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dadurch unmerklich in das Gleis seines jugendlichen Stückes „die Mitschuldigen“, wo die allerseits vorhandenen Schwächen, Untugenden und selbst Verbrechen sich aufwiegen sollen, was aber dem Begriff und Wesen des Lustspiels keineswegs entspricht und sittlichem Tadel unterliegt. Hier nun wurde ein weiterer Schritt gethan: mit nur allzu unmittelbarer Wahrheit sollte die Angefressenheit, das Verderben der Gesellschaft in allen Theilen bloßgelegt werden, allein dadurch entfernte der Dichter sich nur noch mehr aus der natürlichen Bahn des Lustspiels, wie er doch sein Stüc nannte; die Entlarvung des Abenteurers, die Strafe der Sündigen ist lange nicht ausreichend, um das Lustspiel zu machen, denn dieses hat es mit Schwächen und Thorheiten zu thun, aber nicht mit sittlichen Schäden und Verbrechen: wie könnte es sonst auch harmlos und heiter sein! Der Ritter, immer noch die achtbarste Person im Stück, wiewohl sein Ehrgeiz ihn kein Mittel scheuen läßt, spricht das Wort aus: Hier bin ich, um die Abscheulichen zu beschämen und die Thoren zu bedauern“: wenn nun dies auf das Stück trifft, so ist eben damit seine Untauglichkeit als Lustspiel ausge sprochen. Derselbe sagt an einer andern Stelle: Was hab' ich gehört und in welchen Abgrund von Verrätherei und Nichtswürdig= keit hab' ich hineingeblickt!" Worte, welche durch das Stück gerechtfertigt werden, und Dinge, die in der That den Eindruck der Lustigkeit durchaus verscheuchen. Viel besser würde der Stoff sich zu einer strafende Satire eignen — haben wir nun hier eine solche in dramatischer Form? Ich nehme Anstand zu bejahen, weil es dazu wieder an sittlicher Indignation fehlt und vielmehr, ähnlich wie in den Mitschuldigen, die Verbrechen als Schwäche, ja als allgemeiner Mangel der menschlichen Natur betrachtet werden.

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Am verlegendsten ist, was dem Dichter am eigensten gehört, der Marquis und die Nichte. Gleich ihre Einführung im Stande des Sündenfalls, daß wir sie als solche durch das ganze Stück persönlich vor Augen haben sollen, ist sehr schlimm und läßt sich nur nach den gelockerten Begriffen der damaligen Zeit erklären. Auch die Lösung durch die in Aussicht gestellte Ehe mit dem Ritter

behält Unzartes und entbehrt der sittlichen Tiefe man vergleiche hier den Schluß von Lenzens Hofmeister.

Wir wollen keine Fäden von hier zu den Wahlverwandtschaften hinüber ziehen, machen vielmehr aufmerksam, daß in einer Zeit, welche keine geregelten Bahnen der Kunst vorfindet, sondern dieselben erst sucht, Abirrungen unvermeidlich sind; aber auch das Feuer des Genius brennt nicht stets in gleicher Helle und Lauterkeit und namentlich wo neue Stoffe in die Flammen geworfen werden, bleiben Trübungen durch Rauch nicht aus. Der Dichter selbst scheint das Werk in einer gewissen inneren Unruhe, in einem Vorgefühl der Revolution, welcher der Stoff so wesentlich angehört, hinausgeworfen zu haben, und er fühlte sich später stark genug, es nicht zu verleugnen.

Ein neues Interesse erhält Goethes Groß- Cophtha durch das neuerdings veröffentlichte Urtheil des Großherzogs Carl August. *) Dieser, das Werk keineswegs leicht nehmend, hat sich in einer eingehenden kritischen Beleuchtung, welche ihm in jeder Rücksicht zur hohen Ehre gereicht, nicht nur die Niederlage auf der Bühne zu erklären gesucht, sondern ist tiefer eingegangen auf die künstlerischen und sittlichen Mängel. Sehr richtig fühlt er, daß der Stoff sich nicht zum Lustspiel eigne, viel eher entweder zur Posse oder zur Tragödie; da er nur an das Theater dachte, fiel ihm das richtige, die Satire, nicht ein. Aber auch er nimmt sittlichen Anstoß, und findet das Ganze zu lang, zu förmlich.

*) Briefwechsel des Großherzogs Carl August u. f. w. I, 262.

XVIII.

Reincke Fuchs.

Goethes Geist ist so reich, daß man ihn nicht auf Eine Gat tung beschränkt denken kann, ja es darf zweifelhaft werden, ob die Anlage seiner Natur ihn mehr zum epischen oder dramatischen Dichter bestimmt habe. Wenn er gleichwohl im Epischen ungleich weniger geschaffen hat, so liegt das zum größeren Theil in der Natur der Stoffe. Die Erfahrung zeigt, daß bei allen Culturvölkern die Zahl der Dramen in keinen Vergleich tritt mit der Zahl epischer Gedichte, ja es zählen hier die Völker insgesammt weniger epische Werke als die Dichter Dramen. Die Griechen hatten nur Einen Homer, aber wie groß war die Anzahl der Tragödien, welche die Tragiker Athens stellten! Die Engländer haben nur Einen Milton und dieser gab nur Ein verlorenes Paradies, aber wie reich ist Shakespeare an Tragödien und Komödien, und wie viele mühen sich neben ihm! Gleiches gilt von Calderon und Lope, von Corneille, Racine, Voltaire. Die Erklärung liegt darin, daß im Drama dem Dichter mehr überlassen ist, daß er den gegebenen Stoff freier ge= stalten kann, daß aber für das Epos der Stoff selbst bedeutend entgegenkommen muß, daß hier nicht ein einziger poetischer Moment genügt, der sich nach allen Seiten hin ausbeuten läßt, sondern daß hier ein längerer Verlauf von Etufe zu Stufe den Forderungen der Poesie genügen soll. Sodann tritt die Forderung der Volksmäßigkeit des Stoffes noch ungleich mehr hervor. In beider Rücksicht vermag hier der Dichter nicht Alles, sondern es bedarf der

