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so hat man ihm doch nie nachsagen können, dass er ein Spiritualist sei.

Aber niehr noch als die Gesinnung des Teufels verkannte Martin Luther die Gesinnung des Papstes und der katholischen Kirche. Bei meiner strengen Unparteiligkeit muss ich beide, eben so wie den Teufel, gegen den allzueifrigen Mann in Schutz nehmen. Ja, wenn man mich auf's Gewissen früge, würde ich eingestehn, dass der Papst, Leo X., eigentlich weit vernünftiger war, als Luther, und dass dieser die letzten Gründe der katholischen Kirche gar nicht begriffen hat. Denn Luther hatte nicht begriffen, dass die Idee des Christenthums, die Vernichtung der Sinnlichkeit, gar zu sehr in Widerspruch war mit der menschlichen Natur, als dass sie jemals im Leben ganz ausführbar gewesen sey; er hatte nicht begriffen, dass der Katholizismus gleichsam ein Concordat war zwischen Gott und dem Teufel, d h. zwischen dem Geist und der Materie, wodurch die Alleinherrschaft des Geistes in der Theorie ausgesprochen wird, aber die Materie in den Stand gesetzt wird alle ihre annullirten Rechte in der Praxis auszuüben. Daher ein klnges System von Zugeständnissen, welche die Kirche zum Besten der Sinnlichkeit gemacht hat, obgleich immer unter Formen, welche jeden Akt der Sinnlichkeit fletriren und dem Geiste seine höhnischen Usurpazionen verwahren. Du darfst den zärtlichen Neigungen des Herzens Gehör geben und ein schönes Mädchen umarmen, aber du musst eingestehn, dass es eine schändliche Sünde war, und für diese Sünde musst du Abbusse thun. Dass diese Abbusse durch Geld geschehen konnte, war eben

so wohlthätig für die Menschheit, wie nützlich für die Kirche. Die Kirche liess so zu sagen Wehrgeld bezahlen für jeden fleischlichen Genuss, und da entstand eine Taxe für alle Sorten von Sünden, und es gab heilige Colporteurs, welche, im Namen der römischen Kirche, die Ablasszettel für jede taxirte Sünde im Lande feil boten, und ein solcher war jener Tetzel, wogegen Luther zuerst anftrat. Unsere Historiker meinen, dieses Protestiren gegen den Ablasshandel sey ein geringfügiges Ereigniss gewesen, und erst durch römischen Starrsinn sey Luther, der anfangs nur gegen einen Missbrauch der Kirche geeifert, dahin getrieben worden, die ganze Kirchenautorität in ihrer höchsten Spitze anzugreifen. Aber das ist eben ein Irrthum, der Ablasshandel war kein Missbrauch, er war eine Consequenz des ganzen Kirchensystems, und indem Luther ihn angriff, hatte er die Kirche selbst angegriffen, und diese musste ihn als Ketzer verdammen. Leo X., der feine Florentiner, der Schüler des Polizian, der Freund des Raphael, der griechische Philosoph mit der dreifachen Krone, die ihm das Conclav vielleicht deshalb ertheilte, weil er an einer Krankheit litt, die keineswegs durch christliche Abstinenz entsteht nnd damals noch sehr gefährlich war.... Leo von Medicis, wie Imusste er lächeln über den armen, keuschen, einfältigen Mönch, der da wähnte, das Evangelium sey die Charte des Christenthums, und diese Charte müsse eine Wahrheit seyn! Er hat vielleicht gar nicht gemerkt, was Luther wollte, indem er damals viel zu sehr beschäftigt war mit dem Bau der Peterskirche, dessen Kosten eben mit den Ablassgeldern bestritten

wurden, so dass die Sünde ganz eigentlich das Geld hergab zum Bau dieser Kirche, die dadurch gleichsam ein Monument sinnlicher Lust wurde, wie jene Pyramide, die ein aegyptisches Freudenmädchen für das Geld erbaute, das sie durch Prostituzion erworben. Von diesem Gotteshause könnte man vielleicht eher als von dem Kölner Dome behaupten, dass es durch den Teufel erbaut worden. Diesen Triumph des Spiritualismus, dass der Sensualismus selber ihm seinen schönsten Tempel bauen musste, dass man eben für die Menge Zugeständnisse, die man dem Fleische machte, die Mittel erwarb, den Geist zu verherrlichen, dieses begriff man nicht im deutschen Norden. Denn hier, weit eher als unter dem glühenden Himmel Italiens, war es möglich, ein Christenthum auszuüben, das der Sinnlichkeit die allerwenigsten Zugeständnisse macht. Wir Nordländer sind kälteren Blutes, und wir bedurften nicht so viel Ablasszettel für fleischliche Sünden, als uns der väterlich besorgte Leo zugeschickt hatte. Das Klima erleichtert uns die Ausübung der christlichen Tugenden, und am 31. October 1516, als Luther seine Thesen gegen den Ablass an die Thüre der Augustiner-Kirche anschlug, war der Stadtgraben von Wittenberg vielleicht schon zugefroren, und man konnte dort Schlittschuhe laufen, welches ein sehr kaltes Vergnügen und also keine Sünde ist.

Ich habe mich oben vielleicht schon mehrmals der Worte Spiritualismus und Sensualismus bedient; diese Worte beziehen sich aber hier nicht, wie bei den französischen Philosophen, auf die zwei verschiedenen Quellen unserer Erkenntnisse, ich gebrauche sie viel

mehr wie schon aus dem Sinne meiner Rede von selber hervorgeht, zur Bezeichnung jener beiden verschiedenen Denkweisen, wovon die eine den Geist dadurch verherrlichen will, dass sie die Materie zu zerstören strebt, während die andere die natürlichen Rechte der Materie gegen die Usurpazionen des Geistes zu vindiziren sucht.

Auf obige Anfänge der lutherischen Reformazion, die schon den ganzen Geist derselben offenbaren, muss ich ebenfalls besonders aufmerksam machen, da man hier in Frankreich über die Reformazion noch die alten Missbegriffe hegt, die Bossuet durch seine Histoire des variations verbreitet hat und die sich sogar bei heutigen Schriftstellern geltend machen. Die Franzosen begriffen nur die negative Seite der Reformazion, sie sahen darin nur einen Kampf gegen den Katholizismus, und glaubten manchmal, dieser Kampf sei jenseits des Rheines immer aus denselben Gründen geführt worden, wie diesseits, in Frankreich. Aber die Gründe waren dort ganz andere als hier, und ganz entgegengesetzte. Der Kampf gegen den Katholizismus in Deutschland war nichts anders als ein Krieg, den der Spiritualismus begann, als er einsah, dass er nur den Titel der Herrschaft führte, und nur de jure herrschte, während der Sensualismus, durch hergebrachten Unterschleif, die wirkliche Herrschaft ausübte und de facto herrschte; die Ablasskrämer wurden fortgejagt, die hübschen Priesterkonkubinen wurden gegen kalte Eheweiber umgetauscht, die reizenden Madonnenbilder wurden zerbrochen, es entstand hie und HEINE. Der Salon, 11.

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da der sinnenfeindlichste Puritanismus. Der Kampf gegen den Katholizismus in Frankreich, im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert war hingegen ein Krieg, den der Sensualismus begann, als er sab, dass er de facto herrschte und dennoch jeder Akt seiner Herrschaft von dem Spiritualismus, der de jure zu herrschen behauptete, als illegitim verhöhnt und in der empfindlichsten Weise fletrirt wurde. Statt dass man nun in Deutschland mit keuschem Ernste kämpfte; kämpfte man in Frankreich mit schlüpfrigem Spasse, und statt dass man dort eine theologische Disputazion führte, dichtete man hier irgend eine lustige Satyre. Der Gegenstand dieser letzteren war gewöhnlich, den Widerspruch zu zeigen, worin den Mensch mit sich selbst geräth, wenn er ganz Geist seyn will; und da erblühten die köstlichsten Historien von frommen Männern, welche ihrer thierischen Natur unwillkürlich unterliegen oder gar alsdann den Schein der Heiligkeit retten wollen, und zur Heuchelei ihre Zuflucht nehmen. Schon die Königin von Navarra schilderte in ihren Novellen solche Missstände, das Verhältniss der Mönche zu den Weibern ist ihr gewöhnliches Thema, und sie will alsdann nicht blos unser Zwerchfell, sondern auch das Mönchsthum erschüttern. Die bosshafteste Blüthe solcher komischen Polemik ist unstreitig der Tartüff von Molière; denn dieser ist nicht blos gegen den Jesuitismus seiuer Zeit gerichtet, sondern gegen das Christenthum selbst, ja gegen die Idee des Christenthums, gegen den Spiritualismus. In der That, durch die affischirte Angst vor dem nackten Busen der Dorine, durch die Worte

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