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Goethe, daß er nichts Schwächeres liefern dürfe als Hermann und Dorothea, das diesem Werk so reich zufließende Lob, das ihn auf den Gipfel des deutschen Parnasses erhob, machte ihn selbst ein wenig befangen, legte ihm, zumal für die Poesie und für die verwandte Gattung, hohe Verpflichtungen auf. Und, wie wir dar= legten, die Umstände, welche Hermann und Dorothea begünstigten, die Constellation, welche dieser leuchtete, war so einziger Art, daß sie sich nicht wiederholen konnte. Der Stoff, wenn auch im Einzelnen interessant und poetisch blieb doch hinter Hermann zurück, es fehlt eben der große Hintergrund, das Vaterland. Goethe fühlte wohl, daß auch eine neue Form zwar abscheiden, aber nicht aufhelfen könne. Außerdem verlangt die Durchführung der Stanze in einem längeren Gedicht so viel Arbeit und Zeit, als sie ihm in den nächsten Jahren nicht wieder zu Theil wurde. Dazu, daß er schon längere Zeit sich mit dem Gedanken trug, nach Art des Decamerone des Boccaz oder der Tausend und Einen Nacht, eine Reihe von kleineren Werken durch einen leichten Faden anmutig zu verbinden. Hier nun war Unterkommen für manches, das als selbständiges Werk nicht vollgültig erschien.

Goethes Vorliebe für das Epos war durch das Gelingen seines Hermann so hoch gesteigert worden, daß außer dem eben genannten ihn lebhaft ein anderer epischer Stoff beschäftigte: tein anderer als Tell. Im Jahr 1797, also kurz nach Vollendung des Hermann, machte Goethe seine zweite Schweizerreise und hier, im Angesicht der bezüglichen Natur, stieg ihm der Gedanke auf; wie hätte jezt auch nicht der erste epische Stoff, der ihm entgegenkam, ihn ergreifen sollen, zumal wenn die Natur mitwirkte! Wir lesen in den Tag und Jahresheften die kurzen Worte: „Zum drittenmal besucht' ich die kleinen Cantone, und weil die epische Form bei mir gerade das Uebergewicht hatte, ersann ich einen Tell unmittelbar in der Gegenwart der classischen Dertlichkeit.“ Näheres findet sich in dem Briefwechsel mit Schiller vom 14. October: Was aber werden Sie nun sagen, wenn ich Ihnen vertraue, daß zwischen allen diesen prosaischen Stoffen sich auch ein poeti

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scher hervorgethan hat, der mir viel Zutrauen einflößt. Ich bin fest überzeugt, daß die Fabel vom Tell sich werde episch behandeln lassen und es würde dabei, wenn es mir, wie ich vorhabe, gelingt, der sonderbare Fall eintreten, daß das Mährchen erst durch die Poesie zu seiner vollkommenen Wahrheit gelangte, anstatt daß man sonst, um etwas zu leisten, die Geschichte zur Fabel machen muß. Doch darüber künftig mehr. Das beschränkte, höchst bedeutende Local, worauf die Begebenheit spielt, habe ich mir wieder recht genau vergegenwärtigt, so wie ich die Charaktere, Sitten und Ge= bräuche der Menschen in diesen Gegenden, so gut als in der kurzen Zeit möglich, beobachtet habe, und es kommt nun auf gut Glück an, ob aus diesem Unternehmen etwas werden kann." Schiller verspricht sich, es ist anziehend, es mit seinen eigenen Worten zu lesen, viel von dem Stoff, man könne sich ins Große und Allgemeine erheben, das wie die Ferne durch ein Felsthor hereinscheinen werde, ein solcher Tell sei überdies das Einzige, was Goethe nach Hermann und Dorothea noch bringen dürfe. Am 6. December nach Weimar zurückgekehrt, spricht Goethe, er wolle zunächst zum Faust gehen, um diesen loszuwerden, und dann sich zu einer reineren Stimmung vorzubereiten, „vielleicht zum Tell." Dann schreibt er vom 30. Juni 1798: „Das Beste, was mir indessen zu Theil geworden ist, möchte wohl die Motivirung der ersten Gesänge des Tells sein, so wie die klarere Idee, wie ich dieses Gedicht in Absicht auf Behandlung und Ton ganz von dem ersten trennen kann, wobei unser Freund Humboldt gelobt werden soll, daß er mir durch die ausführliche Darlegung der Eigenschaften des ersten das weite Feld deutlich gezeigt hat, in welches hinein ich das zweite spielen kann. Ich hoffe, daß Sie meine Vorsäge billigen werden."

Man sieht hieraus, daß Goethe im Tell epischer zu sein, daß er einen höheren Ton anzustimmen gedachte. Ueber die Form, welche das Gedicht haben sollte, hat er sich nicht bestimmt geäußert, doch geht aus den Tag- und Jahresheften (Bd. 31, S. 185) hervor, er habe Herameter im Sinne gehabt, denn er giebt zu verstehen, die Unsicherheit der deutschen Prosodie und die Meinungs

verschiedenheit der Stimmführer (er spricht hier aber als sein Apologet) zähle mit unter den Gründen, welche die Ausführung des Gedichts verhindert. Ebenda giebt er auch mancherlei Andeutungen über Inhalt und Plan, die in Vergleich zu Schillers Werk unser ganzes Interesse besigen. Tell und Geßler sollten die Hauptpersonen sein, jener eine riesenhaften Gestalt, eine Art Lastträger, der sein Leben lang Thierfelle und sonstige Waaren durchs Gebirg herüber und hinüber getragen, unbekümmert um Herrschaft und Knechtschaft, dieser „einer von den behaglichen Tyrannen, welche herz- und rücksichtslos auf ihre Zwecke hindringen, übrigens aber leben und leben lassen", gelegentlich auch humoristisch. Das Ganze sollte „etwas Läßliches“ erhalten, dabei aber doch gemessen fortschreiten. Die älteren Schweizer sollten dann an Besiß, Ehre, Leib und Ansehen verlegt, das sittlich Leidenschaftliche zur Gährung und zum endlichen Ausbruch treiben. Gewiß war die Sache noch weiter vom Ziel, als es dem Dichter den Anschein hatte; er selbst sagt, durch die Rücksicht auf die Form sei ihm das Zweifelhafte noch ungewisser geworden." Man weiß, daß er den Stoff Schiller überließ, der gleichzeitig nach seiner Weise in Gedanken mitgearbeitet hatte. Goethe that dies um so lieber, als der Stoff bald für ihn den Reiz der Neuheit verloren hatte, er trat ihn gern und förmlich" ab, wie so manches andere, z. B. die Kraniche des Jbycus. Das deutsche Volk wird es ihm stets Dank wissen.

VII.

Achilleis.

Im Jahr 1799 beschäftigte Goethe der Gedanke ein größeres heroisches Epos von griechischem Stoff und griechischem Charakter zu dichten. Er gedachte hier nicht nur die homerische Form und den homerischen Ton noch bestimmter anschlagen, sondern recht eigentlich mit Homer den Wettstreit wagen, ohne doch den neuern Dichter ganz zu verleugnen. Wachsende Begeisterung für die Ilias, dann aber auch Schlegels Lob von Hermann und Dorothea und dessen Zusammenstellung des Gedichtes mit Homer befestigten ihn in diesem Vorhaben. Er wollte einen Stoff behandeln, der zwischen Ilias und Odyssee mitten inne läge und einigermaßen die Lücke ausfüllte. Schiller bestärkte ihn darin, wie der Briefwechsel davon ausführliches Zeugniß giebt, und noch in seinen lezten Lebensjahren nannte der Dichter (gegen Eckermann) unter dem, was er Schiller verdanke, obenan die Balladen und die Achilleis. Das Werk war reich und umfänglich gedacht und begann trefflich anzuschießen und sich zu organisiren. Im März zuerst mit Eifer erfaßt, glaubte Goethe, wenn er seine Kraft concentrire, das Werk im Herbst be= endigen zu können. Ende April sandte er den ersten Gesang an Schiller, allein damit blieb das Gedicht auch liegen, es hat nur die Zahl der Goetheschen Fragmente vermehrt. In den Jahresheften meldet der Verfasser vom Jahr 1807, daß er dem Bande seiner epischen Gedichte die Achilleis habe einverleiben wollen und in diesem Sinne das Manuscript wieder vorgenommen: „ich hatte

genug zu thun nur die beiden ersten Gesänge so weit zu führen, um sie anfügen zu können." Im Briefwechsel mit Schiller ist schon von der Gestalt gewinnenden Anlage für fünf Gefänge die Rede; wahrscheinlich aber war auch damit das Ganze noch nicht erschöpft. Nach den Jahresheften hatte Goethe den Plan aufge= zeichnet; leider ist uns nichts davon erhalten worden.

Auch das Fragment, jeßt ein einziger Gesang, hat, als es erschien, seine Freunde gefunden und kann noch immer mit Interesse gelesen werden; es ist höchst anziehend zu sehen, wie der Dichter auf diesem Felde und einer so schwierigen Aufgabe gegenüber sich be= nimmt. Dazu ist das Werk im Wesentlichen aus seiner besten Zeit, wir haben die Höhe seiner Kunstbildung und die noch nicht weichende Naturgabe. Wie hätte Goethe hier etwas Schwaches, Verfehltes machen können! So bietet denn das Werk reiche Spuren feines Geistes, und auch ihm gebührt das Verdienst den Deutschen das Griechenthum und die Herrlichkeit homerischer Poesie wieder um einen Schritt näher gebracht zu haben. Im Uebrigen sind wir nicht so philologisch gesinnt, daß wir bloß um des Stoffes und der Form willen das Gedicht sogleich für vollendet erklären und unser Kunsturtheil verleugnen könnten. Ich finde in der Achilleis nicht so viel Homerisches und auch nicht so viel epischen Stil als vielleicht auf den ersten Blick darin gefunden werden möchte. Goethe hat sich hier so stark wie möglich seinem Vorbilde annähern wollen, er hat namentlich von Vossens Uebersehung in Wendung und Wort gar manches angenommen, auch rhythmisch und prosodisch sich diesem näher zu halten bemüht, allein, seltsam genug, gerade dieser stärkere Anschluß dient nur dazu, den Abstand um so mehr zu zeigen, wenigstens für das Auge des Kenners. Wenn im Reineke und im Hermann die bescheidene Annäherung so günstig wirkte, besonders da sie nur als Anspielung erschien, als geistiger Hauch, so gilt das hier nicht, denn bei dem gleichartigen Stoff treten ernstere Ansprüche auf. Es kommt hinzu, daß dort dem Dichter eben die tiefere Verarbeitung des fremden Elementes gelungen war, hier aber, im Gegentheil, wo der homerische

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