ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Acten der Minna ein unerreichbares Muster aufgestellt, wie ein Drama zu erponiren sei, und es war mir nichts angelegener, als in seinen Sinn und seine Ansichten einzudringen.“

Goethes reizvolle Darstellung seines Jugendlebens und die feinsinnige Anatomie seiner Seelenzustände und seiner Entwickelung entfaltet klar vor unseren Augen, was damals in ihm vorging. In der Genesung und zwischen mehrfachen Rückfällen war er um so reizbarer, um so empfänglicher. Ihm fiel Arnolds Keßerhistorie in die Hände, ein Werk, das auf ihn einen tiefen Eindruck machte, indem es die verschiedenen Abweichungen von der anerkannten Lehre nicht in so gar verwerflichem Licht darstellte und in dem Jüngling die Ansicht hervortreten ließ, daß wohl jeder befugt sei, sich Religion und Welt nach seiner Weise zurecht zu legen. So ging es an ein religiöses Philosophiren, an eine Speculation, in der mancherlei Elemente hervortraten, ähnlich, wie sie später von namhaften Männern mit großer Prätension sich hören ließen. Manches Mystische, wozu schon der Knabe sich geneigt hatte, spielte herein, das Ganze hatte eine gewisse Verwandtschaft mit neuplatonischen Gedanken und mit den Auffassungen der Gnostiker; Gott, Welt, Sünde, Erlösung sollten hier eine zurechtlegung finden, Lucifer, die Schaar der Engel in ihrem Abfall von Gott hatten darin Hauptrollen und manches prägte sich wohl hier schon tief der Phantasie ein, was in späteren Jahren im Faust und anderswo poetische Gestalt gewann.

Solchen einsamen Speculationen gegenüber wurde damals auf Goethe und seine Altersgenossen ein Wort in der allgemeinen deutschen Bibliothek von großer und nachhaltiger Bedeutung. Es war dort eine Weisung gegeben, auf welchem Wege man sich wahrhaft zu bilden habe, namentlich zum Dichter; die Compendien reichten nicht aus, man müsse die Natur, das Leben selbst von Angesicht kennen lernen, hier die wahren feineren Regungen des Herzens studieren. Nun hatte Goethe schon in Leipzig Abneigung genug gegen trockene und unfruchtbare Theorieen empfunden, er selbst hatte schon die Frucht vom grünen Baum des Lebens ein wenig gekostet, so daß es nur eben noch einer leisen Mahnung bedurfte,

um dies Wort zur Loosung seines ferneren Studiums zu machen. Mit offener Brust warf er sich in die Wogen des Lebens.

Wir geleiten nunmehr Goethe nach Straßburg, woselbst er fein Studium fortseßen und den Grad eines Doctors beider Rechte erwerben sollte; kleine Zerwürfnisse mit seinem Vater, namentlich entstanden durch des Sohnes Kritik über den Plan des nach den Angaben des Vaters erbauten Hauses, hatten die Abreise nur noch beschleunigt. In Straßburg angekommen, verfehlt der imposante Dom einen tiefen Eindruck nicht, freundlich und behaglich dagegen stimmt ihn die reiche Landschaft voll malerischer Partieen und mannigfaltiger Spaziergänge. Er quartiert sich wohnlich ein, nimmt Theil an einem wohlgeordneten Mittagstisch, an dem ein wohl= habender älterer Herr eine Art von Präsidentschaft führt. Mit diesem bespricht Goethe sein nächstes Vorhaben und er weist ihn an einen geübten Repetenten. Die juristischen Vorkenntnisse erweisen sich nicht ganz übel, aber der Candidat erfährt sehr bald, daß es hier, nach französischer Art, weder auf tiefere Theorie noch auf gründliche historische Entwickelung ankomme, sondern nur auf das Unerläßliche des Wissens und das unmittelbar Praktische. In solchem Sinne, mit ein paar angemessenen Hilfsmitteln, wird er bald zuge= stuzt. Die Lieblingsneigungen ruhen, um aber die Trockenheit des Gedächtnißkrames zu würzen und dem Geist eine Abwechselung zu gewähren, läßt Goethe, dessen Göttin stets die Gelegenheit, sich durch seine Tischgenossen etwas weiter in das medicinische Studium. hineinziehen, dem er bald die Seite tieferer Wissenschaft abzugewinnen weiß. Daß er hier mit dem Bau des menschlichen Körpers bekannt wurde, ist in der Folge für ihn von der größten Bedeutung geworden.

Aber wir warten darauf, wie er jene neue Lebensdevise ausgeführt, wie er dem Leben gegenüber sich verhalten habe. Dazu ward Rath, es beginnt einer der reizendsten idyllischen Liebesromane, welchen er selbst mit Wahrheit und Dichtung anmutig erzählt, und welchen neuerdings ein Forscher, Näke, in seiner ganzen Wahrheit nachzuweisen so glücklich war. Goethe hatte vor kurzem den Vicar von

Wakefield kennen gelernt und er sollte jezt selbst ein Stück eines ähnlichen Romanes durchspielen. Auf einer heiter unternommenen Luftfahrt, in komischer Verkleidung sich einführend, lernte er die Familie eines Landpastors kennen, und besonders dessen zweite Tochter, Friederike; eine Leidenschaft ernster und tiefer als alle bisherigen, bemächtigte sich alsbald seines Herzens. Sie knüpfte dennoch kein Band für das Leben; und wenn der junge Dichter allerdings erweckte Hoffnungen unerfüllt ließ, so wollen wir unsererseits ihn entschuldigen mit seinem dunkeln Gefühl, daß ein anderer großer Beruf auf ihm ruhe. Nach Straßburg zurückgekehrt schrieb er vom 15. Oktober 1770 an Friederike Brion einen Brief, er ist erhalten, der einer Liebeserklärung sehr ähnlich sieht. In seinem Leben finden sich die Worte: Gretchen hatte man mir genommen, Annette (die Schönkopf) mich verlassen; hier war ich zum erstenmal schuldig.“

"

Das Wichtigste was Goethe in Straßburg widerfuhr, war seine Bekanntschaft mit Herder.. Dieser hatte schon einen Namen, als er mit seinem Prinzen, „der sich in traurigem Gemütszustande befand", nach Straßburg kam, von Goethe wußte die Welt nichts. Letterer hatte schon von der Anwesenheit Herders erfahren und nichts wäre ihm erwünschter gewesen, als ihm vorgestellt zu werden. Diese Rolle übernahm der Zufall; Goethe traf mit Herder auf der Treppe des Gasthofes zum Geist“ zusammen und hier erkannten sich alsbald die Geister. Herders Aufzug, die saubere schwarze Kleidung, die ernste Haltung, die Art des gepuderten Haares und der auffallende schwarzseidene Mantel sagten Goethe, dessen Auge und Herz in Straßburg Herders Gestalt suchte, dieser und fein anderer müsse es sein. Er knüpfte ein Gespräch auf der Treppe an, beim Emporsteigen, und, so scheint es, beide besuchten dieselbe Person. Goethe darum gefragt, nannte seinen Namen, der freilich keinen Eindruck machte und beinahe überhört wurde, aber sein Gespräch gewann einigermassen das Ohr des Geistlichen und Goethe erbat sich die Erlaubniß, ihn auf seinem eigenen Zimmer besuchen zu dürfen. So kamen sie bald einander näher.

Ueber die Studien, welche ihm zunächst oblagen, hatte der junge Jurist sich wenig um das bekümmert, was am literarischen Himmel vor sich ging; durch Herder nun ward er nicht nur in die deutsche Literatur der Zeit, sondern auch in die europäische einge= führt, und in beiden regte sich's. Zugleich wurden seine früheren Maaßstäbe und Schäzungen verändert. Mit der Schärfe seiner Kritik und mit der Mahnung, daß die wahre deutsche Literatur erst beginnen solle, drückte Herder alle gefeierten Namen bedeutend herab, ließ nur wenige stehen: Er hatte den Vorhang zerrissen, der mir die Armut der deutschen Literatur bedeckte, er hatte mir so manches Vorurtheil mit Grausamkeit zerstört." Dagegen lenkte er den Blick des strebsamen Jünglings, in dem er einigermassen den künftigen Goethe erkannte, auf ganz andere und ungleich höhere Ziele, so daß von hier ab für diesen eine ganz neue Welt aufging und er nun an seine eigenen Arbeiten ungleich höhere Forderungen richtete.

Hören wir Goethe selbst. Er sagt: „Ich ward mit der Poesie von einer ganz anderen Seite, in einem anderen Sinne bekannt als bisher, und zwar in einem solchem, der mir sehr zusagte. Die hebräische Dichtkunst, welche er nach seinem Vorgänger Lowth geistreich behandelte, die Volkspoesie, deren Ueberlieferungen im Elsaß aufzusuchen er uns antrieb, die ältesten Urkunden als Poesie geben das Zeugniß, daß die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei, nicht ein Privaterbtheil einiger feiner und gebildeten Männer. Ich verschlang das alles, uud je heftiger ich im Empfangen, desto freigebiger war er im Geben." Außer der Volkspoesie machte Herder seinen jüngeren Freund nun auch mit allen seinen Lieblingen bekannt, obenan mit Homer, Ossian, und wir wissen, wie tief Goethe beide in sein Herz aufnahm; dann aber auch, als ein gewisses Gegengewicht, mit Swift und mit Hamann. Wie der lettere auf Herder einen, unzweifelhaften Einfluß gehabt hat, so gewann er ihn auch auf Goethe. Es zeigt sich dies schon darin, daß Goethe durch sein ganzes Leben große Theilnahme für diesen seltsamen Geist bewies, dessen Schriften er sorgfältig sammelte. Er war im Besiz mehrerer Manuscripte und hat gewirkt zur später erfolgten Heraus

[ocr errors]

gabe der Werke. Das Princip, auf welches alle Aeußerungen des Maaus aus dem Norden" zurückfallen, faßt er in die Worte: „Alles was der Mensch zu leisten unternimmt, es werde nun durch That oder Wort hervorgebracht, muß aus sämmtlichen vereinigten Kräften entspringen; alles Vereinzelte ist verwerflich."*) Die allgemeine Tendenz Hamanns war der allgemeinen Verstandesbildung entgegen, sodann der Convention; er hebt die tiefer liegenden Kräfte des Menschen hervor und will eine unmittelbare Beziehung zu Gott und zur Natur.

Nichts konnte günstiger sein als dieses Zusammentreffen; ein Verkehr von wenigen Wochen ließ mit der Fülle seiner Anregungen nachhaltige Wirkung für ein reiches Leben. Und wirklich hatte auch schon vor dieser Begegnung sich eine Sympathie der Geister gezeigt, Goethe selbst schon hatte in der Richtung, in der Herder ihn befestigte, die ersten Schritte gethan. Der Straßburger Münster hatte auf ihn einen tiefen Eindruck gemacht, die Anschauung mittelalterlicher Pracht, welche zu Frankfurt die Kaiserkrönung gewährt hatte, erhielt hier eine bedeutende Steigerung, Goethe dachte nach über das Wesen der imposanten gothischen Baukunft, die sich ihm als die eigentlich deutsche darstellte. So erwuchs sein Aufsaß, der in Herders Von deutscher Kunst und Art" gedruckt wurde und wohl selbst mit auf den Titel einwirkte. Der Aufsaß hat Früchte ge= tragen, hat tief eingegriffen. Noch vor dem Gög lenkte er die

Goethe setzt hinzu: „Eine treffliche Maxime, aber schwer zu befolgen!“ Wir unsererseits empfehlen der Betrachtung, daß diese Zusammenfassung aller Geisteskräfte als Rückschlag in Zusammenhang stehen möchte mit der von Wolf und besonders von Kant unternommenen Ausspaltung und Isolirung der einzelnen Geisteskräfte. Erst durch dieses Wort Goethes wurde man in weiteren Kreisen auf Hamann aufmerksam, denn auch Herders Empfehlung in den Literaturbriefen und dessen Aeußerung, daß hinter der wunderlichen Schaale ein Kern verborgen sei, war spurlos vorübergegangen und des Autors fliegende Blätter blieben zerstreut und von Wenigen gekannt. Hamann ahnte ein Element, das jenseits der Be rechnung des Verstandes liegt, er sympathisirt hierin mit den Geistern, welche die Zeit heraufführen; hierin liegt der Schlüssel seiner Beziehung zu Herder und Goethe.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »