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Hier knüpfte Herder an, er gab dem Gedanken mehr Fülle, er gab Knochengerüst, Fleisch, Blut und Leben. Die Völker erhielten Rollen in dem großen Concert, wie Partieen einzelner Instrumente, die gesammte Geschichte erschien wie ein Kunstwerk, wie eine Musik deren Partitur der Schöpfer in Händen hat, von der aber ein sinniges Ohr hie und da etwas abmerken kann. Dieser mächtige Gedanke ist tief in die spätere deutsche Philosophie übergegangen, und während Schelling sich mit ähnlichen Anschauungen der Natur zuwandte, und ihn hier als etwas Neues brachte, wendete Hegel in solcher Weise seine Vorliebe der Geschichte zu. Er hat mit seiner Philosophie der Geschichte vorzugsweise Glück gemacht, in sehr verschiedener Art, ebensowohl bei den damaligen Staatslenkern als bei dem zum Theil ganz anders gesinnten Publicum. Hier wurde alles auf eine abstracte Formel gebracht; der Philosoph selbst besigt das Recept der Geschichte. Es ist nicht das erste Mal, daß Dinge in ihrer Uebertreibung und Ausartung mehr Eindruck machen, als in ihrer Wahrheit - - d. h. bei untergeordneten Geistern, bei roherer Fassungskraft.

Endlich ist nicht zu übergehen, daß Herder, anfangs ein Schüler Kants, später entschiedener Gegner der Kantischen Philosophie wurde. Er griff die lettere in mehreren Schriften an, welchen mehr Be= deutung beizumessen ist, als von den später herrschenden Schulen geschehen. Der Kritik der reinen Vernunft stellte er ein zweibändiges Werk: „Metakritik der reinen Vernunft" entgegen und der Kritik der Urtheilskraft, welche die Kantische Aesthetik enthält, sein Werk „Kalligona“. Daß Herder auf diesem Gebiet eine Stimme hatte und die Dinge lebendiger ansah, wird auch das Vorurtheil nicht verkennen dürfen. Tiefer aber auf diese Bestrebungen einzugehen, würde hier nicht angemessen sein.

Wir schließen mit dem Ausspruch, daß Herder, nächst Lessing, unter den deutschen Schriftstellern vor Goethe derjenige sei, von welchem die größte Anregung ausgegangen. Sein Werth und Wesen besteht hauptsächlich darin, daß er die Brücke von Lessing zu Goethe bildet und sein höchstes Lob liegt darin, daß leßterer ohne ihn nicht wohl gedacht werden kann.

Neunzehntes Buch.

Johann Wolfgang Goethe.

Johann Wolfgang Goethe.")

I.

Leben. Frankfurt, Straßburg, Sesenheim.

Es giebt kaum irgend einen Dichter, dessen Werke in so nahem Zusammenhange mit seinem Leben ständen, als dies bei Goethe der Fall ist. Von den Lebensumständen mancher Dichter wissen wir sehr Ungenügendes, aber wir verlangen auch nicht eben mehr zu wissen, ihre Werke bleiben die Hauptsache und sie sprechen im Wesentlichen für sich selbst. Goethes Werke bedürfen aber in der That einer Erklärung durch seine Schicksale, schon ihre wunderbare Verschiedenartigkeit würde ohne die nähere Kenntniß der Verhält= nisse und Berührungen, unter denen er gelebt, uns großentheils unbegreiflich sein. Nun sind wir aber auch im Besiß einer sehr genauen Kenntniß dieser Verhältnisse, Goethes Leben liegt vor uns gleich einem aufgeschlagenen Buch. Er selbst beschrieb es, wenigstens einem großen Theil nach, die Briefwechsel haben sehr viel ergänzt, uns eingeführt in die innerste Geschichte seiner Werke, uns liegen Tagebücher von seiner Hand und Aufzeichnungen aus seiner nächsten Umgebung vor, die Denkwürdigkeiten vieler mit ihm in Beziehung

*) So hat Goethe stets seinen Namen geschrieben; wenn indessen frühzeitig die der Sprache angemessenere Schreibart Göthe aufgekommen ist und sich zum Theil behauptet, so liegt darin im Grunde nur ein Anerkenntniß seines allgemein deutschen Verdienstes, wie denn in ähnlicher Weise Byron unter einer anderen Aussprache seines Namens berühmt geworden.

gekommenen Personen werfen nach allen Seiten hin Licht, geben diesem Lebensbilde eine plastische Gestalt. Es erwächst hier vielmehr eine neue Schwierigkeit aus der Fülle des Stoffes.

Für uns ist noch eine andere Schwierigkeit von nicht geringer Bedeutung. Goethes Leben ist, mit sorgsamer Benußung all dieses Stoffes, mehrfach und in großer Ausführlichkeit dargestellt worden, sogar von einem Ausländer, wir kommen zuleßt und finden kaum noch etwas Neues zu sagen, während es mißlich ist, auf ungleich engerem Raum mit jenen ausgedehnten Arbeiten irgend zu wetteifern. Wir wollen sie in ihrem Werth nicht schmälern, beschränken uns hier auf das, was in kürzeren Umriß sich fassen läßt, und geben von Goethes Leben nur eben so viel, als für die Beurtheilung seiner Werke unerläßlich ist diese Werke und diese Beurtheilung, das ist für uns die Hauptsache, und hier etwas Neues zu sagen, dürfte weniger schwer sein, denn mit dem wachsenden Abstande der Zeit ändern sich Ansichten und Maaßstäbe ganz von selbst, außerdem aber mißt sich die Schäßung auch schon je nach den Aussichten, die man für die Zukunft hat. Der ruhige Beurtheiler, der an einen möglichen Fortschritt, an ein plus ultra glaubt, muß sehr natürlich sich anders äußern als der befangene Verehrer oder auch der gleich befangene Antagonist.

Goethe stammt aus einer freien Reichsstadt, aus einer angesehenen Bürgerfamilie. Er wurde am 28. August 1749 zu Frankfurt am Main geboren, in der alten wohlhabenden Stadt voll regen Lebens, in einer freundlichen Natur, nahe den noch schöneren Mainund Rheingegenden. Sein Vater, ein ernster, etwas förmlicher Mann, aus Magdeburg stammend, bekleidete kein öffentliches Amt, doch war er Doctor juris und Kaiserlicher Rath. Die Mutter, Tochter des Schultheißen Tertor, war eine Frau voll großer Lebendigkeit und von nicht gewöhnlichen Eigenschaften des Verstandes und Herzens; Goethe selbst hat zum öftern ausgesprochen, daß er ihr viel danke, ihre Briefe (in dem Briefwechsel Goethes mit einem Kinde) vereinigen in eigenthümlichster Weise Laune und Würde; ihre Duldsamkeit machte sie allen lieb. Er hatte nur eine

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