ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub
[ocr errors]

Handlungen Leid zu folgen hat, dass sie Leid verdienen", durch Leid zu „vergelten", dass sie strafwürdig seien, bildet zu dem ,,an sich tadelnswerth" und dem,,kategorisch verboten" ein Pendant. Die drei Phänomene sind auf demselben Stengel gewachsen.

Eine Handlung ist an sich tadelnswerth, bedeutet: ein Bewusstsein in mir erklärt, dass sie tadelnswerth sei.

Eine Handlung ist kategorisch verboten, bedeutet: ein Bewusstsein in mir erklärt, dass sie nicht gethan werden solle.

Eine Handlung ist strafwürdig, bedeutet: ein Bewusstsein in mir erklärt, dass sie durch Leid zu vergelten sei.

Für welche Handlungen das Bewusstsein Leid fordert und wie viel Leid, ist nach den Zeitaltern verschieden, in denen die Bewusstseinsträger geboren werden. Zum Beispiel: Die Vorstellung eines Kindermordes ist uns mit dem Urtheil, Leid sei die geziemende Folge, vergesellschaftet worden, und daher fordern wir Leid, wenn uns ein Kindermord vorkommt. Der Tahitier, anders gewöhnt, stellt nicht eine solche Forderung. Eine bedeutende Anzahl vornehmer Tahitier beiderlei Geschlechts, sagt Lubbock, bilden eine Gesellschaft, deren Mitglieder für Alle unter einander verheirathet gelten. Bekommt eine zu der Gesellschaft gehörende Frau ein Kind, so wird es fast ausnahmslos getödtet. Schenkt man ihm aber das Leben, so werden Vater und Mutter aus der Gesellschaft gestossen. Die Frau nannte man Kindergebärerin, und das galt für ein Schimpfwort (Vorg. Zeit p. 188). Ellis (nachdem er bemerkt hat, dass alle Kinder dieser ,,Areoi Institution" auf den ausdrücklichen Befehl der Schutzgottheiten getödtet werden müssen) bezeichnet die Tahitier als eine

Nation, bei welcher der Mord gesetzlich sanktionirt sei (Polyn. ress. I, p. 35). Durch Ellis und andere Missionare wurden ihnen dann Gesetze wider den Kindermord aufgezwungen, deren eines lautet: Von der Gottheit haben wir (Gesetzgeber) unsere Machtvollkommenheit. Wenn Eltern ihre Kinder tödten, sollen sie in einen entfernten, unbewohnten Landstrich deportirt werden. Dort mögen solche Verbrecher bleiben, bis sie sterben (Polyn. r. II, p. 427). Von diesem Gesetz erzogene Tahitier werden Kindermord nun für ,,Unrecht" halten. Ein Bewusstsein in ihnen wird den Ausspruch thun, dass er durch Leid, etwa durch Deportation zu vergelten sei. Das Urtheil, eine Ehe zwischen Personen verschiedenen Standes sei strafwürdig, ist uns nicht eingepflanzt worden. Wenn Goethe's Tasso etwa mit einer Heirath zwischen ihm und der Prinzessin endigte, würde unser Gerechtigkeitsgefühl nicht verletzt werden. Ein alter Sachse, anders belehrt, hätte als Sühne eines solchen Verbrechens Tasso's Hinrichtung verlangt: Wenn einer von diesen (den Sachsen), bemerkt Adam von Bremen, eine heimführt, die höheren Standes ist, als er, so muss er dafür mit Verlust des Lebens büssen (1, 6). Welche Umstände und Personen, historisch betrachtet, dies Urtheil gemacht haben, lassen wir unberücksichtigt. Das Factum interessirt uns hier, dass die Urtheilsgewohnheit willfährig jede beliebige Handlung als Unrecht bezeichnet.

Thompson's Schilderung des Neuseeländischen Tapu ist zugleich eine Entstehungsgeschichte des Begriffs Unrecht. Tapu bedeutet etwa Unantastbarkeit. Sachen oder Personen Tapu erklären, besagt: ihre Verletzung ist nun Unrecht, verdient Strafe. Thompson bezeichnet als Quelle solcher Urtheile politische Motive und Aberglauben. Dieser Ursprung

ist jedoch, wie ausdrücklich von ihm bemerkt wird, vergessen. Als Beispiel des Tapu nennt er Personen, welche Kartoffeln pflanzen, Futter- und Saathäuser, Bäume, welche sich zu guten Canoes eignen, Flüsse, Wege, Fischgründe, Plätze, wo Vögel Eier legen, kurz: Häuptlinge und Priester besitzen die Macht, jedes beliebige Ding tapu zu machen. Verletzer des Tapu werden von den Göttern und den Menschen bestraft; von den ersteren durch Krankheit und Tod, von den letzteren mit Ausschliessung aus der Gemeinschaft, Verlust des Eigenthums, Todesstrafe. Ein Neuseeländer würde sagen, dass bei den römisch-katholischen Stämmen zu gewissen Jahreszeiten Thierfleisch Tapu ist, und dass in England Tausende ins Gefängniss geworfen und der Sclaverei überantwortet werden, weil sie die zahlreichen Tapu in England verletzt haben. Manche Vorschriften des Neuseeländischen Tapu sind mit dem siebenten Gebot in Uebereinstimmung. Für Tapu erklärte Saaten und Felder entsprechen den englischen Gesetzen zum Schutz des Eigenthums. Die Tapu-Erklärung über Weiber ist eine Analogie der Ehe (Story of New-Zeal. p. 100 ff.).

