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Nacht von dem Fremdling erhalten. Leider ist Phlegons Erzählung am Anfang fragmentirt. Die Sage von Verstorbenen, welche, vampyrartig, Nachts den Lebenden nahen, ihr Blut gierig saugen und ihnen selbst den Tod bringen, lebt auch heute noch in Serbien und andern Gegenden, ein unheimlicher Glaube, welcher wohl die Phantasie eines Dichters erregen konnte, zumal eines jungen.

Nun aber nahm Goethe den Stoff, dessen Grundton ihm aus der Jugend nachklang, in reiseren Jahren auf und wendete an ihn alle Mittel der Kunst, ja sogar eine gewisse Plastik, vielleicht nicht in jeder Art zum Vortheil des Gedichtes. Der Dichter suchte hier bestimmte Umrisse zu geben und zu motiviren, wo, meines Erachtens, leichteste Andeutung und ein romantisches Helldunkel besser am Ort gewesen wäre. Die Eltern haben die Beiden frühe schon einander bestimmt: dadurch soll offenbar dem neuern Leser die nächtliche Vertraulichkeit mehr eingänglich gemacht werden; ich stimme darin nicht bei, noch weniger aber wenn hier sogar der Unterschied der Religion herbeigezogen wird;

Er ist noch ein Heide mit den Seinen

Und sie sind schon Christen und getauft

was sich ohnedies nur höchst unbequem in lyrischem Vers berichten ließ. Ja noch mehr:

Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb' und Treu

Wie ein böses Unkraut ausgerauft.

Dabei aber sagt das Mädchen, welche todt und als Leiche ihrem Geliebten erscheint, doch die Worte:

Mich erhältst Du nicht, Du gute Seele,
Meiner zweiten Schwester gönnt man Dich,
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,

Ach! in ihren Armen denk' an mich! u. s. w.

Hier nun tritt sogar noch die Eifersucht hinzu, um die Situation

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vollends complicirt zu machen. In der Ausführung fehlt es nicht an treffenden, starken, wohlgestuften Zügen; ihr ist um die Geisterstunde erst wohl aber sie sollte wohl auch erst in dieser erscheinen gierig schlürft sie mit blasfem Munde den dunkel blutfarbigen Wein, was eben auf das Blut überführen soll; der Jüngling thut desgleichen, wird lieberglüht, verlangend, sie widersteht, er wirst sich „liebekrank“ auf das Bett,

„Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder.“

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Bedeutend auch die Worte, mit denen das Mädchen die Mutter an= redet und nun ihre Natur entdeckt, aber hier wieder die motivirende Zeile:

Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Als noch Venus heitrer Tempel stand

Und dann:

Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,

Noch den schon verlornen Mann zu lieben

Und zu saugen feines Herzens Blut.

Ist's um den geschehn

Muß nach andern gehn,

Und das junge Volk erliegt der Wuth.

Mir ist das Gedicht, das schon in seinem Grundgedanken abstößt und nicht bloß schauerlich, sondern widrig ist, denn es handelt sich um Liebesgenuß mit der dem Grab Entstiegenen, nun ganz besonders in dieser complicirten Ausführung und Motivirung von jeher das Gegentheil eines reinen poetischen Genusses gewesen, und dazu kommt das Metrum. Dies ist offenbar mit Absicht gewählt, die

kurzen Zeilen sollen das Unheimliche ausdrücken; allein auch das wird in der Wiederholung so vieler Strophen nur unangenehm und mißtönend. Das Ganze hat in meinen Augen viel Absichtliches, unorganisch Ueberfülltes, überhaupt zu viel Arbeit, außerdem auch Ungleichheit des Tones und mancherlei eingesprengte Prosa. Den Dichter des Erlkönigs erkenne ich hier nicht wieder. Die Wahl des Stoffes war wohl keine glückliche, am wenigsten durfte er so behandelt werden; daß darin dunkle Schlagschatten auf das Christenthum geworfen werden, ist noch ein Besonderes.

Die Fabel an sich betrachtet, ist nicht außer Zusammenhang mit der antiken Vorstellung, der wir in der Odyssee begegnen, daß nämlich die Schatten, um Gestalt, Leben und Sprache zu gewinnen, erst von dem Thierblut der Opfer trinken müssen; hier jedoch haben wir nicht Schatten, sondern vielmehr den Leichnam, und die Sache geht entschieden ins Vampyrische, wie denn Goethe selbst in einem Brief an Schiller sein Gedicht so bezeichnete. Verglichen mit dem Stoff der Bürgerschen Leonore bleibt die gegenwärtige Fabel an poetischem Gehalt weit zurück, denn dort haben wir mehr das Geisterhafte, die Erscheinung, hier aber sehr zur Unzeit, das Leibhafte. Handelt es sich auch nicht, wie gemeint worden, unmittelbar um sinnlichen Verkehr mit der Leiche, denn es geht ja eben das Trinken des blutähnlichen Weins vorher und gerade will der kalte Tod hier wieder Blutwärme erringen, so kommt doch jedenfalls die unverholenste Sinnlichkeit in eine gefährliche Nähe des Leichenhaften, und daraus erwächst ein Hautgout, der mehr Ekel als Schrecken erregt. Die wohlgemeinten Versuche, das Gedicht zu schüßen, müssen hier scheitern. Goethe aber ist reich genug, um auch verlieren zu können. Recht auffallend, daß wir von Schiller, der schwerlich sympathisiren konnte, kein Wort des Urtheils über das Gedicht besißen; Goethe scheint daraus nach seiner Weise ein Geheimniß gemacht und es unmittelbar vor dem Druck des Almanachs übergeben zu haben.

Gleichfalls einer frühen Zeit gehört die Conception des Gedichtes „der Gott und die Bajadere" an, dessen Inhalt Goethe

in der unscheinbarsten Darstellung des Abraham Roger *) erkannte, auf den er durch Herder aufmerksam wurde; die Zeit der Ausführung liegt wiederum weit ab, denn auch dieses Stück wurde für den Musenalmanach, und zwar für das Jahr 1798, geschrieben. Die indische Mythologie hat mancherlei Incarnationen der Götter und ebenso Besuche derselben unter den Menschen, um deren Tugend zu erforschen, ihr Wohl und Wehe kennen zu lernen; wiederum ist die Sitte bekannt, daß indische Frauen ihrem Gatten in den Tod folgen, deren Scheiterhaufen sich weihend. Dies das Grundgewebe, auf welchem der Inhalt des Gedichtes sich entfaltet. Die der Sünde verfallene Schöne wird durch die Nähe der Gottheit zur wahren Liebe und zu ihrer besseren Natur zurückgeführt, so daß sie, nach Gattenpflicht, dem Geliebten in den Tod folgen will, während denn der Gott fie rettend emporhebt:

Unsterbliche heben verlorene Kinder

Mit feurigen Armen zum Himmel empor.

Eine humane Anschauung, der hier unter dem fremdartigen Colorit ein eigenthümlicher Reiz abgewonnen ist, so daß das Gedicht nicht nur zu den besten, sondern auch zu den am meisten kennzeichnenden Werken des Dichters gehört. Es ist in mancher Beziehung das Gegenstück zur Braut von Corinth, aber das glücklichere; es steht derselben auch darin gleich, daß wir hart an der prägnantesten Sinnlichkeit vorbeigeführt und sogar mit dem „verlorenen schönen Kind" zu thun bekommen, das uns die gemalten Wangen" nur zu anschaulich machen. Die Prostitution ist nun freilich kein günftiges Gebiet für die Poesie, sie hat in so großer Nähe der Gottheit wieder einen gewissen Hautgout, doch gleicht das indische

*) Das Original ist holländisch: Abr. Roger, opene Dewre to het verborgen heidendom, Leyden 1651; deutsch: Offene Thür zum verborgenen Heidenthum. Nürnberg 1653, pag. 346. Französisch: Le théatre de l'idolatrie trad. par Th. La Grue. Amsterd. 1670. Herder hatte bereits in seinen zerstreuten Blättern die in dem Werk enthaltenen indischen Sprüche benutzt.

Colorit hier manches aus. In dem Wechsel der Form hat der Dichter, gleichsam musikalisch, den Tanz veranschaulichen wollen, die hüpfenden Maaße sind überdies den Trochäen günstig, denn diese erscheinen, wo sie eintreten, um so gemessener und ernster; dagegen haben die Dactylen, wo ihnen nicht ganz der angemessene Juhalt gegeben werden kann, in dem längeren Gedicht eine schwierige Stellung.

Ein vorzügliches Stück aus eben dieser Zeit ist „der Zauberlehrling". Der Gedanke, daß dem Anfänger der Zauberkunst das Wunder über den Kopf wächst, kehrt in mancherlei Gestalten in Ueberlieferung und Volkspoesie wieder; Goethe entnahm, wie Riemer uns die Spur weist, seine besondere Gestalt einer Erzählung bei Lucian, nämlich dessen Lügenfreund, sehr wahrscheinlich nach dem ersten Band der Wielandischen Ueberseßung. Hier ist es ein Besen und der Stößel eines Mörsers, welche auf Zauberwort hülfreiche Dienste verrichten. Der Stößel trägt, der Zauberformel gehorsam, Wasser herbei, der Jünger gebietet mit gewöhnlichem Wort Einhalt, jener fährt fort Wasser zu tragen, denn ach, es fehlt die entsprechende Formel. Der Gedanke ist von so vielfacher Bedeutsamkeit, daß die glückliche Fassung, allerorten anziehend, klar und lebhaft, für einen besonderen Gewinn der deutschen Poesie gelten darf.

Aus den Jahren 1797 und 1798 sind die Balladen von der schönen Müllerin, ein anmutiger Cyclus von vier Stücken. Vielleicht und wahrscheinlich war das ursprüngliche der Müllerin Verrath, dies nämlich ist freie Bearbeitung einer französischen Romanze, En manteau, manteau sans chemise et cet. (in dem Recueil des plus jolies chansons de ce temps. Paris 1764); Goethe scheint die andern Stücke nur von diesem Mittelpunkt aus gebildet zu haben: und das eben war die Art, wie er das fremde Stück sich aneignete. Aehnliches habe ich vermuthet für das Jacobi gehörige Stück (f. o.), und der Cyclus bekäme dadurch noch ein ganz neues Interesse; überdies durch die Nachfolge von Wilhelm Müller.

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