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Goethe in der Idylle, welche die Menschen des achtzehnten Jahrhunderts zur Empfindung für die einfachen Reize des Alltäglichen und Natürlichen erzog. Sie waren von einem rührenden Optimismus beseelt. Sie fühlten sich in bescheidenen Verhältnissen wohl. Sie besaßen jene Genügsamkeit der Phantasie, die sich an das Enge und Kleine hält und dieses mit verweilender Liebe durchdringt. Die alte Philologentugend der Genauigkeit übertrugen sie auf das Naheliegende und Heimische. Sie ließen sich zu den geringsten Tatsachen herab und behandelten einen sinnlos klingenden Kinderreim so ernsthaft, als ob er die tiefsten Offenbarungen der Urzeit enthalten könnte. Ihre „Andacht zum Unbedeutenden“, die Wilhelm Schlegel verspottete, bildet die Grundlage ihrer wissenschaftlichen Größe und die Quelle ihrer Popularität. Sie ernteten zumeist, was Herder gesät hatte; und aus der ganzen Schar der Romantiker ist nur Uhland dem deutschen Volke so lieb geworden wie die Brüder Grimm.

Uhlands gelehrte Arbeiten wurden zum großen Teil erst nach seinem Tode bekannt. Er war am 26. April 1787 geboren und machte schon auf der Universität seinen Freunden Mitteilungen über das Nibelungenlied. Die altdeutsche Poesie ergriff er nicht bloß als Gelehrter: sie regte ihn auch in seinem eigenen poetischen Schaffen an und bestimmte früh seinen Geschmack. Der Dichter hinwiederum kam dem Forscher zu Hilfe, wenn er etwa in seinem „Walther von der Vogelweide" die erste ausgeführte Charakteristik eines altdeutschen Sängers entwarf oder wenn er, völlig im Sinne Herders, die nordischen Mythen des Donnergottes als ursprünglich personifizierende Naturpoesie auffaßte. Schon im ersten Dezennium des neunzehnten Jahrhunderts dehnte er seinen Gesichtskreis auf das französische Mittelalter aus und wurde mit Wilhelm Schlegel der Begründer der romanischen Philologie in Deutschland. Wie er über das altfranzösische Epos schrieb, so nachher Friedrich Diez über die Poesie und das Leben der Troubadours.

Auch bei Uhland und Diez ging die Literaturgeschichte mit der Überseßungskunst Hand in Hand; und Karl Simrock aus Bonn tat seit 1827 mehr als irgendein anderer, um die mittelhochdeutsche Poesie in neudeutscher Nachbildung allgemein zugänglich zu machen. Aber die philologisch-poetische Forschung drang auf diesem Wege nach allen Seiten vor. Während die einen das klassische Altertum immer gründlicher durchmaßen, die anderen

das heimische Wesen pietätvoll erschlossen und wieder andere die sonstigen europäischen Literaturen herbeizogen: hatte Friedrich Schlegel schon den Weg nach Indien gefunden; sein Bruder Wilhelm und andere folgten ihm mit eingehenderen Studien nach; Joseph von Hammer machte uns in Fortsetzung Her= derischer Anfänge mit der persischen, arabischen und türkischen Dichtung bekannt; Friedrich Rückert wandelte auf seinen Spuren und genoß seine persönliche Unterweisung, zog aber auch noch die indische, die hebräische, ja die chinesische Literatur in den Bereich, den er als überseßer virtuos beherrschte. Orient und Okzident schienen literarisch erobert, und die schwierigsten me= trischen Formen, Rhythmen und Reime, versagten sich einer Sprache nicht, welche hundert Jahre früher kaum Alexandriner zu stammeln vermochte und einen Gottsched als willkommenen Gesetzgeber begrüßen mußte.

Alle diese Bestrebungen hat aber niemand lebhafter als Goethe verfolgt, der in der ganzen wissenschaftlichen Bewegung des neunzehnten Jahrhunderts mitten inne stand und dabei noch immer die Schule Herders bewährte. Er war an der Naturphilosophie keineswegs unschuldig. Seine Farbenlehre empfing und gab naturphilosophische Impulse. Seine Lehre von der Metamorphose der Pflanzen wurde jezt erst allgemein anerkannt. Manches, was sich in Deutschland und außerhalb regte, stimmte zu frühen Konzeptionen, die er nicht hatte laut werden lassen. Die glänzenden Leistungen Alexander von Humboldts erfüllten ihn mit anteilvoller Bewunderung. Aber auch den Romantikern bewies er vielfach Gunst und Duldung. Die mißlungenen dramatischen Produkte der beiden Schlegel, den „Jon“ des älteren, den „Alarcos“ des jüngeren, führte er in Weimar noch zu Schillers Lebzeiten auf. Die Widmung des „Wunderhorns“ nahm er mit Wohlwollen entgegen. Aus dem Nibelungenliede las er in seinem Kreise vor. In dem Maskenzuge „die romantische Poesie" von 1810 ließ er Gestalten der altdeutschen Dichtung auftreten. Zu den Boisferees unterhielt er freundliche Beziehungen. Er hatte nicht vergessen, daß er einst im Elsaß selbst Volkslieder sammelte und für die Gotik schwärmte. „Was man in der Jugend wünscht," sagte er, „hat man im Alter die Fülle." Und wie konnte er klarer den Zusammenhang der Romantik mit seinen eigenen Jugendtendenzen bezeugen, als wenn er um eben die Zeit, wo Arnim allen alles wiedergeben

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wollte, den ersten Teil seines in nationaler Begeisterung früh begonnenen Faust" erscheinen ließ und damit freilich jede andere Erneuerung oder Umdichtung alter deutscher Sagen in Schatten stellte! Aber es gab einen Punkt, über den er keinen Spaß verstand. Er konnte es nicht ruhig mit ansehen, daß das Mittelalter über die historischen Interessen hinaus in Kunst, Religion und Leben eine bedrohlich wachsende Macht erhielt. Sein treuer Meyer mußte 1817 unter der gemeinsamen Firma der weimarischen Kunstfreunde wider die neudeutsche religiöspatriotische Kunst schreiben und der falschen Frömmelei" den Krieg erklären. Er selbst aber feierte das Reformationsfest mit warnenden antipäpstlichen Versen, einem Aufruf an alle Deutschen, dafür zu sorgen, daß der Erbfeind nichts erreichte und mit der Versicherung: „Auch ich soll gottgegebne Kraft nicht ungenügt verlieren und will in Kunst und Wissenschaft wie immer protestieren."

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Seine wissenschaftliche Tätigkeit hatte im neunzehnten Jahrhundert zusehends eine historische und kritische Richtung genommen. Die politische Geschichte blieb ihm zwar mit wenigen Ausnahmen fremd. Aber zu seinem Buch über Winckelmann gesellte sich die Geschichte der Farbenlehre und mehrere literarhistorische Schriften. Seine Übersetzung des Diderotschen Dialogs „Rameaus Neffe" begleitete er mit wichtigen Beiträgen zur Charakteristik des französischen Geistes im achtzehnten Jahrhundert. Er wurde sich selbst immer mehr geschichtlich. Wäh= rend der Jahre 1806 bis 1808 ließ er eine zwölfbändige, 1815 bis 1819 eine zwanzigbändige, 1827 bis 1830 eine vierzigbändige, jedesmal vermehrte Ausgabe seiner Werke erscheinen. Im Anschluß an die erste schrieb er „Dichtung und Wahrheit“: er gab seiner Jugendgeschichte eine deutsche Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts zum Hintergrunde. Während ein so tiefsinniger Erforscher der menschlichen Dinge wie Wilhelm von Humboldt das Genie für unerklärlich anfah, unternahm es das größte literarische Genie der Epoche, sich gerade in den Zusammenhang von Ursache und Wirkung hineinzustellen und feine eigene Erscheinung zu erklären. Diese Selbstbiographie war eine wissenschaftliche Tat ersten Ranges und wenigstens in den drei ersten Bänden von 1811, 1812 und 1814 ein Meisterwerk historischer Kunst, reizend erzählt, überaus glücklich komponiert mit scheinbar zufälligen, aber sehr klug berechneten Über

gängen und Abschlüssen, reich an Personen und Begebenheiten, durchweg lebensvoll und fefselnd, während der vierte, erst aus Goethes Nachlaß herausgegebene Band zum Teil unver= arbeitete und bequem zusammengestellte Materialien enthält. Weitere Lebensdokumente lieferte er in seinen Berichten von der italienischen Reise, in den Kriegsberichten von 1792 und 1793, in der „Geschichte meines botanischen Studiums", in den „Tag- und Jahresheften“, in dem von ihm herausgegebenen Briefwechsel mit Schiller und sonst. Über seine orientalischen Studien berichtete er in den Abhandlungen zum „west-östlichen Divan", worin er zugleich Beiträge zur Kenntnis der orientalischen Literaturen selbst, Nachrichten über die Orientforschungen im allgemeinen nebst ästhetischen und geschichtsphilosophischen Ansichten vereinigte. Die Summe seines Nachdenkens über verschiedene Gegenstände legte er jetzt gern in kurzen Marimen und Reflexionen nieder: köstliche Säße, im wahrsten Sinne geistreich, überall zu den höchsten Ideen hinleitend und eine Fülle von Anregung umschließend.

Ein äußerer Anlaß hatte ihn 1804 wieder zum Rezensenten gemacht, nachdem er das kritische Geschäft eigentlich seit dem Jahre 1772, wo er mit Merck und Herder an den „Frankfurter gelehrten Anzeigen" teilnahm, nicht mehr geübt. Die Redakteure der Allgemeinen Literaturzeitung verließen Jena und nahmen ihr Journal mit. Goethe schaffte sofort Ersaß und rief ein neues kritisches Blatt ins Leben. Er entwickelte dabei eine bewunderungswürdige Sachkenntnis, Energie und Organifationstalent und stellte in eigenen Artikeln einige herrliche Muster objektiver literarischer Charakteristik auf: er wurde Bossens Gedichten ebenso wie dem „Wunderhorn" gerecht. Später benußte er seine Hefte „Über Kunst und Altertum", die er 1816 begann und bis an seinen Tod fortführte, um junge Talente zu ermuntern, falsche Richtungen zu bekämpfen und seinen Anteil an deutschen und fremden literarischen Erscheinungen durch Anzeigen, Notizen, Proben, übersehungen zu bekunden. Hier begrüßte er Rückert und Platen, Manzoni und Byron, Tegnér und die französische Romantik. Hier drückte er sein Wohlgefallen an den historischen Werken von Niebuhr, Schlosser, Friedrich von Raumer aus. Hier publizierte er Übersetzungen Jacob Grimms aus dem Serbischen und legte sein Interesse für die Volkspoesie aller Nationen in weitem Umfang an den Tag.

Hier sprach er die Hoffnung aus, Deutschland werde durch seine eifrige übersetzertätigkeit gewissermaßen der Markt der Weltliteratur werden: fremde Nationen würden deutsch lernen, um sich den Zugang zu den geistigen Erzeugnissen so vieler alten und neuen Völker zu eröffnen.

Der Anteil, den er nach allen Seiten hin bekundete, wurde reichlich erwidert. Mit Berlin stand er in regelmäßigen Verbindungen: befreundete Männer sorgten dafür, daß ihm kein bedeutendes Streben, das in der preußischen Hauptstadt hervor= trat, entging und daß seine Beifallsworte die Strebenden beglückten. Französische, englische, italienische, polnische Dichter huldigten ihm persönlich und aus der Ferne. Er war gleichsam der Präsident der europäischen Gelehrtenrepublik und stellte sein Volk an die Spiße der geistigen Bewegung.

Lyrik

Mit Stolz und Freude beobachten wir das Aufblühen deutscher Wissenschaft, ihre Sammlung, Festigung und Rüstung zu immer größeren Aufgaben. Aber wir können kaum zweifeln: die erstarkende Gelehrsamkeit hat im Vereine mit der zunehmenden Religiosität, mit der gesteigerten wirtschaftlichen und politischen Tätigkeit, im neunzehnten wie einst im dreizehnten Jahrhundert die Kraft unserer Poesie und die Teilnahme der Nation an ernsten dichterischen Bestrebungen allmählich untergraben.

Indessen offenbarte sich zunächst in den ersten Dezennien des neunzehnten Jahrhunderts mindestens auf dem Gebiete der Lyrik ein Reichtum der Individualitäten und der Stile, der Stoffe und der Formen, eine Tiefe und Macht der Wirkungen, von der packenden Rede, welche die Massen aufwühlt, bis zu den zartesten Lauten einsamer Klage, bei denen sympathische Seelen erbeben, eine wundervolle Fähigkeit des mannigfaltigsten Ausdruckes in den verschiedensten Sphären, hinter welcher die Leistungen des Minnesanges weit zurückstehen und womit sich keine Epoche in der Geschichte der Poesie irgendeines anderen Volkes entfernt vergleichen läßt: die Lyrik Goethes und seiner Nachfolger ist die höchste Stufe, welche die Lyrik überhaupt bis jetzt erstiegen hat.

Die allgemeinsten Gegensätze unserer älteren Lyrik waren in

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