Borbereitung durch volksmäßige Neberlieferung. Der Tragiker kann überall sogleich sein Zelt aufschlagen, der Epiker bedarf der Tradis tion und eines organischen Wachsthums poetischer Elemente, was fogar seltener vorhanden ist als eine wohlorganisirte Bühne.

Dies ist der Grund, daß das Epos in neuerer Zeit nur eine gewisse verstohlene Existenz hat; man sollte darum die ernstgemeinten Bestrebungen um so höher schäßen, sie kommen überdies allen anderen Gattungen zu gut und sind die wahre Begründung eines poetischen Stils. Für das ernste Epos hatte Klopstock einen mächtigen Anlauf genommen, allein schon begann man zu fühlen, daß dem Werk die wahre Lebenskraft abgehe, die Leistungen der aufstrebenden Generation, vor allen Goethes, mußten auch jenes Werk nothwendig in Schatten stellen, ja der Poesie eine andere Nichtung geben. Man verlangte mehr Gestalt, mehr Leben, mehr naive Auffassung.

Ein großes Epos zu dichten lag Goethe in dieser Periode durchaus fern. Was er in der Jugend versucht hatte, stand unter Klopstocks Einfluß und war unbedeutend, es konnte keine Anknüpfung geben für epische Leistungen seiner Weimarischen Periode. Aber wie über ihn so häufig von außen her entschieden wurde, so mußte es auch hier geschehen. Ihm fiel das alte Gedicht Reineke Fuchs in die Hände. Nicht ohne Mühe mag er sich in die niederdeutsche Sprache hineingelesen haben, aber wie früher die Werke des für so roh verschrieenen Hans Sachs ihn angezogen, weil in ihnen Natur, Frische, Verbheit zu finden war, so übte nun auch ein Werk voll so kräftigen Humors, so reicher Erfindung und kraft= voller Darstellung auf seinen gesunden Sinn eine wahre Macht aus. Wir wissen jezt, woher jene Fülle des Gedichtes stammt, es ist ein Baum, der tief und weithin seine Wurzeln durch das Mittelalter erstreckt und der glücklicherweise gerade in der naiven niedersächsischen Sprache seine leßte Entfaltung erlangt hat. Das Werk erwarb bald des Dichters ganze Zuneigung und Liebe und, wo er liebte, mußte er auch alsbald schaffen. Es begleitete ihn in den Feldzug und die Arbeit einer Umformung in neueres Deutsch hatte

den großen Vortheil, daß Unterbrechungen ihr weniger schadeten als einer reinen Schöpfung.

Denke man ja nicht zu gering von dem Werk, halte man es nicht eines Dichters für unwürdig, der Eigenes hervorbringen konnte. Sei es immerhin nur Bearbeitung, sie ist von der Art, daß ein anderer als Goethe sie nicht vollbringen konnte, ganz abgesehen davon, daß in jener vorurtheilsvollen Zeit schwerlich ein Anderer die großen Vorzüge des Werks so lebhaft aufgefaßt, so glänzend ins Licht gestellt hätte. Und nun zeigt sich auch in der Bearbeitung viel Originalität, viel von Goethes innerstem Wesen. Ein Hauptverdienst liegt im Ton, im Stil, und dieser ist in der That so weit vom Original abweichend, daß lezteres hier nicht bestimmend gewirkt haben kann. Der Gedanke, den Hexameter anzuwenden, lag damals zwar nicht so durchaus fern, da auch Zachariä schon den Milton darin verdeutscht und ihn namentlich für leichtere epische Gattungen gebraucht hatte, allein der Goethesche behält hier immer noch eine sehr eigene Färbung. Goethes Herameter und der Stil seiner Bearbeitung leitet sich nicht, wie bei Zachariä, von Klopstock her, sondern er stammt unmittelbar von Homer, und eben der homerische Ton ist es, der dem Gedicht einen so großen, so neuen und eigenthümlichen Reiz verleiht. Es zeigt sich im Ganzen ein leiser Anflug von Parodie, ähnlich wie im homerischen Frosch- und Mäusekrieg, aber vielleicht noch glücklicher, weil noch feiner. *) Durch diese Art des Vortrags wird nun das alte Lied zugleich flüchtiger, es wird vergeistigt, ohne daß ihm von seinen soliden Eigenschaften etwas entzogen würde. Die altdeutsche

*) Es hat also offenbar mit dieser Anwendung des Hexameters eine ganz andere Bewandtniß, als wenn Gervinus dieselbe für eine neutrale Form erklärt und in dieser die Verneudeutschungen mittelhochdeutscher Gedichte, selbst der Gudrun und der Nibelungen, haben will, damit diesen Gedichten mehr von dem ruhigen und gemessenen Gang des antiken Epos zu Theil werde als ob denn das möglich wäre! In der That, man kann eher Virgil und selbst Homer in Stanzen umformen, aber nichts kann entgegengesetter und widersprechender sein als Nibelungen und Hexameter.

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