Dass Handlungen, welche der Staat aus Nützlichkeitsrücksichten mit Leid bedroht, danach um ihrer selbst willen Leid zu verdienen scheinen, ist besonders an der altnordischen Seeräuberei sichtbar. Dieselbe wurde anfangs von den Menschen wie von ihren Göttern auf's höchste geehrt (cf. p. 19). Später, als Ackerbau und Gewerbe aufblühten und die Macht des Staates zunahm, wurde sie verboten; zuerst von Harald dem Schönhaarigen. Die friedliebenden Herrscher nach ihm begünstigten die neue Anschauung, bis endlich Olaf der Heilige Räuberei jeder Art auf das strengste untersagte. Er

74

bestrafte Vikinger, obgleich sie oft Söhne der mächtigsten Häuptlinge waren, mit Verstümmelung oder dem Tode, und weder Bitten noch Geld vermochten die Strafe abzuwenden (Turner, Anglo Sax. III, p. 213). Dadurch vertauschte das Wort víking seine lobende Nebenbedeutung mit einer tadelnden. Der später Geborene verlangte unwillkürlich, wenn Seeräuberei vorfiel, dass sie um ihrer selbst willen durch Leid vergolten, dass sie bestraft werde.

Nun kann der folgende Satz ausgesprochen werden: Die Strafe ist nicht eine Folge des Gerechtigkeitsgefühls, sondern das Gerechtigkeitsgefühl ist eine Folge der Strafe.75

Bisher hat die Forschung den umgekehrten Satz zum Ausgangspunkt genommen. Im Gerechtigkeitsgefühl sah sie das

74 Viking kommt von vík Bucht, weil diese Seeräuber in Buchten lagen, um nach Handelsschiffen auszuschauen. Ing ist eine wohlbekannte Endung, welche hier Beruf oder Beschäftigung bedeutet (Turner).

75 Cf. J. St. Mill. Utilit. p. 70: In most, if not in all, languages, the etymology of the word which corresponds to Just, points to an origin connected either with positive law, or with that which was in most cases the primitive form of law authoritative custom. Justum is a form of jussum, that which has been ordered. Jus is of the same origin. Aixalov comes from díxn, of which the principal meaning, at least in the historical ages of Greece, was a suit at law. Originally, indeed, it meant only the mode or manner of doing things, but it early came to mean the prescribed manner; that which the recognised authorities, patriarchal, judicial, or political, would enforce. Recht, from which came right and righteous, is synonymous with law. The original meaning indeed of recht did not point to law, but to physical straightness; as wrong and its Latin equivalents meant twisted or tortuous; and from this it is argued that right did not originally mean law, but on the contrary law meant right. The courts of justice, the administration of justice, are the courts and the administration of law. La justice, in French, is the established term for judicature. There can, I think, be no doubt that the idée mère, the primitive element, in the formation of the notion of justice, was conformity to law.

Ursprüngliche, die Quelle der Strafe. Allen Menschen vindicirte sie ein Vergeltung forderndes Bewusstsein a priori, welches gelegentlich solcher Handlungen wie Raub und Mord sich äussere; auch die Einsetzung der öffentlichen Strafe herbeigeführt habe.76 Woher dies Bewusstsein? Weshalb tritt es gerade bei solchen Handlungen hervor? Hierauf wusste man nichts zu erwiedern, als: Gott habe es so eingerichtet oder das Ding an sich, die All-Einheit.

Wenn man statt dessen von der Strafe ausgeht, bedarf man der übersinnlichen Lückenbüsser nicht. Die Strafe ist ja zunächst nur ein Uebel, welches über schädliche Handlungen aus Nützlichkeitsgründen verhängt wird. Das erste Gerechtigkeitsgefühl bildete sich, als diese Strafe, beglaubigt von den (anthropomorphen) Göttern, auf das Bewusstsein der Menschen einwirkte. Unwillkürlich sah ihr Bewusstsein nach Leid als der geziemenden Folge sich um, wenn es auf Handlungen stiess, die als mit Leid zu verfolgende ihm von Göttern und Menschen dargestellt waren. Somit ist das Gerechtigkeitsgefühl nicht etwas Uebersinnliches, sondern wurzelt in dem Vermögen, zwei Vorstellungen mit einander zu verbinden, nämlich die Vorstellung irgend einer Handlung und die Vorstellung, dass Leid auf die Handlung zu folgen habe. Die beiden Vorstellungen, im Bewusstsein zu einer Gesammt

78 Besonders nachdrücklich spricht der Kirchenvater Chrysostomus diesen Gedanken aus. Ad pop. Antioch. homil. 12: Woher (fragt er die Heiden) haben denn eure Gesetzgeber so viele Gesetze über die Ehe, den Mord, die Testamente, die Depositen gegeben? Die späteren haben es vielleicht von den früheren gelernt, aber woher die früheren? Woh er anders als aus dem Gewissen, aus dem Gesetz, welches Gott anfangs in die menschliche Natur pflanzte. So sind auch die Gerichte entstanden und die Strafe bestimmt worden (s. Stäudlin, Gesch. d. Lehr. v. Gewissen p. 57).

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »