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die Zeit, welche Goethe wohl aus Rücksichten der Discretion nicht ausführlich behandeln mochte, die kurzen Angaben in den Tagund Jahresheften aushelfen. Aber auch die vorliegenden Bücher sind in sich nicht gleich, indem für manche Theile das wirklich Erlebte mit einer gewissen historischen Treue hervortritt, während in anderen wieder das Erlebniß sogleich romanhaft verarbeitet worden, nicht viel anders, als der Dichter es in seinen eigentlichen Romanen zu thun pflegte.

Das Werk zeichnet sich aus durch eine Fülle anziehendsten Inhalts, vor allem aber durch die große Anmut des fließenden, immer gleichmäßig klaren und heitern Vortrages und durch den darin waltenden Sinn ruhiger und wohlwollender Weltbeobachtung, die parteilos das Eigene ganz nach Art des Fremden mittheilt. Unter den vornehmsten Partieen steht obenan das Liebesverhältniß des jungen Dichters zu Friederike, der Tochter des Pfarrers zu Sesenheim im Elsaß; es glänzt diese Jugenderinnerung in wahrhaft poetischer Verklärung, leicht hingeworfen von einer Meisterhand. Der Darsteller erwärmt sich, über sein Alter hinaus, durch die Wiederbelebung jugendlicher Empfindungen. Auch andere Partieen, z. B. das Leben im elterlichen Hause, die Charakteristik seines Vaters und seiner Mutter, die Beschreibung der Stadt, dann das Leben in Leipzig und später in Straßburg, der Besuch bei den Jacobis, der Besuch bei den Stolbergen, sind von dem entschiedensten culturhistorischen und persönlichen Interesse. Von nicht minderer Wichtigkeit war, daß wir hier die ersten Andeutungen über Goethes innere Entwickelung und über sein Verhältniß zu den Mitstrebenden seiner Jugend erhielten; allein hier ist das Buch mit großer Vorsicht aufzunehmen. Es wird neuerdings zugestanden, wie namentlich aus gleichzeitigen Briefwechseln auf das klarste hervorgeht, daß zahlreiche Frrungen verschiedener Art vorkommen, insbesondere chronologische Verschiebungen, die nicht immer gleichgültig find. Manches scheint aber auch mit Bewußtsein und sogar mit Absicht in ein Licht gestellt zu sein, das nicht mit der Wahrheit überein

stimmt, so ist namentlich das Verhältniß zu Lenz für ein anderes zu halten, als es hier dargestellt wird, selbst das Verhältniß zu Friederike und nicht minder zu Lili erweist sich in Wirklichkeit von abweichender Art. Eben das Interesse, welches das Werk erregte hat zu Forschungen aller Art aufgefordert und so sind Quellen ans Licht getreten, wie sie Goethe selbst nicht zu Gebot gestanden.

Nicht zum kleinsten Theil besteht auch der Werth dieser Bücher in den eingestreuten Urtheilen über literarische Erscheinungen der Zeit, so wie über den Entwickelungsgang der deutschen Literatur in ihrer entscheidendsten Periode. Für die Geschichte deutscher Poesie ist das Werk von der größten Bedeutung und wir können es nicht mehr wegdenken, denn viel ist, was es in seinem Gefolge nach sich gezogen. Dagegen darf es jeßt nicht mehr verdachtlos als Quelle genommen werden, sondern bedarf mancher wesentlichen Berichtigung. Es ist überhaupt zu tadeln, daß Goethe sich entschloß, Wahrheit und Dichtung zu mischen. Er that dies wohl zunächst in dem Gefühl einer gewissen Schonung in Betreff der erotischen Verhältnisse, theils wegen noch lebender Familienglieder, theils aber auch um seiner selbst willen: allein einmal auf dieser Bahn, griff dann auch die Dichtung in die Wahrheit ein, wo sie nicht am Ort ist und nur Schaden bringen konnte. Als Goethe das Werk schrieb, er begann es 1810, hat er sich dessen Tragweite sicherlich nicht vorstellen können.

