vierten Actes sind ungenügend, dagegen hat im fünften eine Scene, die vierte, nähere Worte erhalten. Nausikaa, welche auch im vierten Act nicht mehr vorkommt, läßt sich nicht sehen“ aus „Echam". Sie muß sich also in der lezten Scene des dritten Actes so stark compromittirt haben. Es ist am ge= rathensten, hier die Worte der Aufzeichnung selbst zu geben: „Er soll sie nicht falsch beurtheilen. Es sei sein eigen Werk (wahrscheinlich weil er nicht bestimmt seines Ehegemals gedacht). Ulysses Vorwurf. Er will nicht so scheiden. Trägt seinen Sohn an. Arete will die Tochter nicht geben. Ulysses Ueberredung. Alkinous will gleich. Ulysses will seinen Sohn bringen. Sie sollen sich wählen. Alkinous, Hochzeittag, Ausstattung“. In der nächsten Scene erscheint ein Bote wahrscheinlich eben den Tod der Nausikaa verkündend, welche sich verzweiflungsvoll vom Felsen gestürzt, darauf die obige Freundin, Xanthe, die glückliche Braut, um die Schreckensbotschaft zu ergänzen und noch nähern Aufschuß zu geben ; dann sollte ihr Bruder auftreten, zum Schluß die Leiche herein= gebracht werden.

Offenbar handelte es sich um tiefe und feine Gefühlsbeziehungen, so daß der Dichter des Werther und der Iphigenie hier eben

ganz auf seinem Felde war, er hätte sie nach seiner Art mit dem antiken und homerischen Charakter in eine gewisse Harmonie ge bracht, ebenso anziehend als eigenthümlich. Einiges Nähere bringen uns noch die abgerissenen Fragmente, aus denen sich ersehen läßt, wie Goethe das Epische mit dem Dramatischen zu verweben gedachte. Nausikaa schildert dem Ulysses die Gärten ihres Vaters, ladet ihn ein zu bleiben und drückt dabei ihren Wunsch aus, daß er bleibe.

In meines Vaters Garten soll die Erde
Dich umgetriebenen, vielgeplagten Mann
Zum Freundlichsten empfangen

Das schönste Feld hat er sein ganzes Leben
Bepflanzt, gepflückt und erntet nun im Alter
Des Fleißes Lohn, ein tägliches Vergnügen.
Dort dringen neben Früchten wieder Blüthen,
Und Frucht auf Früchte wechseln durch das Jahr.
Die Pomeranze, die Citrone steht

Im dunkeln Laube, und die Feige folgt
Der Feige. Reich beschüßt ist rings umher

Mit Aloe und Stachelfeigen,

Daß die verwegene Ziege nicht genäschig

Dort wirst Du in dem schönen Lande wandeln,

Im Winter Wohlgeruch von Blumen Dich erfreuen.
Es rieselt neben Dir der Bach, geleitet

Von Stamm zu Stamm.

Nach seinem Willen.

Der Gärtner tränket fie

Zwei kleine Bruchstücke, die man uns mitgetheilt, dienen trefflich zur Schilderung der Natur und tragen den Charakter, auf sicilischem Boden geschrieben zu sein:

Ein weißer Glanz ruht über Land und Meer,
Und duftend schwebt der Aether ohne Wolken.

Und nur die höchsten Nymphen des Gebirgs
Erfreuen sich des leichtgefallenen Schnees
Auf kurze Zeit.

Einzelne Verse, die erhalten worden, an ihrer Stelle unterzubringen, hat denselben Neiz, wie bei den Fragmenten alter Autoren; aber wahrlich es lohnt eben so sehr den Versuch. Den freischwebenden Vers:

Du gäbst ihm gern das Beste, merk' ich wohl,

halte ich für von Ulysses gesprochen und von einem Apfel gesagt, den Nausikaa für ihn aussucht, zugleich als entgegenkommendes Verständniß ihrer herzlichen Annäherung.*) Dann haben wir Verse, augenscheinlich einer vertrauten Unterredung der Nausikaa mit ihrer Gespielin angehörig, welche schon von der Neigung weiß, aber an ihrer Angemessenheit zweifelt. Der Vers:

Du hältst ihn doch für jung, sprich, Tyche, sprich!

Ift in solchem Zusammenhange von Nausikaa gesprochen. Die Antwort fehlt, sie muß aber eine verneinende oder ausweichende gewesen sein, denn Nausikaa spricht weiter:

Er ist wohl jung genug, denn ich bin alt,

Und immer ist der Mann ein junger Mann,
Der einem jungen Weibe wohlgefällt.

Gewiß ist sehr zu bedauern, daß der Dichter ein so weit vorberei tetes Stück nicht ausgeführt: ein Seitenstück zu Iphigenie! Ein Werk, das Goethe in seiner vollsten Kraft auf klassischem Boden, am Wellenschlage des Meeres geschöpft und geschaffen wieviel schwerer wöge das, als so manches Stück seiner späteren, oft nur scheinbaren Production! Der Dichter selbst sagt uns, Zerstreuungen hätten diese Production unterbrochen aber warum nahm er sie

denn nicht später auf, wie doch so manches? Es mag Gründe gegeben haben, welche der Vollendung entgegenstanden. Zunächst überschäße man die erhaltene Vorarbeit nicht, es fehlt immer noch

*) Zumal das Darreichen des Apfels für Liebeserklärung galt, wohl in Zujammenhang mit dem Urtheil des Paris.

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