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XXIV.

Wilhelm Meisters Tehrjahre.

Goethe hat auch diese Periode mit einem Roman bezeichnet und zwar mit einem solchen, der in der Reihe der Werke eine hohe Bedeutung hat und nach mehr als Einer Seite Aufschluß giebt über das innerste Wesen des Tichters. Die genauere Zergliederung dieses, so wie seiner übrigen Romane muß Andern überlassen bleiben, wir sprechen davon nur, sofern dies Werk zur Ganzheit des Dichters unerläßlich ist und von ihm Verständniß ausgeht. Goethe zeigt sich hier in seiner vollsten männlichen Kraft, in dem größten Reichthum seiner Anschauungen und Gedanken, in der leichtesten und kühnsten künstlerischen Production. Wenn an ihm vor Allem gerühmt wird, daß er das Bild der Welt scharf und klar, wie ein reiner und ebener Spiegel, in sich aufgenommen habe, so tritt das nirgend unverkennbarer hervor als gerade hier; bei der größten Mannigfaltigkeit, ja Buntheit, ist allerorten die überraschendste und ergreifendste Wahrheit, die Gestalten sind freilebendig, von Blut durchströmt, jede in ihrem eigenen Gedanken- und Gefühlskreise, und wiederum tritt die ganze Umgebung mit illusorischer Kraft entgegen: nie zuvor hatte man in deutscher oder anderer Sprache ein Werk gesehen, das so die Welt zeigte gleich einer Cameraobscura; man hat nicht mehr Bild und Kunst, man glaubt Wirklichkeit zu haben. Auf dieser Seite ist Wilhelm Meister ein Höhenpunkt Goetheschen Schaffens um so bewundernswerther, da er

zunächst einen didactischen Zweck im Auge_hatte. *)

*) Goethe schreibt am 5. August 1778 an Merd: „Auch hab' ich eine Bitte,

Solchen Eindruck machte denn das Werk auch auf Schiller und alle Empfänglichen der Zeit bei seinem Erscheinen, ja es hatte die Kraft, selbst die Unempfänglichen zu rühren. Nachdem Schiller das erste Buch gelesen hatte, schreibt er in voller Bewegung (am 9. December 1794): Herr von Humboldt hat sich recht daran gelabt und findet, wie ich, Ihren Geist in seiner ganzen männlichen Jugend, stillen Kraft und schöpferischen Fülle." Dann: „Die kühnen poetischen Stellen, die aus der Fluth des Ganzen wie einzelne Blize vorschlagen, machen eine treffliche Wirkung, erheben und füllen das Gemüt. Ueber die schöne Charakteristik will ich heute noch nichts sagen; ebenso wenig von der lebendigen bis zum Greifen treffenden Natur, die in allen Schilderungen herrscht und die Ihnen überhaupt in keinem Producte versagen kann. Von dre Treue des Gemäldes einer theatralischen Wirthschaft und Liebschaft kann ich mit vieler Competenz urtheilen, indem ich mit beiden besser bekannt bin, als ich zu wünschen Ursache habe." Ein wenig anders freilich lautet Schillers späteres Urtheil, vom 20. October 1797 (Br. 374), es muß aber wohl um so mehr hier stehen, als es zugleich in allgemeinerer Beziehung sehr beachtenswerth sein dürfte: „Auch den Meister habe ich ganz kürzlich wieder gelesen, und es ist mir noch nie so auffallend gewesen, was eine äußere Form doch bedeutet. Die Form des Meisters, wie überhaupt- jede Romanform, ist schlechterdings nicht poetisch, sie liegt ganz nur im Gebiet des Verstandes, steht unter all seinen Forderungen und participirt auch von allen seinen Grenzen. Weil es aber ein ächt poetischer Geist ist, der sich dieser Form bediente, und in dieser Form die poetischen Zustände ausdrückte, so entsteht ein sonderbares Echwanken zwischen einer prosaischen und poetischen Stimmung, für das ich keinen rechten Namen weiß. Ich möchte

daß, wenn du mehr so was schreibst, daß du mir weder direct noch indirect ins theatralische Gehege kommst, indem ich das ganze Theaterwesen in einem Roman, wenn das erste Buch, deffen Anfang du gesehen haft, fertig ist, vorzutragen bereit bin."

sagen: es fehlt dem Meister (dem Roman nämlich) an einer ge= wissen poetischen Kühnheit, weil er, als Roman, es dem Verstande immer recht machen will und es fehlt ihm wieder an einer eigentlichen Nüchternheit (wofür er doch gewissenmaßen die Forderung rege macht), weil er aus einem poetischen Geiste geflossen ist. Buchstabiren Sie das zusammen, wie Sie können, ich theile Ihnen bloß meine Empfindung mit." Unzweifelhaft liegt dieser Empfindung ein Wahres, ja ein wahres Kunsturtheil zum Grunde; der Roman ist aus allzu verschiedenartigen Elementen zusammengebaut, aus der entschiedensten Prosa und der entschiedensten Poesie; leßtere wirkt im Einzelnen da, wo sie eintritt, um so vortheilhafter, allein im Ganzen bleibt der Zwiespalt, der den bedrängten Dichter zuleßt sogar ins Mystische und Abenteuerliche trieb.

So können wir denn überhaupt jezt freier und unbefangener urtheilen. So dreist in die Schauspielerwelt hineinzugreifen und inmitten des verworrenen Treibens, worin sich aber das Menschliche um so unverhüllter zeigen kann, einen lehrhaften Kunstroman aufzubauen, war ein sehr glücklicher Gedanke, damals, wo alle Kreise so großen Antheil nahmen an dem aufblühenden deutschen Theater, nur noch um so zeitgemäßer und lohnender. Diese Region als Ausgang hatte außerdem noch die besonderen Vortheile, daß bei dem Aufsteigen in höhere Regionen eine gute Folie gewonnen wurde, dann daß sich alles Abenteuer, ja viel Außerordentliches ohne Zwang hier anknüpfen ließ. Der Dichter kannte diese Welt genugsam, um theils nach der Natur zu zeichnen, theils in deren Sinne frei zu schaffen. Aber auch wo er in höhere Kreise emporsteigt, sind auf allen Stufen Charaktere und Sitten auf das sicherste, meisterlichste unterschieden, man glaubt überall Portraitfiguren zu sehen: vielleicht giebt es kein zweites Werk, das in dieser Art so reich wäre. Der Wirrwar des Schauspielerlebens verlangte den Gegensaß der Ordnung, die Vertiefung in so Weltliches auch eine mehr geistliche Stimmung. Wenn das richtig gefühlt war, so ging Goethe, der auch hier Studien und Modelle hatte, darin vielleicht ein paar Schritte zu weit.

Gründlich hat der Dichter die Sentimentalität abgethan, und statt des übermäßig herausgekehrten Gemütslebens tritt mancherlei Didactisches ein, so daß sich hier Praxis und Theorie trefflich ver einigen - es ist daraus die spätere lehrhaft betrachtende Novelle Tiecks geworden. Aber nun ging auch die unmittelbare Vereinigung des Romans mit poetischem Inhalt verloren, dies fühlte der Dichter wohl und die Folge war, daß er in einzelnen Gestalten das Poetische gewaltsam hervorzog: Mignon und der Sänger. Ihre Einführung auf dem wesentlich prosaischen Hintergrunde gab aber nachher die größte Schwierigkeit und der Dichter mußte sich zuleßt zu dem tragischen Ausgang, dem Selbstmord des Sängers, entschließen, der, wie mit Recht bemerkt worden, für den Roman, und wir sehen hinzu, für diesen Roman, sehr wenig paßt. Für Mignon, so wird überliefert, hatte er ein bestimmtes Vorbild. Jm Briefwechsel mit F. H. Jacobi (S. 9 Anm.) lesen wir: Antoinette Gerold, eine entfernte Verwandte des Schlosserschen Hauses, Goethen von früher Jugend her leidenschaftlich anhänglich, soll den ersten Anlaß zum Bilde der Mignon in Wilhelm Meister gegeben haben.

Bei aller Bewunderung der darstellenden Kraft und der poetischen Elemente im Einzelnen, können wir darum dem Wilhelm Meister als Kunstwerk nicht einen gleich hohen Rang einräumen. Der Dichter hat allzu viele Personen eingeführt, allzu viele Fäden angesponnen, in denen er sich zuletzt verwickelt. Er ermattet gegen den Schluß und löst eilig und gewaltsam. Kämen hier gegen das Ende nicht noch einige sehr sinn- und geistreiche Züge vor, die Rettung des Felix durch dessen Angewöhnung aus der Flasche zu trinken, so würde der lahme Ausgang noch viel mehr zu Tage liegen. Es bleibt im Ganzen doch eine gewisse Planlosigkeit, ja ein gewisser Leichtsinn; mehr als einmal scheint der Dichter von der Laune des Zufalls geleitet und verschlagen, und Liebhabereien bringen Längen hervor. Was ich die Grazie des Zufalls nennen möchte, spielt besser seine Rolle in der Novelle als im Roman. Goethe selbst nennt nun auch, in den Tag und Jahresheften das Werk eine der incalculabelsten Productionen“, man möge

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es im Ganzen oder im Einzelnen betrachten. Und dem entspricht nun auch die Tendenz. Die Moral tritt am Schluß in den Worten hervor: Du kommst mir vor wie Saul, der Sohn Kis, der ausging seines Vaters Eselinnen zu suchen, und ein Königreich fand", Worte, auf welche der Dichter selbst auch deshalb ein be= sonders Gewicht legt in Eckermanns Gesprächen (I, 194), und er erläutert sich dahin: „daß der Mensch, trog aller Dummheiten und Verwirrungen, von einer höheren Hand geleitet, doch zum glücklichen Ziel gelange", ein Saß, bei dem Goethe wohl viel an seine eigenen Schicksale gedacht hat. Stimmt man auch gern der höheren Leitung bei, so ist doch die Moral eben nicht groß, die Lehre nicht sehr belehrend. Es läuft hinaus auf ein passives Sich-Gehen, Sich-Treibenlassen, das hier in Einem Falle gut ablief, aber in den meisten gefährlich sein wird. Die Lebensansicht ist bequem, aber wehe, wenn sie jemals eine allgemeine werden fönnte !

Man bemerkt in dem Roman eine große Verschiedenheit, Anfang und Schluß wollen nicht zu einander stimmen, sowohl in der Composition als im Ton. Daß Wilhelm Meister der Kunst entsagen soll, daß er sich unfähig zu ihr fühlt und ganz andere Lebensbahnen einschlägt, hat schwerlich im ursprünglichen Plan geLegen und so weichen überhaupt die späteren Bücher gar sehr von den früheren ab. Die ersten sechs Bücher waren im Jahr 1785, also noch vor der italienischen Reise, fertig, der Abschluß mag zum Theil um 10 Jahre älter sein, der Dichter befand sich hier auf einem ganz andern Standpunkt. Durch diese Ungleichheit, die durch das Mysteriöse des Ausgangs wohl zum Theil verdeckt werden sollte, unterscheidet der Roman sich wesentlich einerseits vom Werther, andererseits von den Wahlverwandtschaften, welche beide aus Einem Guß sind.

Obwohl Wilhelm Meister in den Jahren 1795 und 96 n der Ungerschen Ausgabe erschien, liegt seine Abfassung doch im Wesentlichen vor der nähern Bekanntschaft mit Schiller, welche vom 18. Juni 1794 zu datiren ist; in der That hat das Stück

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