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I.

Der weftöftliche Divan.

Mit Schillers Tode und der Fremdherrschaft beginnt eine neue Periode in Goethes Leben, von der wir frische und kühne Production nicht mehr erwarten dürfen. Seine Verheiratung bildet eben hier einen großen Abschluß; er verzichtet auf eine der hauptsächlichsten Anregungen, er sucht Ruhe, er richtet sich ein für sein Alter. Der mächtig strebende Freund, der ihn unablässig zur dichterischen Thätigkeit aufrief und unwillkührlich dazu veranlaßte, war nun durch einen andern erseßt, der nur aus der Ferne, brieflich, seine Theilnahme schenken konnte. In demselben Maaß als das feurige, in den Gegenstand sich vertiefende, mit Leidenschaft sich hingebende Schaffen zurücktritt, sehen wir nach allen Richtungen hin das Interesse des Dichters sich ausbreiten und je mehr und mehr zu der Universalität sich entwickeln, die wir an seinen späteren Werken schäßen und bewundern. Goethe hat auch von hier ab dem deutschen Volk noch viel geleistet, allein in ganz anderer Art als zuvor, seine Thätigkeit theilt sich zwischen Wissenschaft und Poesie und auch diese nimmt einen ganz verschiedenen Charakter an, so daß es Viele giebt, welche sich in den auf Goethe ruhenden Erwar= tungen getäuscht sahen und wiederum solche, welche sein stets siegreiches Betreten neuer Bahnen begrüßen. Nicht leugnen läßt sich, daß jezt die Form in den Vordergrund tritt und ein gewisses Uebergewicht erlangt, allein es ist eben das Wesen des Alters, in Gemessenheit und Förmlichkeit zu verhüllen, was ihm abgeht an

schneller Beweglichkeit. Weit entfernt hier Goethe tadeln zu wollen, erkennen wir vielmehr die richtige Schäßung der Kräfte und deren weise Benußung an. Er gab was er geben konnte, und wenn wir auch jezt nicht mehr alles mit ungetheilter Bewunderung hinnehmen, so wollen wir uns dennoch auch dieser Leistungen freuen und ihnen namentlich zu gut rechnen, was sie angeregt haben. Auch beschwere man sich nicht, daß bei Goethe die Symptome des Alters etwa frühzeitig eingetreten seien, man erwäge vielmehr, daß es zugleich der Umschwung der Zeiten, der Wechsel des Jahrhunderts ist, und bringe dann auch in Rechnung, daß Goethe zu den Frühentwickelten zählt.

Die oberste Stelle unter den Herbstfrüchten des Dichters geben wir einem Kranz lyrischer Dichtungen, der uns, obwohl er sich als Nachahmung ankündigt, doch in großer Eigenthümlichkeit und seltenem Reiz entgegentritt: es ist dies der westöstliche Divan. Der Dichter, der durch seine vornehme Stellung und die Fülle seiner Arbeiten den anregenden Eindrücken des Lebens mehr und mehr entrückt wurde, empfing sie nunmehr auf anderem Wege, durch Schriften, durch Vermittelung der Gelehrten. Wie Goethe sich zu seiner Zeit den Bemühungen angeschlossen, welche den Deutschen die Tempel des Griechenthums eröffneten und wie er dorther die schönsten und reinsten Töne empfangen, so wendete er sich mit gleichem Interesse den Bestrebungen deutscher Gelehrten zu, welche die Pforten des reichen Drients eröffneten. *) Er lernte hier neue Formen der Dichtung kennen und empfand Luft sich selbst in ihnen zu versuchen; es ist schon von uns angedeutet worden, daß es ihm damals nicht an einer Erregung gefehlt zu haben scheint, für die eine Einkleidung und selbst Verkleidung willkommen war. Er

*) Im Jahr 1812 war im Cotta'schen Verlag erschienen: Der Divan von Mohammed Schemsed- Din Hafis. Aus dem Persischen zum erstenmal ganz übersetzt von Joseph von Hammer. Bald, 1818, folgte von demselben nach: Geschichte der schönen Redekünste Persiens, mit einer Blüthenlese aus zweihundert persischen Dichtern. Goethe arbeitete an seinem Werk von 1814 ab (j. o.)

schreibt am 11. März 1816 an Zelter (II, 229): „Es ist eine Dichtart, die meinem Alter zusagt, meiner Denkweise, Erfahrung, Umsicht, wobei sie erlaubt in Liebesangelegenheiten so albern zu sein, als nur immer in der Jugend." Studium und Production, Kunst und Wissenschaft fanden hier eine leichte Vereinigung, um welche es gleichfalls dem Dichter um diese Zeit zu thun war. Mag allerdings schon hie und da in diesen Liedern eine gewisse Steifheit und Förmlichkeit hervortreten, sie verbirgt sich gut unter dem fremden Costum, vor allem aber hat sie auch reichlich ein Gegengewicht an vielen Stellen, in denen Wärme, Schönheit, Phantasie und ein melodischer Fluß der Verse erscheint. Wir haben hier Goethe auf der Wasserscheide seines Lebens, die Mängel des Alters, die Spuren seiner späteren leidigen Manier mischen sich eben mit den Vorzügen seiner wahren dichterischen Natur ziemlich zu gleichen Theilen, daher denn, je nach Vorliebe und Stimmung, sich wohl auch sehr abweichende Urtheile erklären lassen. Uebrigens hat Goethe unter Anklängen an orientalisches Colorit hier das Verschiedenartigste vereinigt, und unter der östlichen Umhüllung blickt zum öftern sehr stark das Westliche hindurch; in besonderen Büchern sehen wir Lieder der Liebe, Lieder des Schenken neben Büchern der Sprüche und der Betrachtung, dazu auch Parabeln und, wohl mit Erinnerung an Firdusi, auch Lieder des Unmuts. So sehr der Dichter den Anschauungen des Drients Poetisches abzugewinnen gewußt, so ist aber doch der occidentalische und selbst germanische Standpunkt gewahrt, und dem Schicksalsglauben und der weichlichen Hingebung tritt doch wieder ein Spruch entgegen, wie folgender:

