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Wenn er nun den Fremden schon ganz genoß in dem was er war, sah die ferner stehende Umgebung ihn fast nur im Rausch der Vergnügungen und da wo er sich ganz gehen ließ. Allerdings, man ging sehr weit und schon zeigte sich hie und da ein Kopfschütteln, und nicht bloß beim Adel und den Beamten. Der Schlüssel zu solchen Ausgelassenheiten, die im Einzelnen zu erzählen nicht unseres Amtes ist, liegt theils in der Zeit, theils in den Personen. Die überspannte Steifheit des Ceremoniells war einmal durchbrochen. Im Herzog regte sich ein frischer Jugendmut, als Prinz hatte er Goethe, überdies auf der Reise kennen gelernt, wo die Haltung weniger streng zu sein braucht, und wiederum fühlte Goethe fich hier nur als Gast, als Fremdling, dazu hatte er ein Gefühl zu übertäuben, das, so oft es um ihn stiller ward, mit all seiner Wehmut zum Vorschein kam. Auf einsamen Wanderungen während des Winters klang der Verlust seiner Geliebten in Liedern, von denen einiges sich erhalten hat. Goethe fühlte sich durchaus nicht heimisch in Weimar und, so sehr der Herzog auch damals sicherlich schon den Gedanken gehabt hat, ihn nicht von sich zu lassen, so hatte Goethe doch noch immer Frankfurt im Auge und betrachtete seinen Aufenthalt in Weimar nur als ein lustiges Zwischenspiel, als ein Abenteuer, das ihn nicht aufhalten sollte im Verfolgen einer ernsten Laufbahn. Daß er sie hier finden konnte, glaubte er damals schwerlich, sonst hätte sein Auftreten ein ganz anderes sein müssen.

In der That waren die Ausgelassenheiten groß, und sie waren es denn eben, welche die lezte Schranke zwischen Goethe und dem regierenden Haupt niederrissen und die Vertraulichkeit vollkommen machten. Alles Formwesen war aufgehoben, sie speisten zusammen, schliefen oft in demselben Zimmer, liehen Kleider von einander und nannten sich beiderseits mit dem brüderlichen Du. Goethe kommt nicht wieder von hier los", schreibt Wieland; „Karl August kann nicht mehr ohne ihn schwimmen noch waten." Und er beklagt das dem Herzog verderbt

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für Goethe: „Der Hof, oder seine Liaison mit ihm viel Zeit, um die es herzlich Schad' ist. Und doch, bei diesem herrlichen Gottesmenschen ist nichts verloren." Goethe selbst schreibt

an Merd am 5. Januar 1776 als Nachschrift in einem Brief Wielands: „Ich treib's hier freilich toll genug", und der Zuruf: ,,ist mir auch sauwohl geworden, dich in dem freiweg Humor zu sehen“, läßt auf Ton und Stimmung schließen. Da mochte denn freilich den Geseßen und den ceremoniösen Hofkreisen bange werden. Aber man darf die Erscheinung nicht zu isolirt nehmen, wir sind in der Genieperiode, und diese nur eben war bei Hof eingekehrt; das Genie aber strebte überall nach Ungeheuerem und Gewaltigem, seine stehenden Worte waren unendlich“ und „göttlich", daneben solche, wie der von Goethe als Ausdruck des Behagens gebrauchte.*)

Aber Goethe war nicht der Mann, sich in Rohheit und Ausschweifung zu verlieren; er begehrte nach Hause, denn er mußte an seine Zukunft denken. Was Wieland vorausgesagt hatte, traf ein, der Herzog konnte ihn nicht mehr entbehren; aber er kannte ja auch seinen Ernst. Schon als Gast nahm Goethe, dem das bloße Hofleben auf die Länge nicht behagen konnte, Theil an den Geschäften, er besuchte die Sigungen des Geheimen Rathes und fühlte sich wohl an diesem Plaß. Der Herzog bot ihm bald den Titel eines Geheimen Legations-Rathes mit Sig und Stimme im GeheimrathsCollegium und mit einem Gehalt von zwölfhundert Thalern an, die später vermehrt wurden und die man ohnedies nicht nach ihrem heutigen Werth messen darf. Sie sowohl als der Titel machten auch auf Goethes Vater einen bedeutenden Eindruck, wieviel mehr als der Herzog selbst an diesen Vater schrieb: Goethe kann nur Eine Stellung haben die meines Freundes. Alle andern sind unter seinem Werth" Worte, mit denen der edle Fürst sich das edelste Denkmal gesezt hat. Man muß von diesem Verhältniß, das einzig in seiner Art ist, den Vergleich mit Friedrich und Voltaire

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*) Der Dichter hat diese Stimmungen und Ausdrucksweisen im Fauft verewigt und zugleich abgethan, in dem Liede: „Uns ist ganz cannibalisch wohl, als wie fünfhundert Säuen.“ Lewes sucht seinen Landsleuten die Sache anschaulich zu machen, indem er sagt: Das Genie verschlang unendliche Würste, trank unendlich, liebte unendlich.

fernhalten. Den Protest seines Geheimraths-Collegiums beantwortete der Fürst schriftlich, fern von Empfindlichkeit, mit der unverkennbarsten Geistesüberlegenheit (s. w. u.).

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Sogleich änderten sich nun die Verhältnisse in Weimar; Goethe nahm alsbald eine gesezte Miene an und behielt sie bei. Wieland spricht von dieser Aenderung, seit Goethe sich decidirt habe in Weimar zu bleiben und lobt seine untadlige oogooбvvy; dann schreibt er am 24. August 1776: Goethe ist lieb und brav und fest und männlich. Alles geht, so gut es kann, und die Welt, die so viel dummes Zeug von uns sagt und glaubt, hat groß Unrecht. Die Zeit wird auch uns Gerechtigkeit widerfahren lassen.“ Und schon am 7. Februar 1776 schreibt Wieland an Andreä zur Beantwortung ausgesprengter Calumnien": Goethe spielt seine Rolle edel und groß und meisterhaft. Außer der Erfahrenheit, die er nicht haben kann, fehlt ihm nichts. Wenn nicht viel Gutes hier durch ihn geschieht und viel weniger Böses als sonst geschehen wäre, so wird die Schuld gewiß nicht an ihm liegen." Daß übrigens die Stellung in Weimar nicht leicht und die dortigen Verhältnisse nicht einfach waren, zeigt sich am besten in einem Brief aus dieser Zeit, allem Anschein nach von Frau von Stein. Zimmermann nämlich schreibt an Herder, der Ursache hatte über Weimar orientirt zu sein (Herders Nachlaß II, 374), am 19. Juni 1776: „Da Sie aber, mein Geliebter, so sehr auf Nachricht dringen, und da ich Goethen nicht mehr zu fürchten Ursache habe als meinen Schatten, so will ich Ihnen eine ganz zuverläßige Nachricht von allem aus einem Brief von der größten Freundin, die Goethe in Weimar hat, mittheilen. Diese Nachricht ist vom 10. Mai, und lautet so: Goethe cause ici un grand bouleversement, s'il sait y remettre ordre, tant mieux pour son genie. Il est sûr, qu'il y a de bonne intention; cependant trop de jeunesse et peu d'expérimais attendons la fin. Tout notre bonheur a disparu ici: notre cour n'est plus ce qu'elle étoit. Un seigneur, mécontant de soi et de tout le monde, hazardant tous les jours sa vie avec peu de santé pour la soutenir, son frère encore plus fluet, une mère

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chagrine, une épouse mécontente, tous ensemble de bonnes gens, et rien qui s'accorde dans cette malheureuse famille. Die Worte waren wohl mit Absicht französisch geschrieben.

Und hier darf denn, in starkem Gegensaß, eine Stelle aus dem Brief des Vater Goethe nicht fehlen, der in großem Behagen über die seltene Fortune seines Herrn Sohnes, des Doctor Goethe, an den Secretär Schönborn in Algier schreibt:

Frankfurth am Mayn den 24. July 1776.

Jhr freundschaftlicher Brief d. d. Algier 28. Oft. 1775 an Unsern Sohn, worinnen eine succincte Beschreibung des Spanischen camp manqué besonders enthalten, ist ohngefähr 6 Wochen hernach alhir richtig eingelaufen, und ist seine Schuld nicht, daß er bisher unbeantwortet geblieben. Er war damals schon abwesend und wir mußten ihm solchen nach Weimar schicken, wo er sich noch aufhält. Hören Sie, wie dies aneinander hängt, weil Ihnen doch Alles, schäzbarer Freund, was diesen singularen Menschen betrifft, in= teressant sein mögte. Ich fange vom Ursprung seiner ißigen Verhältnisse an. Der Herzog von Weimar lernte ihn schon vor 2 Jahren auf der vortheilhaften Seite kennen, uud nachdem er von Durlach, wo er sich mit der Darmstädt. Prinzessin Louise vermählt hat, wieder nach Frankfurth kam, wurde er von diesem jungen herzoglichen Paar in aller Form nach Weimar eingeladen, wohin er dann auch gefolget. Er hielt sich den vergangenen Winter daselbst als Gast auf, und unterhielt die dortige Herrschaften mit Vorlesung seiner noch ungedruckten Werkgens, führte das Schlittschuhfahren und andern guten Geschmack ein, wodurch er sich die= selben sowohl, als auch in der Nachbarschaft viele hohe und Vornehme Freunde machte. Je mehr nun aber der Herzog den Dr. kennen lernte, desto weniger konnte er ihn entbehren und prüfte seine Gaben hinlänglich, die Er so beschaffen fand, daß Er ihn endlich zu seinem geheim. Legationsrath mit Siß und Stimme im geheim. Conseil und 1200 Thaler Besoldung ernannte. Da fißt nun der Poet und fügt sich in sein neues Fach bestmöglichst. Wir

wollen ihn auch darin sißen lassen, jedoch auch zugleich wegen dessen ißigen Amtsgeschäften in dieser Correspondenz ablösen und vertretten. Sie sollen das Weitere von ihm jederzeit erfahren, auch seine kleine Schriften (alter Colomosius), womit anbey der Anfang gemacht wird, überkommen. Noch eins: Weilen der Herzog von W. Gelährte nicht nur schäßt, sondern sie auch nach Verdienst belohnet, dürfte seine Nesidenz in kurzen der Sammelplaß vieler schönen Geister seyn, z. B. ist daselbst der eine Graf von Stolberg Cammerherr geworden, und wird sich bald dahin verfügen. Herder tritt da als General Superind. auf, und Lenz ist ingleichen seit einigen Monaten dort. Was Sie aber am meisten wundern wird, ist, daß sich der Dr. mit Wieland ausgeföhnet und nun auf dem freundschaftlichsten Fuß mit ihm lebet. *)

Schon hatte Goethe sich „decidirt“ in Weimar zu bleiben und darnach nunmehr seine Haltung genommen, an Stelle früherer Ausgelassenheit war er nunmehr, wie ihm Wieland das fernere Zeugniß giebt, „fest und männlich“. Aber der Ruf von jenen Abenteuerlichkeiten, welche das Genieleben an den Hof versehen wollten, übrigens auch hier Symptome einer anbrechenden neuen Zeit, tönte nun erst in die Welt hinaus. Er kam auch zu Klopstock, der die Meldungen der Stolberge mit großem Bedenken aufnahm. In der feierlichen Würde, welche er als Führer der deutschen Literatur und eines neuen Jahrhunderts angenommen, und die ihm nicht ganz übel stand, schrieb er einen wohlgemeinten und äußerlich sehr wohlwollenden, aber doch allzu väterlich mahnenden Brief zunächst an Goethe, mittelbar an den Herzog. Dieser Brief nun kam in mehr als einer Nücksicht zur Unzeit, denn einmal, wie sein Datum ausweist, hatten sich die Dinge in Weimar bereits geändert, so daß es einer solchen Mahnung nicht mehr bedurfte, dann aber war Goethe schon die Schwäche der Klopstock'schen Poesie und dessen unpassende Ueberhebung anschaulich geworden, schon auf literarischem

*) Das Fernere des höchst charakteristischen Briefes, den zuletzt Mutter Goethe fortsetzt, findet man bei Nicolovius, „Ueber Goethe“, Theil I, S. 438.

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