DEM HOCHVEREHRTEN RUHMGEKROENTEN MEISTER IN DER KOENIGLICHEN KUNST MAURERISCHER TUGEND JOHANN WOLFGANG VON GOETHE IHM DER IN WEISHEIT SCHOENHEIT STAERKE AUF LANGER SEGENSREICHER BAHN GLORREICH VORGELEUCHTET MIT HELLEM FORSCHERBLICK TIEF IN DAS INNRE DER NATUR GEDRUNGEN DURCH DEN ZAUBER DES GESANGES WEIT GETRENNTE VOELKER DIESE URKUNDE DER EHRENMITGLIEDSCHAFT ZU FROHSTER FEYER DER FUNFZIGSTEN WIEDERHOLUNG DES TAGES ALS PFAND INNIGSTER VEREHRUNG DANKBARKEIT UND LIEBE Was konnte die Loge ihrem grossen Ehrenmitgliede Besseres bieten als dies monumentum aere perennius! Der Gefeierte bedankte sich für diese Urkunde durch jenes, auch in den sämmtlichen Werken abgedruckte, treffliche Gedicht, welches die Ueberschrift trägt: „Dem würdigen Bruderfeste. Johanni 1830" und wie folgt lautet: Fünfzig Jahre sind vorüber Doch lebendig stets auf's neue Ausgesä't in weiter Ferne, So, die Menschheit fort zu ehren, Als wenn wir beisammen wären, Kräftig uns zusammen sein! Die Logenliste von 1832 meldet den Heimgang von Goethe I, Moltke, Klein, Vogt I und Goethe II. Nur 4 Monate nach des Vaters Maurer-Jubiläum war der Sohn entschlafen! Aus meiner flüchtigen Skizze über die Geschichte der Loge Amalia von 1780 bis 1832 geht hervor, dass Goethe zwar niemals ein Logenamt bekleidet hat, dennoch aber stets wie er dies in allen anderen Kreisen war der Krystallisationskern seiner geliebten Bauhütte gewesen ist. Am Logenleben betheiligte er sich eifrig, den Sitzungen des historischen Engbundes wohnte er wenn irgend möglich bei und unterliess überhaupt nichts, um die Loge zu stützen und zu fördern. „Ununterbrochen, sagt Kanzler von Müller in seiner am 9. November 1832 auf Goethe gehaltenen Trauerrede nahm er an jedem bedeutungsvollen Ereigniss, an jedem grösseren Fest der Loge so lebhaften Antheil, dass die wichtigeren Reden, Gesänge und Anordnungen meist seiner vorausgehenden Prüfung und Billigung sich erfreuen durften." Aber nicht nur in der Loge zeigte sich Goethe stets als ein vollkommener Freimaurer, sondern er verstand auch wie kein Anderer, die freimaurerischen Ideen in die Aussenwelt zu tragen und sie in allen Zweigen der Geisteskultur und des praktischen Lebens zur An schauung zu bringen. Seitdem Goethe Mitglied des Bundes geworden war, hat er kein grösseres Werk verfasst, welches nicht von freimaurerischen Accorden durchklungen, hat er keine That vollbracht, welche nicht auf freimaurerischen Ursprung zurückzuführen wäre. — In der Cottaschen Gesammtausgabe von Goethes Werken sind unter der Ueberschrift „Loge" nur 9 Gedichte: Symbolum Verschwiegenheit, Gegentoast der Schwestern, Zum 24. October 1820, Trauerlage der Princessin Karoline gewidmet 1816, Dank des Sängers, Zur Logenfeier des 3. Septembers 1825 Einleitung, Zwischengesang, Schlussgesang und Dem würdigen Bruderfeste Johanni 1830 aufgeführt; aber wie sehr würde man irren, wenn man hieraus schliessen wollte, dass sonst nichts auf die Loge Bezügliches von Goethe gedichtet worden sei. Eine kleine Blumenlese aus den Gedichten, wie solche in der Cottaschen Gesammtausgabe aufeinader folgen, möge mir zum Beweise des Gesagten gestattet sein. Zuerst führe ich das Bundeslied: „,,In allen guten Stunden, Erhöht von Lieb und Wein etc." welches freilich schon 1775, also 5 Jahre vor Goethes Aufnahme gedichtet worden ist, sowie das Tischlied: "Mich ergreift, ich weiss nicht wie, himmlisches Behagen" an, welche beide noch heute mit Recht als Musterlieder bei Tafellogen betrachtet werden. Goethe war eben schon vor seiner Reception Freimaurer. Und welche Fülle maurerischer Weisheit hat der Unsterbliche in den 1796 gedichteten Epigrammen, welche er „Vier Jahreszeiten" betitelt, niedergelegt! Ich erinnere hier nur an die Distichen Nr. 49, 50, 51, 55, 58, 76 und 77. In den Jahren 1784 und 1785 dichtete Goethe die Geheimnisse, jenes wunderbare Fragment, welches specifisch freimaurerischen Inhalts ist, wie das aus der ebenfalls in den sämmtlichen Werken des Dichters befindlichen Erklärung vom Jahre 1816 ohnehin zweifellos hervorgeht. Es möge mir gestattet sein, den Schluss der Goethe'schen Erörterungen hier wörtlich anzuführen: Wäre dieses Gedicht vor 30 Jahren, wo es ersonnen und angefangen worden, vollendet erschienen, so wäre es der Zeit einigermassen vorgeeilt. Auch gegenwärtig, obgleich seit jener Epoche die Ideen sich erweitert, die Gefühle gereinigt, die Ansichten aufgeklärt haben, würde man das nun allgemein Anerkannte im poetischen Kleide vielleicht gerne sehen und |