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Oden. Auf diese Weise war der Grund zu seinem Zerwürfniß mit Goethe gelegt; der Mahnbrief an Goethe im Frühling 1776 wegen des tollen Lebens" war dann nur ein zweiter Schritt, nicht ohne Zusammenhang mit diesem ersten gewaltsamen Aufsteifen. Goethe antwortete, wie erwähnt, kurz und scharf, berührte indeß die Sache nicht weiter, bis nach Jahren unter anderem Scherz und anderer Polemik in einer Stunde der freiesten Laune auch noch der leßte Groll sich Luft machte. Dies zur wahren Erklärung jenes Epigramms und zugleich zur Stellung der beiden Männer deutscher Literatur. Goethe hatte ein ganz anderes Bild von Sprachbehandlung und hatte auch seinerseits gerungen, er fühlte, daß es nicht leicht sei, die Sprache dahin zu bringen, wohin er sie haben wollte, und sicherlich war Klopstocks Lob voreilig, indem er Anlage und vollendete Ausbildung verwechselte. Selbst der strebenden Meisterhand mußte die Sprache immer noch als spröder Stoff erscheinen — in dem Ausdruck der Laune, der Gereiztheit sagte Goethe dafür, „der schlechteste Stoff" und er sagte dies wahrscheinlich in Italien. Ueberdies hatte er als Süddeutscher sich die im neueren Hochdeutsch überwiegend gewordene norddeutsche Ausdrucksweise erst anzueignen. Die Hauptsache bleibt: Wer nicht mehr ausdrücken will, als die bereit liegenden Sprachmittel gestatten, so wie der, welcher in Sprachformen künstelt, hat hier einen anderen Stand als derjenige, welcher für eine in festem Umriß dastehende Anschauung, für eine bestimmte Empfindung den entsprechenden Ausdruck sucht, und in diesem Fall war Goethe.

Und nun ist das 29. Epigramm noch gar nicht das stärkste in solcher Art, Goethe gefällt sich noch weiter darin, die deutsche Sprache als Hinderniß für das volle Hervortreten seines Dichtergenius zu bezeichnen. Man vergleiche hier das 77. Epigramm:

Was mit mir das Schicksal gewollt, es wäre verwegen
Das zu fragen; denn meist will es mit vielen nicht viel.
Einen Dichter zu bilden, die Absicht wär ihm gelungen,
Hätte die Sprache sich nicht unüberwindlich gezeigt.

In der That, nicht schärfer konnte man Klopstocks Auffassung entgegentreten, wie dieser auch sogleich empfand, indem er mit einem (ungedruckten*) Epigramm antwortete; die Sprache spricht:

Goethe, Du dauerst Dich, daß Du mich schreibst. D, wenn
Du mich kenntest,

Nicht Gram wäre Dir das; -. Goethe, Du dauerst mich auch. Wir haben hier also eine durch viele Jahre gehende Reibung zwischen Goethe und Klopstock, eine von Grund aus verschiedene Auffassung der Sprache, die sich eben in diesem Zusammenstoß noch schärfer ausbildete, zugleich aber auch den nicht wegzuleugnenden Gegensaß eines etwas eingenommenen Patriotismus und einer allzu großen Weltbürgerlichkeit, von der Goethe nur spät und allmälig eingelenkt hat.

*) S. Friedrich Pfeifers „Goethe nud Klopstock“, und Löbells Entwickelung der deutschen Poefte I, 257.

XXIII.

Die Tieder im Wilhelm Meister.

Die bedeutendsten lyrischen Productionen dieser Periode und wohl seines Dichtens überhaupt, haben wir uns noch vorbehalten, es sind die seinem großen Roman eingewebten. Mit ihnen hat es eine andere und zum Theil umgekehrte Bewandtniß, als mit dem Fischer und dem Erlkönig, welche den Singspielen eingelegt wurden, während sie ihrer Natur nach selbständig sind und dort nur an ihrer Wirkung verlieren konnten; die Lieder im Wilhelm Meister aber sind den hier handelnden Personen selbst in den Mund gelegt, in ihnen gipfelt sich nur das gesammte Wesen dieser Figuren, es wirkt also in ihnen die ganze Grundlage mit, eine reiche Harmonie klingt mit und nach. Dies gilt vor allem von den schönen und tiefen Liedern Mignons, der ganze Zauber der räthselvollen Gestalt, ihr fremdartiges Wesen, ihre heiße Sehnsucht, ihr tiefer Schmerz, spricht sich in voll gegriffenen Tönen aus. Jedes Wort wirkt hier mehr als in ihm selbst enthalten sein kann. Es ist dies ein eigenthümlicher Vortheil der Einmischung von Liedern in den Roman. Schon der Gegensatz zur Prosa kommt dem Vers wesentlich zu gut und die Abwechselung erfreut ja stets; dies wußte in alter Zeit der geistreiche Petronius, in neuerer Zeit Johannes Secundus, der seine Reise mit Gedichten durchwebte, dann Goethes Freund Johann Georg Jacobi in seiner Winterreise; aber glücklicheren Gebrauch davon dürfte nie ein Dichter gemacht haben als Goethe im Wilhelm Meister. Er hatte einen trefflichen Nachfolger

an Joseph von Eichendorff, dessen Lieder gesammelt nicht den halben Eindruck machten, den sie in den Novellen gemacht hatten. Man hat hier eben das Einzelne an seiner wirksamsten Stelle und in dem größeren mitklingenden Zusammenhange. In der That kann hier der lyrische Dichter lernen, wie man mit Wenigem viel sagen könne und wieviel sich vorausseßen läßt, denn leicht ergänzt auch die Phantasie selbst, was in dem besonderen Fall der Roman giebt.

Keines Lobes bedarf das Lied: „Kennst du das Land“, es ist ganz in romantischen Zauber getaucht, und welche Malerei mit wie kühnen Strichen; und wie durchaus musikalisch! Nur im Ausdruck wünschten wir eine Kleinigkeit anders: die Citrone ist für uns kein poetisches Wort, und allerdings sind wir darin verwöhnter als man es zu Goethes Zeit war. Die Limone würde um vieles besser sein, vielleicht auch statt des Maulthiers das Saumthier.

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Von sehr schönem Ton ist auch das Lied: „Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen“, und was könnte glühender sein als: „Nur wer die Sehnsucht kennt"; den außerordentlichen Umständen mag denn auch hier das brennende „Eingeweide“ zu verzeihen sein. Voll Schmelz und Rührung ist dann: „So laßt mich scheinen, bis ich werde." Nicht minder liegt der Zug tiefster Schwermut auf allen Liedern des Sängers: „Wer sich der Einsamkeit ergiebt“, „An die Thüren will ich schleichen“ und besonders Wer nie sein Brod mit Thränen aß“, das mit einer ungelösten Disharmonie schließt. Die ihm in den Mund gelegte Ballade „Der Sänger“ ist dann noch ein Kleinod für sich, von gleicher Abrundung im Ganzen wie im Einzelnen und von entzückend schönem Ton, der selbst einen schwerer wiegenden Inhalt erseßt. Die Herrlichkeit und zugleich die Heimatlosigkeit der Poesie tritt hier so frei und zufrieden hervor, auf romantischem Hintergrund erscheint das Ganze leicht hingehaucht, der irdischen Schwere entkleidet, wie das Schiller für die Kunst fordert. Um so mehr darf auffallen, daß in der Ausgabe von 1795 gelesen wird:

Laßt einen Trunk des besten Weins

In reinem Glase bringen

wo jezt mit sehr einleuchtender Verbesserung:

In purem Golde reichen

Dies nicht nur edler und phantasiereicher, sondern auch den wahren und tieferen Sinn des Gedichtes erst ganz ausprägend. Einen reizenden Contrast bildet Philinens leichtfertiges Liedchen :

Einget nicht in Trauertönen

Von der Einsamkeit der Nacht

Ein Lied, in dem die Sängerin sich ganz personificirt und das eben durch ihre im Roman gegebene Persönlichkeit noch sehr an Inhalt und Ton gewinnt.

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