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wärtig halten, daß aus diesen drei Jahrtausenden die geschichtlichen Quellen noch lange nicht mit solcher Reichhaltigkeit fließen, daß wir im stande wären, alle Völker, Völkergruppen und Rassen, die sich über Vorderasien ergossen haben, klar zu erkennen und zu bestimmen. Von manchem Wichtigen werden wir überhaupt noch nichts ahnen und manche Erscheinung, die uns nur mangelhaft bezeugt ist, ihrem Wesen nach noch schief beurteilen müssen.

Die Wiege der vorderasiatischen Kultur ist Babylonien, gleich dem Niltal durch einen fruchtbaren und reich bewässerten Boden zur Entwicklung einer Kultur von der Natur bestimmt. Der natürliche Bereich dieser Kultur ist etwa durch die Schiffbarkeitsgrenze des Euphrat gegeben; von dessen Austritt aus den armenischen Gebirgen bis zum persischen Meere ist das Land durch den Fluß als natürliche Verkehrsstraße, das wichtigste Erfordernis für das Entstehen und die Erhaltung der Einheit eines Kulturbereiches, geeint und auf das Zusammenhalten seiner Völker durch gleichartige Lebensinteressen hingewiesen, - wieder in gleicher, wenn auch nicht in so schroff ausgeprägter Weise wie das zu beiden Seiten von der Wüste umgebene Niltal.

Dieser Unterschied zwischen den Gebieten, welche Euphrat und Nil durchströmen, ist es, welcher dazu geführt hat, die babylonische Kultur zur maßgebenden in Vorderasien zu machen und im Leben ihrer Völker höhere Entwicklungsstufen zu zeitigen, als in dem der gleichalterigen ägyptischen. Das Niltal bildet eine abgeschlossene Welt für sich, welche höchstens nach Süden hin, also in seinem oberen Lauf, den Einwanderungen von Naturvölkern einen Zugang bietet. Dagegen sind die Euphratländer nach drei Seiten hin, nach Süden, Nordosten und Nordwesten, von Gebieten umgeben, welche weniger kultivierten Völkern als Wohnsize und Tummelplatz zu allen Zeiten gedient haben und von wo daher unaufhörlich die Angriffe der Barbaren auf das reiche Kulturland erfolgt sind. Nach Westen hin ist das Land bis zum Meere, Syrien, zu schmal, um eine „Völkerkammer" zu bilden. Wir werden sehen, daß es denjenigen Einwanderungen, welche von Süden, von Arabien, und von Nordwesten, Kleinasien, her erfolgten, in der Regel zuerst erlag, wie es denn vor ihnen offener dalag, als die vom Euphrat umflossenen Gebiete.

Unsere geschichtlichen Quellen reichen bei weitem nicht in die Urzeiten der babylonischen Kultur hinauf, und diejenigen Denkmäler, aus welchen der Prähistoriker die Geschichte einer Zeit herauszulesen sucht, welche noch keine geschriebene Urkunde kennt, deckt im alten

Babylonien noch der Boden. Ihre Erklärung kann zudem auch erst gelingen, wenn die geschichtliche, die mittels ihrer Sprache und ihren eigenen Aufzeichnungen zu uns redende Zeit wieder klar vor uns liegt. Das letztere ist nur eine Frage der Zeit, oder besser des Geldes, denn die geschriebenen Urkunden uns zu erobern bedarf es nur der nötigen Geldmittel; wo sie liegen wissen wir, und ihr Inhalt bietet uns keine unlösbaren Rätsel mehr. Sobald sie der Welt zugänglich werden, werden wir über Fragen des dritten vor= christlichen Jahrtausends besser unterrichtet sein, als über Hellas im 5. und über Rom im 4. und 3., ja 2. Jahrhundert.

Das Vorhandensein geschriebener Urkunden, und obendrein rein geschichtlicher, d. h. erzählender, über bedeutsame Ereignisse und Taten berichtender Aufzeichnungen, seht bereits ein langes Bestehen der Kultur voraus. Die Entwicklung von der Schriftmalerei der „Wilden“ bis zum klaren Wort- und Lautausdruck durch die Schrift erfordert eine lange Kulturarbeit im Völkerleben, und je einfacher und den Urzuständen näher die Kulturstufe eines Volkes noch ist, um so länger dauert ihre Überwindung. Gleich bedeutende Umwälzungen, wie sie unsere Kultur jezt in einem Menschenalter vollzieht, haben unter den Verhältnissen des Altertums und Mittelalters Jahrhunderte gebraucht, und die Barbarenwelt durchläuft ihre Ent= wicklungsstufen in noch viel größeren Zeiträumen.

