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Was hilft Dich *) das Gebildete
Der Kunst rings um Dich her?
Wenn liebevolle Schöpfungskraft
Nicht Deine Seele füllt,

Und in den Fingerspißen Dir
Nicht wieder bildend wird?

Die stärkeren Seitenstücke der Kenner“ und „der Kenner und Künstler" finden sich (jenes mit G dies mit der vollen Unterschrift Goethe) im Vossischen Musenalmanach von 1776, ersteres unter dem Titel der Kenner und Enthusiast" in die Ausgabe leßter Hand aufgenommen (II, 194).

Noch lesen wir im Teutschen Merkur April 1776 das lebensfrische Lied: „Hab' oft einen dumpfen düstern Sinn“.

*) Süddeutsche Sprechweise, die Goethe später abgelegt.

XXI.

Die römischen Elegieen.

Gegen das Ende der ersten Weimarischen Periode ergriff Goethe noch einmal das antike Maaß, und zwar um sich auch dem Inhalt nach den Alten näher anzuschließen. Wir bekommen jezt in vorgeschrittenem Alter Stücke erotischen Inhalts und gerade von großer Kühnheit, mit unverholener Sinnlichkeit. Die antike Form und der südliche Schauplaß sollten hier ausgleichend und mildernd wirken.

Man hat anfangs die römischen Elegieen dem römischen Aufenthalt zugewiesen, ist aber unter genauerer Erwägung der Documente neuerdings davon zurückgekommen. In der italischen Reise und in allen Briefwechseln findet sich auch nicht die geringste Spur, daß der sehr hervorstechende Cyclus damals seine Entstehung gehabt und ebenso wenig läßt sich in Rom ein Verhältniß nachweisen, das irgend auf den Inhalt der Elegieen paßte. Mit um so mehr Grund hat man, wenn überhaupt eine Anknüpfung an Erlebtes auch hier gefunden werden soll, an Christiane Vulpius gedacht, mit der die Bekanntschaft und Vertraulichkeit bald nach der Rückkunft aus Italien zu sehen war. Rom ist mithin nur Einkleidung, nur Verkleidung, und wahrlich hier trefflich zu dem Colorit passend, das sich den römischen Elegikern anschließt; Goethe nannte besonders Properz als sein Vorbild.

Gedruckt wurden die Elegieen zuerst im sechsten Stück der Horen vom Jahr 1795, ihre Entstehung fällt aber wohl im We

sentlichen in das Jahr 1790. Goethe sagt im Leben: „Angenehme häusliche Verhältnisse gaben mir Muth und Stimmung die Römischen Elegieen auszuarbeiten und zu redigiren. Die Venetianischen Epigramme gewann ich unmittelbar darauf." Diese Worte im Zusammenhang gefaßt, deuten nicht, wie man sie ausgelegt hat, auf bloße Redaction, aber auch ebenso wenig auf damals erst erfolgte Conception und ihre Beschaffenheit selbst möchte zu erkennen geben, daß diese Stücke nicht alle aus gleicher Zeit seien. Ihrer waren ursprünglich, wie Riemer meldet, zwei und zwanzig, zwei davon wurden unterdrückt wegen ihres allzu verwegenen Inhalts, wie es scheint auf Schillers Rath, denn dieser schreibt (Br. 65): Mit den Elegieen wird nicht viel zu thun sein, als daß man die zweite und sechzehnte wegläßt: denn ihr zerstümmeltes Ansehen wird auffallend sein, wenn man statt der anstößigen Stellen nicht etwas Currenteres hineinrestaurirte, wozu ich mich aber ganz und gar ungeschickt fühle." Darauf Goethe am 17. Mai 1795: „Die zwei sind ausgelassen. Die angezeichneten Stellen in der sechsten *) habe ich stehen lassen. Man versteht sie nicht, das ist wahr, aber man braucht ja auch Noten, zu einem alten nicht allein, sondern auch zu einem benachbarten Schriftsteller." Goethe beabsichtigte damals Noten zu schreiben, was aber später unterblieben ist. Schiller räth, die Elegieen ohne Namensunterschrift zu geben, weil er doch wohl Anstoß fürchtete, auch nach Beseitigung des Schlimmsten, er drückt dies aber sehr zart aus (Br. 30): „Bei Ihren Elegieen, die ohnehin kein Leser, dem es nicht ganz an Judicium gebricht, verkennen kann, wird gar kein Name nöthig sein." Sie hatten Schillers vollen Beifall. Er schrieb darüber nach erster Lesung (Br. 21): „Es herrscht darin eine Wärme, eine Zartheit, und ein echter förnigter Dichtergeist, der einem herrlich wohlthut unter den Geburten der jeßigen Dichterwelt. Es ist eine wahre Geistererscheinung des guten poetischen Genius.“ Nur über Ein

