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dour der ehrbaren Schusterzunft, dessen Meistergesang nur eine läppische Parodie der früheren Minnelieder und dessen Dramen nur eine töpelhafte Travestie der alten Mysterien, dieser pedantische Hanswurst, der die freie Naivität des Mittelalters ängstlich nachäfft, ist vielleicht als der letzte Poet der älteren Zeit, keineswegs aber als der erste Poet der neueren Zeit zu betrachten. Es wird dazu keines weiteren Beweises bedürfen, als dass ich den Gegensatz unserer Literatur zur älteren mit bestimmten Worten erörtere. Betrachten wir daher die deutsche Literatur, die vor Luther blühte, so finden wir:

neuen

1) Ihr Material, ihr Stoff ist, wie das Leben des Mittelalters selbst, eine Mischung zweier heterogener Elemente, die in einem langen Zweikampf sich so gewaltig umschlungen, dass sie am Ende in einander verschmolzen, nämlich: die germanische Nazionalität und das indisch gnostische, sogenannte katholische Christenthum.

2) Die Behandlung, oder vielmehr der Geist der Behandlung in dieser älteren Literatur ist romantisch. Abusive sagt man dasselbe auch von dem Material jener Literatur, von allen Erscheinungen des Mittelalters, die durch die Verschmelzung der erwähnten beiden Elemente, germanische Nazionalität und katholisches Christenthum, entstanden sind. Denn, wie einige Dichter des Mittelalters die griechische Geschichte und Mythologie ganz romantisch behandelt haben, so kann man auch die mittelalterlichen Sitten und Legenden in klassischer Form darstellen. Die Ausdrücke,,klassisch" und „romantisch" beziehen sich also nur auf den Geist

der Behandlung. Die Behandlung ist klassisch, wenn die Form des Dargestellten ganz indentisch ist mit der Idee des Darzustellenden, wie dieses der Fall ist bei den Kunstwerken der Griechen, wo daher in dieser Identität auch die grösste Harmonie zwischen Form und Idee zu finden. Die Behandlung ist romantisch, wenn die Form nicht durch Identität die Idee offenbart, sondern parabolisch diese Idee errathen lässt. Ich gebrauche hier das Wort „parabolisch" lieber als das Wort symbolisch." Die griechische Mythologie hatte eine Reihe von Göttergestalten, deren jede, bei aller Identität der Form und der Idee, dennoch eine symbolische Bedeutung bekommen konnte. Aber in dieser griechischen Religion war eben nur die Gestalt der Götter bestimmt, alles andere, ihr Leben und Treiben, war der Willkür der Poeten zur beliebigen Behandlung überlassen. In der christlichen Religion hingegen giebt es keine so bestimmte Gestalten, sondern bestimmte Fakta, bestimmte heilige Ereignisse und Thaten, worin das dichtende Gemüth des Menschen eine parabolische Bedeutung legen konnte. Man sagt, Homer habe die griechischen Götter erfunden; das ist nicht wahr, sie existirten schon vorher in bestimmten Umrissen, aber er erfand ihre Geschichten. Die Künstler des Mittelalters hingegen wagten nimmermehr in dem geschichtlichen Theil ihrer Religion das mindeste zu erfinden; der Sündenfall, die Menschwerdung, die Taufe die Kreuzigung, u. dgl. waren unantastbare Thatsachen, woran nicht gemodelt werden durfte, worin aber das dichtende Gemüth der Menschen eine parabolische Bedeutung legen konnte. In diesem parabolischen Geist

wurden nun auch alle Künste im Mittelalter behandelt, und diese Behandlung ist romantisch. Daher in der Poesie des Mittelalters jene mystische Allgemeinheit; die Gestalten sind so schattenhaft, was sie thun ist so unbestimmt, alles ist darin so dämmernd, wie von wechselndem Mondlicht beleuchtet; die Idee ist in der Form nur wie ein Räthsel angedeutet, und wir sehen hier eine vague Form, wie sie eben zu einer spiritualistischen Literatur geeignet war. Da ist nicht wie bei den Griechen eine sonnenklare Harmonie zwischen Form und Idee; sondern, manchmal überragt die Idee die gegebene Form, und diese strebt verzweiflungsvoll jene zu erreichen, und wir sehen dann bizarre, abenteuerliche Erhabenheit: manchmal ist die Form ganz der Idee über den Kopf gewachsen, ein läppisch winziger Gedanke schleppt sich einher in einer kolossalen Form, und wir sehen groteske Farce; fast immer sahen wir Unförmlichkeit.

3) Der allgemeine Charakter jener Literatur war, dass sich in allen Produkten derselben jener feste, sichere Glaube kund gab, der damals in allen weltlichen wie geistlichen Dingen herrschte. Basirt auf Autoritäten waren alle Ansichten der Zeit; der Dichter wandelte, mit der Sicherheit eines Maulesels, längs den Abgründen des Zweifels, und es herrscht in seinen Werken eine kühne Ruhe, eine selige Zuversicht, wie sie später unmöglich war, als die Spitze jener Autoritäten, nämlich die Autorität des Papstes, gebrochen war und alle anderen nachstürzten. Die Gedichte des Mittelalters haben daher alle denselben Charakter, es ist als habe sie nicht der einzelne Mensch, sondern

das ganze Volk gedichtet; sie sind objektiv, episch und naiv.

In der Literatur hingegen, die mit Luther emporblüht, finden wir ganz das Gegentheil:

1) Ihr Material, der Stoff, der behandelt werden soll, ist der Kampf der Reformazionsinteressen und Ansichten mit der alten Ordnung der Dinge. Dem neuen Zeitgeist ist jener Mischglaube, der aus den erwähnten zwei Elementen, germanische Nazionalität und indisch gnostisches Christenthum, entstanden ist, gänzlich zuwider; letzteres dünkt ihm heidnische Götzendienerei, an dessen Stelle die wahre Religion das judaisch deistischen Evangeliums treten soll. Eine neue Ordnung der Dinge gestaltet sich; der Geist macht Empfindungen, die das Wohlsein der Materie befördern; durch das Gedeihen der Industrie und durch die Philosophie wird der Spiritualismus in der öffentlichen Meinung diskreditirt; der dritte Stand erhebt sich; die Revoluzion grollt schon in den Herzen und Köpfen; und was die Zeit fühlt und denkt und bedarf und will, wird ausgesprochen, und das ist der Stoff der modernen Literatur.

2) Der Geist der Behandlung ist nicht mehr romantisch, sondern klassisch. Durch das Wiederaufleben der alten Literatur verbreitete sich über ganz Europa eine freudige Begeisterung für die griechischen und römischen Schriftsteller, und die Gelehrten, die Einzigen, welche damals schrieben, suchten den Geist des

klassischen Alterthums sich anzueignen, oder wenigstens in ihren Schriften die klassischen Kunstformen nachzubilden. Konnten sie nicht, gleich den Griechen, eine Harmonie der Form und der Idee erreichen, so hielten sie sich doch desto strenger an das Aeussere der griechischen Behandlung, sie schieden, nach griechischer Vorschrift, die Gattungen, enthielten sich jeder romantischen Extravaganz, und in dieser Beziehung nennen wir sie klassisch.

3) Der allgemeine Charakter der modernen Literatur besteht darin, dass jetzt die Individualität und die Skepsis vorherrschen. Die Autoritäten sind niedergebrochen; nur die Vernunft ist jetzt des Menschen einzige Lampe, und sein Gewissen ist sein einziger Stab in den dunkeln Irrgängen dieses Lebens. Der Mensch steht jetzt allein seinem Schöpfer gegenüber, und singt ihm sein Lied. Daher beginnt diese Literatur mit geistlichen Gesängen. Aber auch später, wo sie weltlich wird, herrscht darin das innigste Selbstbewusstsein, das Gefühl der Persönlichkeit. Die Poesie ist jetzt nicht mehr objektiv, episch und naiv, sondern subjektiv, lyrisch und reflektirend.

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