ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

dabei musstet Ihr so viel trommeln und schreien und mit den Füssen trampeln, dass es den ganzen Erdkreis erschütterte. Man erzeigt wirklich dem Maximilian Robespierre zu viel Ehre, wenn man ihn mit dem Immanuel Kant vergleicht. Maximilian Robespierre, der grosse Spiessbürger von der Rue Saint-Honoré, bekam freilich seine Anfälle von Zerstörungswuth, wenn es das Königthum galt, und er zuckte dann furchtbar genug in seiner regiziden Epilepsie; aber sobald vom höchsten Wesen die Rede war, wusch er sich den weissen Schaum wieder vom Munde und das Blut von den Händen, und zog seinen blauen Sonntagsrock an, mit den Spiegelknöpfen, und steckte noch obendrein einen Blumenstrauss vor seinem breiten Brustlatz.

Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben. Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. Er lebte ein mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzenleben, in einem stillen abgelegenen Gässchen zu Königsberg, einer alten Stadt an der nordöstlichen Grenze Deutschlands. Ich glaube nicht, dass die grosse Uhr der dortigen Kathedrale leidenschaftsloser und regelmässiger ihr äusseres Tagewerk vollbrachte, wie ihr Landsmann Immanuel Kant. Aufstehn, Kaffeetrinken, Schreiben, Collegienlesen, Essen, Spazierengehn, Alles hatte seine bestimmte Zeit, und die Nachbaren wussten ganz genau, dass die Glocke halb vier sei, wenn Immanuel Kant, in seinem grauen Leibrock, das spanische Röhrchen in der Hand, aus seiner Hausthüre trat, und nach der kleinen Lindenallee wandelte, die man seinetwegen noch jetzt

den Philosophengang nennt. Achtmal spazierte er dort auf und ab, in jeder Jahrzeit, und wenn das Wetter trübe war oder die grauen Wolken einen Regen verkündigten, sah man seinen Diener, den alten Lampe, ängstlich besorgt hinter ihm drein wandeln, mit einem langen Regenschirm unter dem Arm, wie ein Bild der Vorsehung.

Sonderbarer Contrast zwischen dem äusseren Leben des Mannes uud seinen zerstörenden, weltzermalmenden Gedanken! Wahrlich, hätten die Bürger von Königsberg die ganze Bedeutung dieses Gedankens geahnt, sie würden vor jenem Manne eine weit grauenhaftere Scheu empfunden haben als vor einem Scharfrichter, vor einem Scharfrichter, der nur Menschen hinrichtet aber die guten Leute sahen in ihm nichts anderes als einen Professor der Philosophie, und wenn er zur bestimmten Stunde vorbeiwandelte, grüssten sie freundlich, und richteten etwa nach ihm ihre Taschenuhr.

Wenn aber Immanuel Kant, dieser grosse Zerstörer im Reiche der Gedanken, an Terrorismus den Maximilian Robespierre weit übertraf, so hat er doch mit diesem manche Aehnlichkeiten, die zu einer Vergleichung beider Männer auffordern. Zunächst finden wir in beiden dieselbe unerbittliche, schneidende, poesielose, nüchterne Ehrlichkeit. Dann finden wir in beiden dasselbe Talent des Misstrauens, nur dass es der Eine gegen Gedanken ausübt und Kritik nennt, während der Andere es gegen Menschen anwendet und republika

nische Tugend betitelt. Im höchsten Grade jedoch zeigt sich in beiden der Typus des Spiessbürgerthums die Natur hatte sie bestimmt, Kaffee und Zucker zu wiegen, aber das Schicksal wollte, dass sie andere Dinge abwögen, und legte dem Einen einen König und dem anderen einen Gott auf die Wagschale.....

Und sie gaben das richtige Gewicht!