*) Nach der neuen Zählung, bei Auslassung der frühern zweiten.

zelnes habe er Zweifel. Noch ungleich günstiger lautet Schillers späteres Urtheil vom 20. Februar 1802, es umfaßt freilich zugleich Alexis und Dora, das auch wir höher stellen: „Ich habe dieser Tage Ihre Elegieen und Idyllen wieder gelesen, und kann Ihnen nicht ausdrücken, wie frisch und innig und lebendig mich dieser ächte poetische Genius bewegt und ergriffen hat. Ich weiß nichts darüber, selbst unter ihren eigenen Werken; reiner und voller haben Sie Ihr Individuum und die Welt nicht ausgesprochen.“ Vortheilhaft hatten mittlerweile sich auch die Jenaer Freunde vernehmen laffen, Schiller erhielt von einem Leipziger Literaten ein besonderes Tankgedicht, aber heftiger Angriffe von andern Seiten durfte man immer noch gewärtig sein. W. Schlegel gab sein Wort noch in dem Jahr des Erscheinens, in der Jenaer Literaturzeitung, abgedruckt im 1. Band der kritischen Schriften (S. 27). Er nennt die Elegien eine merkwürdige, in der Geschichte der deutschen, ja der neueren Poesie ganz neue Erscheinung. Dann vergleicht er sie mit den lateinischen Nachahmungen der römischen Dichter, welche in der Zeit des Humanismus versucht worden ein Vergleich, der freilich ganz und gar zu Goethes Gunsten ausfallen mußte. Im übrigen hier wohl mehr Phrase, als man sonst von Schlegel ge= wohnt ist.

So urtheilte man damals, aber das kann für uns nicht in jeder Rücksicht bindend und maaßgebend sein, denn in dem Urtheil des Jahrhunderts hat sich manches geändert, auch haben wir jezt eine ganz andere Kenntniß von dem was Goethes Vorbild war, endlich hat auch wohl Freundschaft und Wohlwollen einigen Antheil an jenen Aussprüchen. Nach meinem Gefühl sind die Elegieen einander nicht gleich, weder an Werth noch an Ton. Ich wollte zunächst, Goethe hätte mit den zwei unterdrückten auch noch die gegenwärtige achtzehnte Elegie beseitigt, denn sie ist eine offenbare Verunreinigung und ihr Verlust kann von niemanden bedauert werden. Dagegen zeichne ich ganz besonders die siebente aus, sie ist die werthvollste von allen, erhebt sich zu einem bedeutend höhe= ren Schwung, verläßt damit aber die Gesellschaft der übrigen.

Hier sind einige der leichteren sehr artig und ganz in der Nähe des Epigramms, andere aber wieder rhetorisch und ein wenig ge: schnörkelt. Der Zusammenhang ist nicht streng, kein stetiger Fortschritt, man kann es nur eben Cyclus nennen, woher denn auch das Weglassen einzelner Stücke möglich war. Im Ganzen thut das Hereinziehen der römischen Scenerie und sogar des Alterthums sehr wohl und giebt einen eigenthümlichen Reiz, die Farben des Lebens und der Gegenwart, selbst des sinnlichen Feuers nehmen sich auf diesem Grunde trefflich aus. Allein es fehlt in meinen Augen sehr viel, daß auch heute, da die Neuheit nicht mehr so mächtig wirkt, noch ein reiner und nachhaltiger Genuß möglich wäre. Mir ist namentlich bei einer so stark ausgesprochenen Sinnlichkeit die Beimischung der Reflerion viel zu groß, es ist das Bewußtsein und die Berechnung des Genusses, was ich sehr übel empfinde, außerdem mancherlei Unzartes, Hyperboreisches, namentlich auch im Vergleich zu den römischen Elegikern. Leßtere wissen ein sehr heilfames Halbdunkel über die Geliebte zu breiten; dieses nun vermisse ich gar sehr, wenn hier die Geliebte klagt:

Diese Kleider, sie sind der neidischen Nachbarin Zeugen,

Daß die Wittwe nicht mehr einsam den Gatten beweint.

Demnächst wünschte ich, ich wiederhole es, mehr Gleichmäßigkeit, mehr Stil; ich glaube selbst verschiedene Muster zu erkennen, Griechi: sches und Römisches; der Vers ist mir beinahe durchgängig zu tändelnd und leichtfüßig, zu sehr nach Art des Reineke Fuchs, und dann wieder dürfte doch manches Archäologische zu weit ausgesponnen sein; in der Begierde aber, die sich hinter Kunstsinn versteckt, sind Einflüsse des kurz zuvor erschienenen Ardinghello zu vermuten.

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