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zeigt sich hier viel Kraft und eine entschiedene Beredtsamkeit, wenn freilich auch noch kein ausgebildeter Stil; in der späteren Bearbeitung fand Goethe manches zu ändern. Auch noch in den Werken aus der ersten Weimarischen Zeit erscheint sehr wenig von dem, was später die Profa dieses Schriftstellers zu einem so großen Muster erhebt; das Streben nach Lebendigkeit läßt ihn sehr oft des Adels und des Maaßes vergessen. Es scheint als ob Goethe die höheren Forderungeu eines klassischen Ausdrucks zuerst bei poetischen Werken gefühlt habe, namentlich als er Iphigenie und Tasso einer sorgfältigen Umbildung unterwarf und daß er erst von hier ab seiner Prosa den Charakter der Gemessenheit und höchsten Wohlanständigkeit, ja mehr und mehr sogar der Vornehmheit zu geben gelernt habe. Wilhelm Meister trägt schon einen großen Theil dieser Vorzüge, der Ausdruck ist höchst gewandt, die Verbindung leicht, das Ganze mild und ansprechend, alles wohl verbunden und fließend, wie man kaum zuvor etwas in deutscher Sprache gesehen. Und in dieser Bahn ging Goethe unablässig fort, offenbar mit einer Anstrengung, die bei der Vollendung der scheinbar leicht hingeworfenen Werke uns nur wenig anschaulich wird. Mit dem Ernst der Gegenstände erhob er auch seinen Stil, ohne an bequemer Ausbreitung zu verlieren. Goethes Stil ist ein durchaus eigener, zuvor nicht dagewesener und daß er mit keiner hervorstechenden Eigenheit ins Auge fällt, gereicht ihm nur zum besonderen Nuhm. Er ist wesentlich entfaltend, d. h. epischer Natur, sei es beschreibend oder betrachtend. Alle rhetorischen Mittel verschmähend, keine besondere Bildlichkeit suchend, ist er doch stets anschaulich, nie im Einzelnen gefallsüchtig, stets auf das Ganze gerichtet, immer der Sache angemessen und nur diese zur vollen Geltung bringend. In dem Streben nach Schärfe der Bezeichnung geht er weit, wagt mitunter eine neue Wortbildung, ist aber noch häufiger glücklich in der Herbeiziehung der Worte und ihrer sorgfältigsten Wahl, überhaupt in der freien Beherrschung des gesammten Sprachschaßes, endlich versteht er sich sehr wohl auf die horazische Lehre, dem Verbrauchten durch leise Aenderung der Stellung und Verbindung Neuheit und

Reiz zu verleihen. Andererseits meidet er sehr glücklich das Schlep= pende der Perioden und insbesondere der Hülfsverba, indeß mehrentheils nur durch Beschränkung auf sehr einfachen Saßbau. Eine besondere Eigenschaft ist die Ruhe, die Gleichmäßigkeit und Klarheit des Fortschrittes, die Ebenheit des Ganges von Saz zu Saz. Wir finden in der Betrachtung wie in der Schilderung eben so wenig eine Lücke wie einen Sprung, und die Wendungen sowohl wie der Fall der Worte haben etwas Melodisches, man empfängt aber nicht sowohl den Eindruck der Feile, als vielmehr den des natürlichen, ununterbrochenen Gusses. Goethes Stil ist der Ausdruck stillen Kraftbewußtseins, es fehlt jede Unruhe, alles geht besonnenen Ganges einem stets festgehaltenen Ziele zu; man darf annehmen, daß Goethe in seiner Schreibart das festhielt, was, namentlich durch Winkelmann, damals als der Charakter der Antike erkannt worden. So wurde er das Muster für sein Zeitalter und mit zu seinem größten Ruhm mag gesagt sein, daß Alexander von Humboldt eben in dieser Goetheschen Weise nach einem klassischen Stil gestrebt hat, wie er ihn denn auch erreicht.

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Goethes Ausdruck ist am eigensten und am bewundernswürdigsten, wo er in das Gebiet des Seelenlebens eingeht, insbesondere wo er die Umbildungen verborgener Neigungen" behandelt; und dazu ist am meisten Gelegenheit in seinen Romanen. Nicht genug hervorzuheben ist, wie er hier das Dunkelste, das Unsagbarste be= nennt und wie er dafür sogar meistens die einfachsten Worte findet; hier, wo wir vor allen den wahren Goethe zu haben glauben, steht er als ein unerreichtes, unerreichbares Muster da.

Um Goethes Schreibart noch näher zu bezeichnen, müssen wir sie vergleichen mit den beiden großen Mustern, welche er vorfand, die zunächst vor ihm galten und zur Nachfolge aufriefen, d. h. mit Wieland und mit Lessing, beide einander ganz entgegengeseßt. Goethe selbst hat, in Eckermanns Gesprächen, Wielands Verdienste hinsichtlich der Schreibart hervorgehoben, von ihm hätten die Deutschen, namentlich die Süddeutschen, erst ihre Sprache gelernt. Und doch ist Goethe davon sehr verschieden. Wieland ist reich und

gewandt im Ausdruck, allein er liebt lange und verschlungene Perioden, die er symmetrisch zu gestalten und dem Ohr angenehm zu machen weiß, insbesondere aber ist sein Stil umschreibender Art, und zieht einen hauptsächlichen Theil seiner Eigenheit und seines Reizes daher, daß er die Dinge nicht mit Namen nennt, sondern nur bezeichnet. Das führt aber zu großer Breite und ermüdet sehr bald durch Einförmigkeit, wie denn eben die Wielandischen Nomane jezt schon wegen ihrer bloßen Schreibart nicht mehr lesbar sind, die bequeme Weitläufigkeit und der gleichförmige Fall der Perioden wirkt durchaus einschläfernd. Ganz verschieden Lessings Stil; dieser ist nackt, kurz, scharf, sogar spig, häufig epigrammatisch, vor allem aber dialektisch, man möchte sagen dialogisch. Er umhüllt die Sachen nicht, faßt sie aber auch nicht geradeaus ins Auge, sondern liebt es den Leser auf Umwegen zu führen. Diese Schreibart ist anzie hend, schmackhaft, ist lebendig und geistreich; allein auch sie wird in der Wiederholung Manier, der Leser wird ungeduldig sich genect zu sehen und nicht auf kürzestem Wege ans Ziel zu gelangen, zumal wenn der Vortheil des Umwegs nicht anschaulich wird. Wirklich hat Lessing diesen Stil, zumal in späteren Jahren, zu gleichmäßig auf Dinge der verschiedensten Art übertragen, auch er ist, wo die Kraft nachließ, von Manier nicht weit entfernt geblieben.

Die Schreibart Goethes hält sich gleich weit von Beiden, ohne daß man sie ein Mittleres nennen dürfte. Sie meidet Wielands verwickelte Perioden ebenso sehr als Lessings dialektische und lebhaft rhetorische Wendung, sie bleibt immer sich selbst und der Sache treu. Allein sie hat zu Zeiten doch auch ihre Mängel und darf nicht in jeder Art als Muster gelten. Eben die Gleichmäßigkeit der Entfaltung wird bei aller Glätte doch auch empfunden, denn der Leser will einen Anstoß, in dem Wechsel der Saßbildung, in einer Aenderunng des Tones. Auch die Ruhe und selbst die Würde hat hier ihre Grenzen und wiederum soll der Geist, das Leben auch schon in der Form ausgeprägt werden. Gewiß, man kann abwechselnder, schmackhafter schreiben als das bei Goethe der Fall ist und vor allen Dingen ist die immer gleichmäßige Ausführlichkeit

vom Uebel. Nicht alles möge in Worte gefaßt werden, je denkender der Leser, um so mehr verlangt er, daß man ihm vieles selbst überlasse, daß man gewisse Dinge nur eben berühre, andeute. In aller Kunst ist nichts mehr zu fliehen als die Langeweile, für diese aber hat jede Zeit ihre besonderen Maaßstäbe.

Wir haben bisher nur gehandelt von Goethes Stil in seiner besten Zeit; in späteren Jahren erlitt seine Schreibart mancherlei Ausartung, noch mehr wie sein poetischer Stil ging seine Prosa in eine leidige Manier über. Es tritt hier zur bequemen Entfaltung ein gewisses Phlegma hinzu, der Ausdruck wird weitläufig, steif, pedantisch, ja kanzleimäßig, kurz das reine Gegentheil dessen, wovon der Schriftsteller ausging. Großen Einfluß trägt hiebei auch die Gewohnheit des Dictirens, wie Quintilian schon sehr richtig die unvermeidliche Folge davon gekannt hat.

Wir verlangen heutigestags mehr Kürze, mehr Wechsel, mehr Elasticität und Munterkeit: bei alledem ist Goethes Schreibart sehr individuell, darum die Nachahmung so schwer und mißglückend. Ueberhaupt aber kann in einer Literatur, so lange sie lebt, das Muster niemals in vergangener Zeit gesucht werden, das ist schon darum unthunlich, weil mehr oder weniger sich die Sprache selbst verändert. In der That ist dies, seit Goethe schrieb, geschehen, wir haben namentlich neuerdings bereits erweiterte Grenzen der Wortfolge, was denn auch einen andern Fall der Säße und Worte, und zwar eine ungleich größere Lebendigkeit und Nachdrücklichkeit, eine größere Abwechselung mit sich bringt. Goethe war noch in der Stellung und Handhabung der Zeitwörter gar sehr beengt und gebunden, eine Fessel, die wir jeßt glücklicherweise abgestreift, die aber die bedeutendste Rückwirkung auf den gesammten Stil, ja auf das Gehör ausübt.

X.

Das Ganze der Erscheinung.

Es ist jeßt ein Blick auf das Ganze der Erscheinung, auf die Bedeutung des Mannes zu werfen. Der Gesammteindruck ist schon darum ein so erfreulicher, weil wir hier dem seltenen Fall begegnen, daß die Ausstattung der Natur mit den äußeren Verhältnissen so glücklich zusammentrifft, daß wir einmal in Deutschland einen Dichter antreffen, der bei reinem Streben nicht der Mißgunst der Umstände erlegen ist, der sich voll und ganz hat entwickeln können, der nach allen Seiten ausgewachsen erscheint und uns dasselbe Bild darbietet, wie ein mächtiger, alter und doch von der Krone bis zur Wurzel noch kerngesunder Baum, weithin einen ganzen Wald überragend. In der That ist Goethe von der Geburt bis ins hohe Alter von einem guten Genius geleitet worden, und wenn auch die Verhältnisse fehlten, welche sein Familienleben regelmäßiger und glücklicher hätten gestalten können, so ist dies doch vielfach auf jede andere Weise aufgewogen worden. Alles kam zusammen, um an diesem Punkt und aus diesem Begünstigten ein Außerordentliches zu gestalten und hier das Bild des beglücktesten Menschenlebens mit dem des Dichters einer Nation zu vereinigen.

Goethe sagt (in Eckermanns Gesprächen), um groß in der Welt dazustehen, müsse man zugleich eine Erbschaft machen — d. h. die Stelle, wo man eintritt, muß Raum, Fruchtboden, Hülfsmittel gewähren. Dies war in vollem Maaß bei Goethe der Fall, Lessing und Herder hatten ihm vorgearbeitet; jener eine falsche Kunst

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