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Ton die Grundlage bilden soll, tritt mancherlei Contrastirendes hervor und es fehlt an Einheit des Tones. Homerisches und Modernes geht neben einander, läßt weder dort noch hier heimisch werden und ist für den, welcher den füßen Stil des ionischen Sängers tiefer gefaßt hat, nur stets verlegend. Gleiches gilt nun auch vom Juhalt; dem mancherlei Schönen stellt sich ebenso viel Mißliches gegenüber, vor allem aber will das Naive und Erhabene sich hier nicht wahrhaft künstlerisch verbinden. Versen, die nahebei dem Edelsten im Homer nachgebildet sind, gehen solche zur Seite, welche im Hermann und sogar im Reineke ihre Stelle haben könnten. Die höchste Eigenschaft des Epos, das wesentlichste Erforderniß blieb hier noch unerreicht: der Stil. Der Abstand von Hermann und Dorothea, dem idyllischen Epos, zu einem wahrhaft heroischen Epos ist auch allzu groß, als daß er sogleich in einem folgenden Gedicht überwunden werden konnte, und ich meine, es war das nicht Sache des achtzehnten Jahrhunderts, selbst an seinem Schluß nicht. Für den Streit der Götter und die Scheltworte, welche sie auf einander schleudern, fehlt uns die Naivetät jenes Zeitalters, zumal wenn Ernst und Erhabenheit gewahrt werden soll. Aber es fehlt auch dem Ganzen an Einfachheit, an Fluß, an fortleitendem Faden, mancherlei Reflectirtes, mühsam Aufgebrachtes macht das Gedicht bunt und unruhig.

Und sollte Goethe das nicht selbst gefühlt haben? Wenn ein großer Dichter in der Zeit seiner Kraft etwas fallen läßt, so hat das meistens seinen inneren Grund, ohne einen solchen werden Zerstreuungen, wie stark sie auch seien, sicherlich überwunden. Man kann zugeben, daß eine unterbrochene Arbeit sich schwer aufnehmen, daß das erloschene Feuer in der Werkstatt des productivsten Dichters sich immer nur mit Mühe wieder anfachen lasse, man kann sogar hoch anschlagen, daß später der theilnehmende, zur Fortfüh rung antreibende Schiller fehlte, allein es ist doch schon auffallend, daß vom Mai 1799 bis zum Tode Schillers in den Briefen nicht mehr von der Achilleis die Rede ist, namentlich daß Schiller plößlich aufhört anzutreiben. Goethe machte sich gleich zu Anfange

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Bedenken: der Stoff sei vielleicht zu tragisch für epische Behandlung, aber die Breite, zu der er hinzog, schien dies doch aufzuwiegen; ferner daß der Stoff nur ein persönliches Interesse habe, während die Ilias die Völker und Erde und Himmel umschließe (Br. 472). Er sah sich später zur Einmischung der Götter genöthigt, aber eben diese brachten große Schwierigkeit für die Handhaburg, zumal auf die Länge. So bin ich denn eben der Ansicht, daß die Mißlichkeit des Unternehmens mit dem Fortschritt des Ge= dichtes zum Vorschein kommen mußte. Hatte der nahe Anschluß an homerische Vorstellung, Art und Form bei einem kurzen Gedicht sein Anziehendes, so wurde er bei längerem eine lästige Maske, der Dichter erschien hier als reiner Nachahmer, und selbst als solcher mußte er mit jedem ferneren Gesang eine üblere Rolle spielen. Auch das gewollte Eingehen auf Vossens metrische und prosodische Principien, schäßenswerth als Zugeständniß, konnte doch dem Dichter nur nachtheilig sein, denn es wurde damit ein Maaßstab in die Hand gegeben, dem er keineswegs gewachsen war. So ist es denn nicht zufällig, daß das Werk seine Vollendung nicht erreichte; die Achilleis mußte Fragment bleiben, ihrer inneren Natur nach. Goethes gesundes Gefühl siegte, wenn man auch nicht verlangen wird, daß er vor der Welt förmlich eingestehen soll, etwas Unausführbares unternommen und von falschen Hoffnungen getäuscht worden zu sein. Soll doch der Löwe des verfehlten Sprunges sich schämend, ihn nicht wiederholen.

VIII.

Die natürliche Tochter.

Goethe ist nicht weniger von der französischen Revolution berührt worden als Schiller, allein in ganz anderer Weise. Der um zehn Jahr Jüngere nahm Theil an den Grundsäßen und Ge= danken, die hier auftauchten, knüpfte Hoffnungen an dieselben und trauerte tief, als alles in Flammen aufging. Goethe, zufolge seiner Natur nicht minder als der Hofluft, nahm sogleich eine abwehrende Stellung ein, suchte anfangs durch Humor und Satire darüber fortzukommen, zog aber, als das Phänomen kolossale Dimensionen annahm und das Vaterland bedrohte, auch ernstere Saiten auf. Wie er alles, was ihn stark von außen berührte, künstlerisch zu verarbeiten und dadurch zu überwinden suchte, so auch die Stürme des westlichen Nachbarlandes und den von dort ausgehenden Umsturz der Gesellschaft. Der erste Schritt dieser Art war in Hermann und Dorothea gethan, er rüstete sich aber sogleich einen zweiten zu thun.

Als das epische Gedicht so ganz über Erwartung gefiel und Goethe meinte, es sei im Wesentlichen das stoffliche Interesse, da warf er gegen Schiller das Wort hin: „Ich überlege jezt, ob man nicht auf eben diesem Wege ein dramatisches Stück schreiben könnte" ich glaube allerdings, daß hier schon an die natürliche Tochter gedacht ist, welche wir bald darauf erwachsen sehen. Goethe war aber darüber verschwiegener als über sein Epos und holte selbst Schillers Rath diesmal nicht ein. Wenn es schon kühn war,

im epischen Gedicht die unmittelbare Gegenwart zu behandeln, so war das im Drama noch ungleich gewagter, zumal dort nur das Allgemeine zur Sprache kam, hier aber historische und lebende Personen auftraten, zugänglicher und gekannter als im Clavigo. Goethe war wieder von französischen Memoiren angeregt, er wollte diese (die Bourbon-Contischen) ebenso wie jene des Beaumarchais ins Drama sezen, allein nicht so skizzenhaft, sondern in ein Drama höchsten Stils, mit Anklang an die Tragödie der Alten.

Die natürliche Tochter hat sehr verschiedene Beurtheilung erfahren. Es fehlt nicht an solchen, welche ihr die oberste Stelle unter den Goetheschen Werken einräumen möchten, die hier nach Inhalt und Form das Edelste, das am meisten Klassische erblicken; zu ihnen zählt ein Theil der Freunde des Alterthums. Andere wieder fassen ganz besonders den Abstand von den frühern lebensfrischen Werken des Dichters auf, und wollen hier dessen Abfall von sich selbst, ja die deutlichsten Spuren der Ermattung wahrnehmen. Namentlich seit Huber, nicht Schlegel, wie öfters gemeint wird, das Bonmot in die Welt geworfen: marmorglatt aber marmorfalt, ist dies von Vielen aufgegriffen worden, und neueste Darsteller der nationalen Literatur ereifern und erhißen sich gar sehr, das Werk frostig und abstoßend zu finden, wobei aber auch politische Leidenschaften im Spiel sein möchten. Auch ich bekenne mich nicht zu den unbedingten Verehrern des Werkes, und habe schon verschiedentlich auf seine schwache Seite hingedeutet, allein es gilt hier Besonnenheit und Gleichgewicht zu bewahren und gerade, gegenüber der großen Meinungsverschiedenheit, nur sorgsamer abzumessen. Hat das Stück seine Gebrechen, so liegen sie, wie ich glaube, ganz wo anders, und sie müssen historisch aufgefaßt werden.

Vor allen Dingen ist der damalige Standpunkt der poetischen Kunst und des sich gestalten wollenden Theaters festzuhalten. Shakespeare hatte die alten Formen gestürzt, ohne eine neue zu ergeben, man hatte neben ihm immer noch das Muster der Griechen, ohne eine Ausgleichung zu finden. Man war eben im Stadium des Suchens, des Experimentirens. Man wollte ins Große, ins

Tiefe, und glaubte dem sogar die Form opfern zu dürfen, ohnedies mochte die Trilogie der Alten, von der man nur dunkle Begriffe hatte, auch zur Ausdehnung verleiten. Es ist bekannt, wie weit Schiller sich im Wallenstein ausbreitete, der anfangs nur ein einziges Stück werden sollte; Goethe, der dies später tadelt, befand sich doch hier in gleichem Fall und war, eben wie jener sich genöthigt sah, sein großes Stück zu theilen, zur Trilogie gezwungen, wobei er erlebte, daß das Werk ins Stocken gerieth. Er trat mit dem einzelnen Stück heraus, ohne die übrigen und das Ganze zu haben. Man konnte solche Versuche damals dem Publicum bieten, es war gläubig und andächtig, und die Dichter befanden sich eben auf dem Punkt die Höhe ihres Ruhmes zu erreichen. In Weimar vollends waren sie zunächst gegen Kritik geschüßt, bei Bühnenstücken mehr als bei andern Werken. So war es denn auch wohl nicht zufällig, daß Goethes natürliche Tochter früher dargestellt als ge= druckt wurde, und zwar, wie dies aus dem Briefwechsel hervorgeht, sowohl zu Weimar als zu Lauchstädt. Nach der Weimarischen Aufführung äußert sich Caroline von Herder (in v. Knebels Nachlaß), es sei ein klassisches Stück, Goethes ganz würdig, das Höchste und Schönste, das er je gemacht sie schildert die Wirkung als bedeutend und legt besonders Gewicht auf den Schluß; dies, was wir am wenigsten begreifen, wird auch von Schiller ausgesagt, der die Darstellung zu Lauchstädt sah. Auffassung und Vortrag der von Goethe geschulten Schauspieler muß hier viel gethan haben; er selbst aber, wie wir anderweitig wissen, war mit der Theaterwirkung keineswegs zufrieden. Unsere heutigen Forderungen sind nun vollends ganz andere, für eine fünfactige Tragödie haben wir einen fertigen Maaßstab. Diesem ist natürlich das Werk nicht gewachsen, denn es ist Theil einer Trilogie, und zwar einer sehr wesentlich zusammenhängenden; da nun Mittel- und Endstück fehlen, so ist das Anfangsstück nur ein Fragment, das in sich selbst keinen wahren und befriedigenden Schluß giebt, vielmehr nur eben spannt auf die Fortsetzung. Daß die Trilogie nicht zur Ausführung kam, hat sicherlich seine Gründe, sie ist in sich selbst unausführbar, nicht

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