Die „Kritik der reinen Vernunft" ist das Hauptwerk von Kant, und wir müssen uns vorzugsweise damit beschäftigen. Keine von allen Schriften Kant's hat grössere Wichtigkeit. Dieses Buch, wie schon erwähnt, erschien 1781, und wurde erst 1789 allgemein bekannt. Es wurde anfangs ganz übersehen, nur zwei unbedeutende Anzeigen sind damals darüber erschienen, und erst spät wurde durch Artikel von Schütz, Schulz und Reinhold die Aufmerksamkeit des Publikums auf dieses grosse Buch geleitet. Die Ursache dieser verzögerten Anerkenntniss liegt wohl in der ungewöhnlichen Form und schlechten Schreibart. In Betreff der letztern verdient Kant grösseren Tadel, als irgend ein anderer Philosoph; um so mehr, wenn wir seinen vorhergehenden besseren Styl erwägen. Die kürzlich erschienene Sammlung seiner kleinen Schriften enthält die ersten Versuche, und wir wundern uns da über die gute, manchmal sehr witzige Schreibart. Während Kant im Kopfe schon sein grosses Werk ausarbeitete, hat er diese kleinen Aufsätze vor sich hingeträllert. Er lächelt da wie ein Soldat, der sich ruhig waffnet, um in eine Schlacht zu gehen, wo er

gewiss zu siegen denkt. Unter jenen kleinen Schriften sind besonders merkwürdig: ,,Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels," geschrieben schon 1755;,,Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen," geschrieben zehn Jahre später, so wie auch,,Träume eines Geistersehers," voll guter Laune in der Art der französischen Essai's. Der Witz eines Kant, wie er sich in diesen Schriftchen äussert, hat etwas höchst eigenthümliches. Der Witz rankt da an dem Gedanken, und trotz seiner Schwäche erreicht er dadurch eine erquickliche Höhe. Ohne solche Stütze freilich kann der reichste Witz nicht gedeihen; gleich der Weinrebe, die eines Stabes entbehrt, muss er alsdann kümmerlich am Boden hinkriechen und mit seinen kostbarsten Früchten vermodern.

Warum aber hat Kant seine Kritik der reinen Vernunft in einem so grauen, trocknen Packpapierstyl geschrieben? Ich glanbe, weil er die mathematische Form der Descartes-Leibnitz-Wolfianer verwarf, fürchtete er, die Wissenschafi möchte etwas von ihrer Würde einbüssen, wenn sie sich in einem leichten, zuvorkommend heiteren Tone ausspräche. Er verlieh ihr daher eine steife, abstrakte Form, die alle Vertraulichkeit der niederen Geistesklassen kalt ablehnte. Er wollte sich von den damaligen Popularphilosophen, die nach bürgerlichster Deutlichkeit strebten, vornehm absondern und er kleidete seine Gedanken in eine hofmännisch abgekältete Kanzleisprache. Hier zeigt sich ganz der Philister. Aber vielleicht bedurfte Kant zu seinem sorgfältig gemessenen Ideengang auch einer Sprache,

die sorgfältig gemessener, und er war nicht im Stande, eine bessere zu schaffen. Nur das Genie hat für den neuen Gedanken auch das neue Wort. Immanuel Kant war aber kein Genie. Im Gefühl dieses Mangels, ebenso wie der gute Maximilian, war Kant um so misstrauischer gegen das Genie, und in seiner Kritik der Urtheilskraft behauptete er sogar, das Genie habe nichts in der Wissenschaft zu schaffen, seine Wirksamkeit gehöre in's Gebiet der Kunst.

Kant hat durch den schwerfälligen, steifleinenen Styl seines Hauptwerks sehr vielen Schaden gestiftet. Denn die geistlosen Nachahmer äfften ihn nach in dieser Aeusserlichkeit, und es entstand bei uns der Aberglaube, dass man kein Philosoph sei, wenn man gut schriebe. Die mathematische Form jedoch konnte, seit Kant, in der Philosophie nicht mehr aufkommen. Dieser Form hat er in der Kritik der reinen Vernunft ganz unbarmherzig den Stab gebrochen. Die mathematische Form in der Philosophie, sagte er, bringe nichts als Kartengebäude hervor, so wie die philosophische Form in der Mathematik nur eitel Geschwätz hervorbringt. Denn in der Philosophie könne es keine Definizionen geben, wie in der Mathematik, wo die Definizionen nicht diskursiv, sondern intuitiv sind, d. h. in der Anschauung nachgewiesen werden können; was man Definizionen in der Philosophie nenne, werde nur versuchsweise, hypothetisch, vorangestellt; die eigentlich richtige Definizion erscheine nur am Ende als Resultat.

HEINE. Der Salon II.

9

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »