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drohte, dass das Volk auf diesem Seitenweg zum wirklichen Wort Gottes gelangen und die römischen Fälschungen entdecken konnte: da hätte man gern auch die jüdische Tradizion unterdrückt, und man ging damit um, alle hebräischen Bücher zu vernichten, und am Rhein begann die Bücherverfolgung, wogegen unser vortrefflicher Doktor Reuchlin so glorreich gekämpft hat. Die Kölner Theologen, die damals agirten, besonders Hochstraaten, waren keineswegs so geistesbeschränkt, wie der tapfere Mitkämpfer Reuchlin's, Ritter Ulrich von Hutten sie in seinen litteris obscurorum virorum schildert. Es galt die Unterdrückung der hebräischen Sprache. Als Reuchlin siegte, konnte Luther sein Werk beginnen. In einem Briefe, den dieser damals an Reuchlin schrieb, scheint er schon zu fühlen, wie wichtig der Sieg war, den jener erfochten, und in einer abhängig schwierigen Stellung erfochten, während er, der Augustinermönch, ganz unabhängig stand; sehr naiv sagt er in diesem Briefe! ego nihil timeo, quia nihil habeo.

Wie aber Luther zu der Sprache gelangt ist, worin er seine Bibel übersetzte, ist mir bis auf diese Stunde unbegreiflich. Der altschwäbische Dialekt war, mit der Ritterpoesie der Hohenstaufenschen Kaiserzeit, gänzlich untergegangen. Der altsächsische Dialekt, das sogenannte Plattdeutsche, herrschte nur in einem Theile des nördlichen Deutschlands, und hat sich, trotz aller Versuche, die man gemacht, nie zu literärischen Zwecken eignen wollen. Nahm Luther zu seiner Bibelübersetzung die Sprache, die man im heutigen Sachsen sprach, so hätte Adelung Recht gehabt, zu behaupten,

dass der sächsische, namentlich der meissensche Dialekt, unser eigentliches Hochdeutsch, d. h. unsere Schriftsprache, sey. Aber dieses ist längst widerlegt worden, und ich muss dieses hier um so schärfer erwähnen, da solcher Irrthum in Frankreich noch immer Gäng und Gäbe ist. Das heutige Sächsische war nie ein Dialekt des deutschen Volks, eben so wenig, wie etwa das Schlesische; denn so wie dieses, entstand es durch slavische Färbung. Ich bekenne daher offenherzig, ich weiss nicht, wie die Sprache, die wir in der lutherischen Bibel finden, entstanden ist. Aber ich weiss, dass durch diese Bibel, wovon die junge Presse, die schwarze Kunst, Tausende von Exemplaren in's Volk schleuderte, die lutherische Sprache in wenigen Jahren über ganz Deutschland verbreitet und zur allgemeinen Schriftsprache erhoben wurde. Diese Schriftsprache herrscht noch immer in Deutschland, und giebt diesem politisch und religiös zerstückelten Lande eine literärische Einheit. Ein solches unschätzbares Verdienst mag uns bei dieser Sprache dafür entschädigen, dass sie, in ihrer heutigen Ausbildung, etwas von jener Innigkeit entbehrt, welche wir bei Sprachen, die sich aus einem einzigen Dialekt gebildet, zu finden pflegen. Die Sprache in Luther's Bibel entbehrt jedoch durchaus nicht einer solchen Innigkeit, und dieses alte Buch ist eine ewige Quelle der Verjüngung für unsere Sprache. Alle Ausdrücke und Wendungen, die in der lutherischen Bibel stehn, sind deutsch, der Schriftsteller darf sie immerhin noch gebrauchen; und da dieses Buch in den Händen der ärmsten Leute ist, so bedürfen diese keiner besonderen gelehrten Anleitung, um sich literarisch aussprechen zu können.

Dieser Umstand wird, wenn bei uns die politische Revolution ausbricht, gar merkwürdige Erscheinungen zur Folge haben. Die Freiheit wird überall sprechen können und ihre Sprache wird biblisch seyn.

Luther's Originalschriften haben ebenfalls dazu beigetragen, die deutsche Sprache zu fixiren. Durch ihre polemische Leidenschaftlichkeit drangen sie tief in das Herz der Zeit. Ihr Ton ist nicht immer sauber. Aber man macht auch keine religiöse Revoluzion mit Orangenblüthe. Zu dem groben Klotz gehört manchmal ein grober Keil. In der Bibel ist Luther's Sprache aus Ehrfurcht vor dem gegenwärtigen Geist Gottes, immer in eine gewisse Würde gebannt. In seinen Streitschriften hingegen überlässt er sich einer plebejischen Rohheit, die oft eben so widerwärtig, wie grandios ist. Seine Ausdrücke und Bilder gleichen dann jenen riesenhaften Steinfiguren, die wir in indischen oder aegyptischen Tempelgrotten finden, und deren grelles Colorit und abenteuerliche Hässlichkeit uns zugleich abstösst und anzieht. Durch diesen barocken Felsenstyl erscheint uns der kühne Mönch manchmal wie ein religiöser Danton, ein Prediger des Berges, der, von der Höhe desselben, die bunten Wortblöcke hinabschmettert auf die Häupter seiner Gegner.

Merkwürdiger und bedeutender als diese prosaischen Schriften sind Luther's Gedichte, die Lieder, die, in Kampf und Noth, aus seinem Gemüthe entsprossen. Sie gleichen manchmal einer Blume, die auf einem Felsen wächst, manchmal einem Mondstrahl, der über ein bewegtes Meer hinzittert. Luther liebte die Musik, er hat sogar einen Traktat über diese Kunst geschrieben,

und seine Lieder sind daher ausserordentlich melodisch. Auch in dieser Hinsicht gebührt ihm der Name: Schwan von Eisleben. Aber er war nichts weniger als ein milder Schwan in manchen Gesängen, wo er den Muth der Seinigen anfeuert und sich selber zur wildesten Kampflust begeistert. Ein Schlachtlied war jener trotzige Gesang, womit er und seine Begleiter in Worms einzogen. Der alte Dom zitterte bei diesen neuen Klän. gen, und die Raben erschraken in ihren obskuren Thurmnestern. Jenes Lied, die Marseiller Hymne der Reformazion, hat bis auf unsere Tage seine begeisternde Kraft bewahrt.

Eine feste Burg ist unser Gott,
Ein' gute Wehr und Waffen,
Er hilft uns frei aus aller Noth,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alte böse Feind

Mit Ernst er's jetzt meint,

Gross Macht und viel List
Sein grausam Rüstung ist,

Auf Erd' ist nicht sein's Gleichen.

Mit unsrer Macht ist nichts gethan,
Wir sind gar bald verloren,

Es streit't für uns der rechte Mann,
Den Gott selbst hat erkoren.

Fragst du, wer es ist?

Er heisst Jesus Christ,

Der Herr Zebaoth,

Und ist kein and'rer Gott,

Das Feld muss er behalten.

Und wenn die Welt voll Teufel wär'

Und wollten uns verschlingen,

So fürchten wir uns nicht so sehr,

Es soll uns doch gelingen;

Der Fürst dieser Welt,

Wie sauer er sich stellt,

That er uns doch nicht,
Das macht, er ist gericht',

Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn,
Und keinen Dank dazu haben,
Es ist bei uns wohl auf dem Plan
Mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie uns den Leib,
Gut, Ehr', Kind und Weib,
Lass fahren dahin,

Sie haben's kein Gewinn,

Das Reich muss uns doch bleiben.

Ich habe gezeigt, wie wir unserm theuern Doktor Martin Luther die Geistesfreiheit verdanken, welche die neuere Literatur zu ihrer Entfaltung bedurfte. Ich habe gezeigt, wie er uns auch das Wort schuf, die Sprache, worin diese neue Literatur sich aussprechen konnte. Ich habe jetzt nur noch hinzuzufügen, dass er auch selber diese Literatur eröffnet, dass diese, und ganz eigentlich die schöne Literatur mit Luther beginnt, dass seine geistlichen Lieder sich als die ersten wichtigen Erscheinungen derselben ausweisen und schon den bestimmten Charakter derselben kund geben. Wer über die neuere deutsche Literatur reden will, muss daher mit Luther beginnen, und nicht etwa mit einem Nüremberger Spiessbürger, Namens Hans Sachs, wie aus unredlichem Misswollen von einigen romantischen Literatoren geschehen ist. Hans Sachs, dieser Trouba

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