Was verkürzt mir die Zeit?

Thätigkeit !

Was macht sie unerträglich lang?

Müssiggang!

Was bringt in Schulden?

Harren und dulden!

Was macht Gewinnen?

Nicht lange befinnen!
Was bringt zu Ehren?
Sich wehren!

Den eigentlich lyrischen Gedichten fehlt es nicht an Schwung, doch gilt häufig der Gedanke mehr als die Ausführung, in Vers und Reim macht der Dichter es sich schon mitunter sehr bequem, bis zu Gewaltthätigkeit an der Sprache, es fehlt Gedrungenheit und kraftvolle Beherrschung der Form, dicht neben Gelungenes stellt sich schon Lahmes, Frostiges neben warm Empfundenes, eben wohl Symptome nachlassender Kraft oder zeitigen Ausruhens auf wohlerworbenem Lorbeer.

Und so ist denn auch zu bemerken, daß das Eingehen auf orientalische Formen doch nur in einer gewissen Entfernung sich hält. Die Form des persischen Ghasels tritt nur kaum irgendwo hervor, hier war Goethes Nachfolgern noch eine reiche Ernte überlassen; wer aber in Deutschland eine neue dem Ausland abgeborgte Form bringt, kann leichter auf Eindruck rechnen, als wer das Eigenste und Tiefste böte. Gleichwohl hat Goethe doch auch schon in vollem Maaß die Vortheile der neuen Form davon getragen und man darf sagen, daß er auch hier das Verlangen seiner deutschen Landsleute sehr wohl gekannt habe.

Auch für Goethes innerstes Wesen ist das Werk nicht ohne Bedeutung. Er spricht unter der gewählten Maske sich manchmal deutlicher aus, als er es in seiner Person thun würde. Ich verweise z. B. auf das Lied, im Buch Timur, welches anhebt:

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Goethe scheint an Napoleon gedacht zu haben, von dem er um jene Zeit einen vortheilhaften Eindruck empfing. Daß er übrigens gerade während der größten Kämpfe Deutschlands 1807-14 mit

seinem Geist im Orient verweilte, ist in mancher Rücksicht sehr be= merkenswerth; er war eben gewohnt, sich vor peinlichen Eindrücken zurückzuziehen und hier war er überdies ungläubig an dem Aufschwung deutscher Kraft. In seiner Art blieb er nicht unthätig. Während Deutschland vom Westen her so stark bedroht war, breitete der Dichter sich nach Osten aus und suchte hier für die Litera= tur Eroberungen zu machen.

Auch später noch, bis zum Jahr 1827, kamen in verschiedenen Büchern neue Stücke hinzu, nicht eben zum Vortheil der früheren, denn das fühle Element erhielt dadurch nur Zuwachs, so wie sich von hier aus auch manche Verschiedenheit des Inhalts und Tones erklärt. Goethe selbst äußert sich an Zelter (II, 201): es walte nach orientalischer Art die Reflexion darin vor, wie sie auch den Jahren des Dichters gezieme, manches indeß sei von der jüngsten und frischesten Sorte" was sich einigermaßen unterschreiben läßt. Aber doch auch wieder, wie schon angedeutet, wird nicht gar selten. der Kaftan zum Schlafrock. Die Beobachtung des Costums durch so viele Gedichte hatte übrigens ihre Schwierigkeit, und die Maskirung wird zuleßt dem Leser noch mehr unbequem als dem Autor, so daß jener gern verzeiht, wenn dieser die Larve zuweilen ganz ablegt. Es kommt hinzu, daß die orientalische Auffassung der Liebe, wie sehr man sie auch verkleide, von der germanischen himmelweit verschieden ist, so wie denn der Gesammtstandpunkt orientalischer Poesie weit unter dem unsrigen steht, daß also auf die Länge und Dauer hier nichts zu holen ist.

Um einige der besten Stücke zu nennen, so heben wir hervor: „Derb und tüchtig" mit dem Anfangsverse: Dichten ist ein Uebermut, im Buch Timur an Suleika: Dir mit Wohlgeruch zu kosen; dann „Berechtigte Männer, unterm Sternenhimmel gesungen, Mahomet spricht", endlich sehr zierlich und melodisch an Suleika: „West um deine feuchten Schwingen." Ganz zu Hause ist der Dichter in dem. Buch der Betrachtungen und hier ist der Divan oft mehr westlich als östlich; in andern Stücken giebt er sich ganz selbst, er fühlt sich als der berühmte Dichter, der zugleich als verzogenes Kind sich

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