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einander, so daß in ein und derselben Seele Verstand durch Phantasie, Phantasie durch Verstand gehemmt wird und nur ruckweise bald der Verstand, bald die Phantasie einen Schritt vorwärts tut, so entsteht Hamann.

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Wie Kant Herders „Ideen“ kühl abwies, so war Herder von vornherein gegen die neuen Kantischen Lehren eingenommen und ließ sich zulett, ergrimmt über das wachsende Ansehen der kritischen Philosophie zu heftigen Angriffen in einer „Metakritik“ und in der Kalligone" hinreißen. Wenn aber die Unterschiede der geistigen Anlage sich in den Beteiligten selbst zu einer ausgesprochenen Feindschaft zuspißten, so erscheinen sie den Außen= stehenden und Nachlebenden vielmehr als eine Ergänzung. Drängte Kant seine Leser in die grauen, windstillen Regionen der Abstraktion, des reinen Denkens, der Metaphysik, so führte sie Herder in die blühende Natur und die bewegte Geschichte; hielt sie Kant streng und ernst jenseits der Sinne fest, wo die reine Vernunft ihr Wesen hat und ihre Gebote spricht, so eröffnete ihnen Herder die sinnlich-schöne Welt der Erfahrung, die sein Geist phantasievoll umspannte.

Während diese Gegensäße sich entwickelten, während hier Kant, dort Spinoza und Herder ihre Anhänger und Nachfolger fanden und so der Grund zu der heutigen Wissenschaft gelegt ward, schufen unsere größten Dichter ihre reifsten Werke und gaben ihrem Volke das Schauspiel eines unvergleichlichen Bundes. Die Helden des poetischen Sturmes und Dranges, die Häupter der revolutionären Dramatik wurden Schüler der Griechen und die Träger der vornehmen klassischen Dichtung. Auch sie hatten sich geklärt und geläutert, wie Herder; und Leffings „Nathan" wies ihnen den Weg zu einer strengeren Form: ein Jahr nach dem Tode Friedrichs des Großen erschienen Goethes Iphigenie" und Schillers „Don Carlos“.

Weimar

„Ihr Sohn Goethe sizt, wie Doktor Luther vor dritthalb hundert Jahren, auf der Wartburg und läßt sichs unter all den Geistern aus der alten Ritterzeit, die auf dieser edlen Burg ihr Wesen haben, recht wohl sein, denke ich": so schreibt Wieland an Goethes Mutter am letzten September 1777, indem er nach einer Klage über des Freundes Schweigsamkeit hinzufügt: „Er ist und bleibt halt doch, mit allen seinen Eigenheiten, einer der besten, edelsten und herrlichsten Menschen auf Gottes Erdboden". Diesem Menschen war in der Tat sehr wohl auf der reinen ruhigen Höhe im Rauschen des Herbstwindes"; sein Darmstädter Freund Merck besuchte ihn; der Herzog von Weimar, der Herr der Burg und seiner, war ihm nahe; der Dich= ter strebte die umgebende Landschaft zeichnend zu erfassen und schrieb an seine vertrauteste Freundin: „Diese Wohnung ist das Herrlichste, was ich erlebt habe, so hoch und froh, daß man hier nur Gast sein muß, man würde sonst vor Höhe und Fröhlichkeit zu nichte werden".

Die deutsche Literaturgeschichte, die mit ihren Helden von Ort zu Ort durch das ganze Vaterland wandern muß, ist glücklich, zuweilen an alten Heimstätten wieder einkehren zu dürfen, die sich ihnen zu verschiedenen Zeiten gastlich geöffnet. Auf der Wartburg hatte Landgraf Hermann von Thüringen im dreizehnten Jahrhundert einen Wolfram von Eschenbach, einen Walther von der Vogelweide empfangen; dort erzeigte im vierzehnten das deutsche Drama seine frühe Macht an einem anderen thüringischen Herrscher; auf der Wartburg übersetzte im sechzehnten Luther das Neue Testament; und die weimarischen Fürsten, die ihn beschüßten, nahmen nicht nur im siebzehnten an der fruchtbringenden Gesellschaft hervorragenden Anteil, sondern erwarben auch im achtzehnten den Ruhm, daß keine fürstliche Gunst der deutschen Literatur so reiche Frucht gebracht wie die ihrige.

Scherer

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Vergebens hatten unsere Schriftsteller auf Friedrich den GroBen gehofft. Vergebens hatten Klopstock und andere an die Thronbesteigung Josephs des Zweiten neue Erwartungen geknüpft. In Braunschweig, in Bückeburg, in Eutin, in Karlsruhe, in Dessau erwies man vereinzelt und vorübergehend guten Willen; aber nur in Weimar wußte man eine Reihe der Besten dauernd zu fesseln. Die Herzogin Anna Amalia, eine Welfin aus Braunschweig und Nichte Friedrichs des Großen, früh verwitwet und mit der Sorge für das kleine Land belastet, rief Wieland in ihren Dienst; und Karl August, ihr Sohn und Wielands Schüler, der 1775 im Alter von 18 Jahren zur Regierung gelangte, die nationale Politik Friedrichs des Großen unterstüßte und sich zeitlebens als einen der patriotischsten und freisinnigsten Fürsten Deutschlands bewährte, schritt auf der gleichen Bahn fort, indem er Goethe, Herder und Schiller gewann. In den letzten Lebensjahren seines Großoheims und bis 1788 hin betrieb er mit Feuereifer eine Reform der deutschen Reichsverfassung unter engem Anschluß an Preußen. Die Wiedergeburt einer wahrhaft nationalen Politik und die glänzende Vereinigung der edelsten Geister unserer Nation ging von demselben hochherzigen Regenten aus. Die Universität Jena, im Reformationszeitalter gestiftet, als Wittenberg für die Nachfolger Friedrichs des Weisen verloren war, erlebte durch Karl Augusts Fürsorge ihre schönste Blüte. Dem Kirchen- und Schulwesen drückte Herder den Stempel seines Genius auf. Und neben den großen Dichtern und Gelehrten ergänzten kleinere Figuren das Bild eines überaus regsamen literarischen Lebens, das sich auf beschränktem Raum und mit beschränkten Mitteln gefördert in Weimar entwickelte. Unter den Schulmännern befanden sich Schriftsteller wie der vielgeschäftige Journalist und Archäolog Böttiger und früher Musäus, ein Erzähler der Wielandischen Richtung, dessen ironisch vorgetragene altdeutsche Sagen, „Volksmärchen der Deutschen", wie er sie nannte, lange beliebt waren. In unabhängiger Stellung wohnte Bode seit 1778 zu Weimar, ein Freund Lessings von Hamburg her und als Freimaurer sehr angesehen, der ausgezeichnete überscher des Montaigne und englischer Humoristen, wie Sterne, Smollet, Goldsmith, Fielding. Am Hof und in der Nähe des Hofes vertraten der Major v. Knebel, die Kammerherren v. Seckendorff und v. Einsiedel, der Kabinettssekretär Bertuch ästhetische Inter

essen durch eigene Schriftstellerei, Übersetzungen oder musikalische Talente; Bertuch sezte außerdem als gewandter Buchhändler viele nüzliche Unternehmungen ins Werk, namentlich einerseits 1786 ein einflußreiches kritisches Journal, die Jenaer allgemeine Literaturzeitung, und anderseits die erste deutsche Modezeitung, das „Journal des Luxus und der Moden". Weimar und Jena gaben für den deutschen Geschmack auf allen Gebieten den Ton an.

Alles, was Wieland, Goethe, Herder, Schiller in ihren reifsten Jahren geschaffen, war zugleich ein Denkmal von Karl Augusts glorreicher Verwaltung. Und unter den schriftlichen Zeugnissen, die sie selbst ausdrücklich für die Größe jener Zeiten ablegten, ragt Goethes Maskenzug zum 18. Dezember 1818 hervor, ein Rückblick des einsamen alten Meisters, der seine Genossen betrauert und die Musarion mit dem Oberon, Gestalten Herders und Schillers neben den eigenen Schöpfungen auftreten läßt, während die Ilme, der Fluß, der durch Weimar fließt, das Lob der Freunde singt und den Dichter selbst bescheiden schildert. Aber noch rührender und persönlicher mutet das Epigramm uns an, worin er seinen Herzog preist, der ihm August und Mäzen war, der ihm schenkte, was Große selten gewähren, Neigung, Muße, Vertraun, Felder und Garten und Haus: Klein, sagt er,

Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine;

Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag. Aber so wende nach innen, so wende nach außen die Kräfte Jeder; da wär' es ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu sein.

Goethe

Am 7. November 1775 kam Goethe nach Weimar und brachte sofort eine große Umwälzung hervor. Die Lehren Rousseaus, das Brogramm des Sturmes und Dranges, das Streben nach) Natur in allen Lebensäußerungen ergriff den kleinen Hof. Des Herzogs eigene Neigungen wurden durch Goethe bestärkt. Man verstieß ohne Scheu gegen die Etikette; man legte statt der Hoftracht die Werther-Montur, Stulpenstiefel, blauen Frack und gelbe Weste an; man suchte sich abzuhärten, lebte viel im Freien, schwelgte in starken Märschen, verwegenen Ritten, nächt

lichen Eisläufen und leidenschaftlichen Jagden, tanzte auf dem Lande mit den Bauernmädchen und verschwärmte manche Nacht zum Verdrusse der jungen Herzogin und ihrer Umgebung. Goethe selbst blickte später nicht gern auf diese tolle Zeit zurück. Sie erwarb ihm aber fürs Leben die Freundschaft des Fürsten. In täglicher Gemeinschaft schlossen sich die Herzen auf; und Karl August, früh ein Mann von festem Willen und sicherem Blicke für die Menschen, erkannte in ihm den Stoff zu einem nüßlichen Diener seines Staates.

Goethe war nur als Gast des Herzogs gekommen; in dieser freien Stellung seßte er Herders Berufung durch; aber schon am 11. Juni 1776 ward er zum Geheimen Legationsrat mit Siz und Stimme im Geheimen Konseil ernannt; im Januar 1779 übernahm er die Leitung der Kriegskommission und der Wegebaukommission, im Juni 1782 interimistisch das Kammerpräsidium, d. h. das Finanzministerium: die wichtigsten Ressorts der gesamten Administration lagen in seinen Händen. Er schaffte Ordnung in den Finanzen und drang überall auf Sparsamkeit. Er handelte nach den Grundsägen seines schönen Gedichtes „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Er suchte die niederen Klassen zu heben, humane Verwaltungsprinzipien im Sinne des aufgeklärten Despotismus zur Geltung zu brin= gen und so die liberalen Ideale seiner Jugend zu verwirklichen. Er scheute keine Mühe, um sich einzuarbeiten, und entwickelte eine umfassende Tätigkeit. Sahen ihn anfangs die alten Beamten mit scheelen Augen an und erblickte die Herzogin in ihm den bösen Genius des Herzogs, so erwarb er sich jezt das allgemeine Zutrauen, und die Geschäfte brachten ihm Heil. Die Wirkung ins Große gewährte ihm jene Befriedigung, welche die Advokatur nicht gewähren konnte. Das Problematische seiner Natur verschwand. Der Dienst machte ihn fest und konsequent. In der Hingebung an das Amt lernte er Hingebung überhaupt. Es kam aus innerster Erfahrung, wenn er in sein Tagebuch schrieb: „Niemand als wer sich ganz verleugnet, ist wert zu herrschen und kann herrschen".

Auch das Hofleben wirkte günstig auf ihn ein. Hatte er sich bisher darin gefallen, die Sitte studentisch-burfchikos zu überspringen und in persönlicher Willkür des Benehmens zu schwelgen, und hatte er in der ersten Weimarer Zeit mit dem Herzog ein zweites Studentenleben geführt, so lernte er im Verkehre

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