Dem Werk schließen sich noch einige kleinere an, welche einzelne Episoden aus Goethes Leben darstellend behandeln, dahin gehört die Italienische Reise, mit der Schilderung des römischen Carnevals, die Campagne in Frankreich und Belagerung in Mainz, Briefe aus der Schweiz, die Schweizerreise, die Reise am Rhein, Main und Neckar, mit der Beschreibung des St. Rochusfestes, endlich in kurzer Fassung die Tag- und Jahreshefte Schriften, welche einander in der Darstellung sehr verwandt, meistens die Vorzüge theilen, welche an Goethes Leben zu rühmen sind. Leb

hafte, genaue Auffassung vereinigt sich mit wohlthuender Ruhe der Erzählung, bei großer Einfachheit und Anspruchslosigkeit des Vortrags erwächst stets eine bedeutende Wirkung, da jeder Theil Beziehung zum Ganzen hat und hienach abgemessen erscheint.

VI.

Kritische Schriften.

Wir besißen von Goethe eine lange Reihe von kritischen Schriften über Werke der Kunst, welche er selbst übte und über Verwandtes, und zwar aus seinen verschiedenen Lebensaltern. Die Recensionen welche er in Frankfurt für die von Schlosser redigirte Zeitschrift verfaßte, sind der Mehrzahl nach sehr ausgezeichnet durch treffliche Auffassung, durch gerechten Sinn, durch eine frische und doch sehr angemessene Darstellung; überall läßt sich durchsehen, daß der Verfasser nicht von außen her herantrete, sondern selbst innerlichst mit der Kunst vertraut sei. Dann haben wir aus den Jahren 1804-1806 sehr bedeutende Recensionen, welche Goethe für die von ihm gegründete Jenaer Literaturzeitung schrieb; jedes Wort von ihm an diesem Ort war schwerwiegend, wir sehen ihn deshalb mit besonderer Milde und Schonung verfahren, soweit es seine überlegene Einsicht irgend gestattete. Von dieser Art z. B. seine Beurtheilung der Vossischen Gedichte. Aber auch später noch schrieb Goethe mancherlei Beurtheilungen, welche uns in seinen Werken erhalten sind und es giebt kaum irgend eine bedeutende Erscheinung, über welche er sich nicht geäußert hätte. Gegen junge aufstrebende Talente war er nachsichtig und ermunternd, zuweilend sogar überschäßend. Immer allgemeiner wurde sein Wohlwollen, namentlich als er sich auch mit der Kunst und Poesie des Mittelalters ausgesöhnt hatte. Je mehr er selbst im Auslande Anerkennung fand, um so angelegentlicher und liebevoller wendete er den neuesten Er

zeugnissen der europäischen Literatur seinen Blick zu. Er begrüßte Manzoni, er ehrte und verehrte Byron, in dem er sogar einen Erfaz für Schiller erkennen wollte.

Auch zusammenhängender stellte er in späterer Zeit noch manches über deutsche Literatur zusammen; so finden wir im 49. Bande eine Charakteristik der Epochen deutscher Literatur von 1750 bis 1830, die nicht zu übersehen sein dürfte.

Als am Schluß der zwanziger Jahre in Berlin von Hegel und dessen Schule unter besonderem Schuß des Ministers von Altenstein die Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik gegründet wurden, ließ Goethe sich nicht nur zur Mitwirkung bereit finden, sondern löste auch sein Wort ein. Namentlich schrieb er eine sehr schöne Anzeige von des Fürsten Pückler Briefen eines Verstorbenen, in denen ihn besonders die Schilderungen englischer Parkanlagen angezogen hatten.

Nun kommen aber auch gelegentlich in größeren Werken bedeutende kritische Urtheile vor, so vornehmlich in Wilhelm Meisters Lehrjahren die treffenden Bemerkungen über Shakespeares Hamlet, endlich vieles der Art in den Briefwechseln, besonders in dem reichsten von allen, dem mit Schiller, wiewohl leßterer stets ausführlicher und eingehender ist. Aber auch schon in der Art, wie Schillers Urtheile von Goethe aufgenommen wurden, liegt gleichfalls Urtheil. Viel Kritisches, und darunter oft sehr Schäßbares, ist endlich in den Gesprächen mit Eckermann enthalten, von großem Interesse hier namentlich auch die Aeußerungen über jüngere Zeitgenossen, die wir wohl noch an ihrem Ort anführen, z. B. über Graf Platen und Uhland.

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