Wenn daher die ältesten uns bekannten Schriftdenkmäler Babyloniens bis vor 3000 v. Chr. hinaufreichen, so folgt daraus, daß Jahrtausende vorher schon dort die Anfänge derjenigen Kultur sich gebildet haben, welche um diese Zeit mit Mitteln zu uns redet, wie sie im Grunde bis zum Ende des Mittelalters, ohne alle grundsägliche Änderung aber im ganzen Altertum, das klassische inbegriffen, dieselben geblieben sind. Diese Jahrtausende sind für uns noch vorgeschichtlich, und sie werden im eigentlichen Sinne des Wortes auch prähistorisch bleiben, denn geschichtliche, erzählende Urkunden, welche zeitlich weit über die uns jezt bekannten hinaufreichen würden, werden kaum in größerem Umfange gefunden werden. Auf keinen Fall kann es sich dabei um eine Hinaufrückung der Grenze um mehr als Jahrhunderte handeln. Welche Höhe aber Kulturen namentlich in technischer Beziehung und in der Befriedigung von Bedürfnissen des praktischen Lebens erreichen können, ohne sich der Schrift zu bedienen, das zeigen die vorgeschichtlichen" amerikanischen Kulturen mit ihren gewaltigen Bauten, ihren den römischen überlegenen Straßenanlagen und ihren staatlichen Organisationen.

Die Kulturarbeit, welche Jahrhunderte und Jahrtausende um= faßt, ist nicht das Werk eines Volkes, auch kaum das einer Rasse. Auch die Zeiten, welche uns keine geschichtlichen Aufzeichnungen hinterlassen, haben ihre Geschichte, und Völker, deren Verdienst unter anderen die Kulturerrungenschaft der Schriftentwicklung bildet, haben auch ein hochentwickeltes volkswirtschaftliches und politisches Leben und damit eine Geschichte, die darum nicht weniger bewegt gewesen ist, weil wir wohl für immer darauf verzichten werden müssen, sie im „Lichte der Geschichte“ zu sehen.

Dieser Zeit, also der noch, und vielleicht für immer, vorgeschichtlichen, müssen wir das Volk, oder eigentlich die Rasse zuerteilen, welche diese Kulturarbeit vollzogen hat, und welche uns daher als „Schöpfer“ der babylonischen Kultur gilt. Wir werden Rasse und nicht Volk sagen müssen, denn wenn wir uns darüber flar sind, daß je älter und niedriger sie sind, um so länger die einzelnen Kulturstufen dauern, so gilt von der Dauer der einzelnen Völker im niedriger stehenden Kulturleben nicht das gleiche, sondern eher das Gegenteil. Die Kultur liefert die Mittel, um den weniger entwickelten angreifenden Völkern Widerstand zu leisten, und je höher ein Volk entwickelt ist, um so kräftigeren Widerstand wird es daher andrängenden Barbaren entgegenseßen können. Wo Kulturvölker durch Barbaren überrannt werden, sind sie daher stets selbst ihre eigenen Besieger gewesen, indem ihre innere Entwicklung sie zur Auflösung geführt hatte und sie so eine wehrlose Beute der lebensfrischen Eindringlinge werden ließ.

Wenn wir also sehen werden, wie in geschichtlicher Zeit alle paar Jahrhunderte ein neues Volk, auch neue Rassen auf dem umworbenen Boden des reichen Kulturlandes erscheinen, so müssen wir ein gleiches für die langen Zeiten der noch vorgeschichtlichen, aber doch bereits im Zeichen einer hohen Kultur stehenden Epochen annehmen und uns gegenwärtig halten, daß das Volk oder die Rasse, deren Dasein wir in der ältesten geschichtlichen Zeit nur aus einzelnen Überresten oder aus Spuren seiner Wirksamkeit feststellen können, in ihrer Geschichte das gleiche Bild geboten haben muß, wie es in geschichtlicher Zeit sich immer wieder vor unseren Blicken entrollt. Wenn wir also sehen, wie später aus den drei großen Völkerkammern" immer neue Massen verschiedenster Rasseangehörigkeit sich über Babylonien ergießen, um dort ihr Schicksal zu erfüllen, und wenn wir finden, daß troy alledem diese babylonische Kultur uns als semitisch gilt, so müssen wir entsprechend Erscheinungen von

mindestens gleicher Dauer in der vorgeschichtlichen Zeit annehmen, deren Träger Völker einer anderen Rasse gewesen sind.

Als bequemstes und hervorstechendstes Merkmal der Selbständigkeit und Zusammengehörigkeit eines Volkes als geschichtlichen und politischen Faktors, als Zeichen seiner „Nationalität“, gilt uns seine Sprache, das Mittel, durch welche es uns zugleich seine Geschichte überliefert. So überlebt von einem Volk oder einer Rasse, welche im Kulturleben der gesamten Menschheit eine maßgebende Rolle gespielt hat, auch die Sprache die nationale Existenz des Volkes und bleibt lange hinaus noch lebendig als Überlieferungsmittel der Kulturerrungenschaften, welche auf die Erben, die neuen Völker, übergegangen sind. Ist in unserer eigenen Kultur bereits das Lateinische und seine Bedeutung für die nachrömischen Zeiten der sprechendste Zeuge für diese Thatsachen, so haben wir in der Sprache der vorsemitischen Bewohner Babyloniens eine gleiche Erscheinung vor uns. Wie unser Mittelalter eine geistige Abhängigkeit vom alten Rom und dessen Erbschaft durch seine Pflege und seinen Gebrauch des Lateinischen schon rein äußerlich zum Ausdruck bringt, so hat die babylonische Kultur für drei Jahrtausende hindurch, während welcher wir sie kennen, noch die alte Sprache jenes Volkes oder jener Rasse gepflegt und sie als heilige Kult- und, was unter jenen Verhältnissen dasselbe ist, als „wissenschaftliche“ Sprache gepflegt.

Wir nennen diese Sprache die sumerische, weil in den späteren grammatischen Aufzeichnungen der eine der beiden Dialekte, in welchem sie aufbewahrt worden ist, und welcher die älteren Sprachformen erhalten hat, als „Sprache des Landes Sumer" bezeichnet wird. Der andere Dialekt wird „Sprache des Landes Akkad" genannt. Sumer und Akkad sind Bezeichnungen für Südund Nordbabylonien, welche in vorsemitische Zeit zurückgehen mögen. Wir können vernünftiger Weise dem alten vorgeschichtlichen Volke keinen andern Namen geben, als denjenigen, der uns durch die spätere Überlieferung an die Hand gegeben wird. Wie wenig er geeignet ist, das zu umfassen, was wir als Volk oder Völker an= sehen müssen, welche vor dem Auftreten von Semiten die Kultur im Euphratlande entwickelt haben, ist durch das bisher ausgeführte betont worden.

Wir kennen demnach diese „Sumerer" nur aus der Kultur, welche sie den erobernden Semiten hinterlassen haben, und unter deren Überbleibseln uns ihre Sprache, in der gedachten Weise gepflegt, als deutlichstes Zeugnis entgegentritt. Zweifellos wird es im Laufe der

Zeit gelingen, noch vieles festzustellen, was ihnen eigentümlich und von den einwandernden Semiten erst angenommen worden ist. Vorläufig aber verliert sich diese Einwanderung selbst für uns noch im unklaren Frühlichte der Geschichte, so daß eine Scheidung zwischen Sumerischem und Semitischem der ersten semitischen Einwanderer auf babylonischem Boden noch für lange nicht möglich sein wird. Wie jedes Barbarenvolk haben diese Semiten die vorgefundene Kultur sich angeeignet und sind ihrem Bann verfallen. Sie haben ihr auch manches von ihrem eigenen Wesen aufgeprägt - darunter ihre Sprache aber ihre eigene Art ist in ungleich höherem Maße dadurch beeinflußt worden, und da wir diese Semiten eben erst kennen lernen, nachdem sie diesen Entwicklungsgang durchgemacht haben, und auch dann von dem Verlauf ihrer Geschichte, als der ältesten babylonischen, noch herzlich wenig wissen, so müssen auch Rückschlüsse von diesen halb unklaren Erscheinungen auf die ganz dunkle der Sumerer noch unterbleiben.

Wir nehmen also an, daß Babylonien zu der Zeit, wo unsere Quellen anfangen zu sprechen, im 4. Jahrtausend, sich bereits im Besiz einer neuen Bevölkerung von anderer Rasse befindet, welche ihren Nationalcharakter soweit behauptet hat, daß sie die alte von ihr heilig gehaltene Sprache und Art der Sumerer immer mehr durch ihre eigene verdrängt hat und daß deren Einwirkungen stark genug gewesen sind, um ihrerseits für die folgenden Einwanderer eine ähnliche Bedeutung zu erlangen, wie sie ihre Vorgänger für sie gehabt hatten. Durch diese Einwanderung ist Babylonien ein semitisches Land geworden, die Sprache und Bevölkerung sind in dem Sinne semitisch, wie sie vorher sumerisch gewesen waren, und wie die Italiens, seit den Zeiten Roms, romanisch ist.

Die Bezeichnung Semiten für eine Völkergruppe ist ursprünglich der biblischen Einteilung in der sogenannten Völkertafel (1. Mos. 10) entnommen, indem man nach der dort gegebenen Einteilung diejenige Völkergruppe, welcher die Hebräer angehören, und welche von Sem, dem Sohne Noahs, als ihrem Stammherrn abgeleitet wird, als eine Einheit von Völkern ansah. Nach der zur Zeit der Aufnahme dieser Bezeichnung herrschenden Anschauung war diese Benennung um so berechtigter, als die angenommene Zusammengehörigkeit der betreffenden Völker tatsächlich durch die Verwandtschaft ihrer Sprachen bewiesen zu sein schien. Wir sind uns klar darüber, daß die Einteilungsgrundsäße, welche die heutige Wissenschaft befolgt, sich nicht im geringsten mit denen des alten

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