ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

wohl eine allgemeine Wirkung auf Gefühl und Phantasie, keineswegs aber ein die einzelnen Glieder und Bausteine ins Auge fassendes Verständnis zulässt. Freilich wird das Lesen über das Gedicht die eindringende Betrachtung des Gedichtes selber nicht ersetzen, sondern derselben nur vorbereitend und die Schwierigkeiten aus dem Wege räumend dienstbar sein können, um so einem auf dem Einblick in des Dichters eigenste Intentionen beruhenden und damit vertieften Geniessen entgegenzuführen.

Wenn der Verfasser nun gewagt hat, mit dem, was sich ihm in dieser Beziehung darbot, hervorzutreten, so geschah es vornehmlich zu dem Zwecke, um das, was er zumeist fremder Anregung verdankt, in sich selber zu grösserer Klarheit zu verarbeiten. Sollte er zugleich auch anderen, welche dem unsterblichen Geisteswerke des grössten unserer Dichter ihr Interesse widmen wollen, eine, wenn auch geringe, Handhabe zum leichteren Eindringen in dasselbe darzureichen imstande sein, so würde es ihn herzlich freuen. In diesem Sinne übergiebt er das Schriftchen der Öffentlichkeit mit der Bitte um wohlwollende Aufnahme.

Cottbus, im Januar 1887.

A. Huther.

ie Zeit ist vorüber, wo man nach einer allgemeinen Idee suchte, aus welcher sich alle Rätsel und Tiefen des Götheschen Faust sollten ableiten lassen. Göthe selber weist eine solche Erklärungsart zurück mit den Worten gegen Eckermann: „Da kommen sie und fragen, welche Idee ich in meinem Faust verkörpert habe. Als ob ich das selber wüsste". Dagegen giebt er uns einen Wink, wie er seine Werke überhaupt verstanden wissen will, indem er dieselben als seine Beichte bezeichnet. Und als ein Selbstbekenntnis kann wohl keines mehr gelten, als der Faust. Er ist ein Rahmen, in welchen der Dichter das gesamte Geistesleben, welches ihn während des sechzigjährigen Zeitraums von dessen Entstehung erfüllte, in seinen Hauptrichtungen niedergelegt hat. Nun ist es aber eine Reihe von Entwicklungsstufen, welche Göthe in dieser langen Zeitstrecke durchmessen hat, und das Gedicht wird demgemäss eine Mehrheit von Bearbei

tungen erfahren haben, deren jede einer bestimmten Lebensepoche des Dichters entspricht. Die Ansicht, dass in dem ersten Teile, welcher ausschliesslich uns hier beschäftigt, ein zwiefacher Plan zu unterscheiden sei, ist denn auch schon von mehrfacher Seite zur Geltung gebracht, zuerst von Vischer, Göthes Faust, S. 12 ff., wo derselbe auf die Spuren eines älteren, von dem jetzigen Gange des Gedichtes unabhängigen Planes hinweist, demzufolge Mephistopheles nicht als von dem Herrn, sondern vom Erdgeiste dem Helden zugesandt erscheint. J. Schmidt Göthes Faust, ein Versuch, in den preuss. Jahrb. Bd. 39, S. 361 ff., nimmt ebenfalls zwei Versionen des Gedichtes an, von denen die ältere, im wesentlichen bereits 1774 vollendete ein Ausfluss der den Dichter beherrschenden Sturm- und Drang - Periode gewesen sei, die jüngere dagegen, welche das bei einer späteren Bearbeitung Hinzugetretene umfasse, erst den jetzigen Plan in dem Stücke zur Durchführung gebracht habe. Auch K. Fischer, in seinem „Göthes Faust“, findet zwei besondere Pläne vor, welche in den Worten der Beschwörungsscene (V. 945-46 nach der Schröerschen Zählung) zusammentreffen sollen:

[ocr errors][merged small][merged small][ocr errors]

Beide unterscheiden sich nach Fischers Ansicht im wesentlichen durch die verschiedene Fassung der Figur des Mephistopheles. Nach dem älteren Plane, meint

er, ist dieser ein vom Erdgeist gesandter irdischer Elementargeist, nach dem neueren, welcher mit den citierten Worten eingeleitet wird, der von Gott, dem Herrn, beauftragte höllische Geist. Wenn wir aber auf Grund der in dem Werke vorhandenen Spuren, sowie der in betreff der Entstehung desselben überlieferten chronologischen Daten genauer alle einzelnen Bestandteile, in welche dasselbe zerfällt, auszuscheiden suchen, so lassen sich darin nicht weniger als fünf auf eine besondere Epoche in des Dichters Lebensgange hinweisende Pläne erkennen, von denen die ersten drei ursprünglich ebensoviele selbständig bearbeitete fragmentarische Ansätze bildeten, und erst die beiden letzten den früheren dreigliederigen Kern zu einem einheitlichen Organismus zusammenzufassen bestimmt waren. Durch den Nachweis der hiermit bezeichneten verschiedenen Pläne hofft der Verfasser die Frage nach der Entstehung und Zusammensetzung des Gedichtes vollständiger, als es bisher geschehen ist, zu lösen. Wie weit die hierbei verfolgte Methode zugleich geeignet ist, auf das Werk selber ein helleres Licht zu werfen, wird im Laufe der Darstellung leicht zu beurteilen sein.

I.

§ 1. Wir haben, um altes und neues in dem Gedichte, wie es jetzt vorliegt, von einander zu sondern, einen Anhalt an der im allgemeinen die älteren Teile veröffentlichenden Fragment - Ausgabe desselben vom

Jahre 1790. Diese schliesst jedoch schon eine Mehrheit von Plänen in sich. Der früheste Ansatz zum Faust muss bereits im Jahre 1771, der Zeit unmittelbar nach Göthes Rückkehr von der Strassburger Universität, vorhanden gewesen sein. Das bezeugt des Dichters eigene chronologische Angabe von jenem Jahre in Dichtung und Wahrheit, B. 12: „der Faust war schon vorgerückt." Der Ausdruck vorgerückt" deutet an, dass das Werk bereits bis zu einem gewissen Umfange gediehen war. Welches ist nun der Plan, welcher dem schon damals vorhandenen Komplexe zu Grunde gelegt und hiernach als der älteste der im Faust behandelten zu betrachten ist? Wir suchen denselben im folgenden aufzudecken.

[ocr errors]

Nun hat schon Schröer, Faust von Göthe, S. 17, nachgewiesen, dass die Anfangsverse des ersten Monologs, womit die erste fragmentarische Ausgabe des Gedichtes begann, *) bis Vers 74 an einen Brief Göthes aus dem Jahre 1769, welcher letzteren in der Lage und Stimmung Fausts schildert, anklingen und deshalb gleichzeitig mit jenem verfasst sein müssen. Dass es das Jahr 1769 war, wo der Faust zuerst in Angriff genommen wurde, bestätigt die Angabe Riemers und Eckermanns aus dem Jahre 1839, wonach die Anfänge der Dichtung in jenes Jahr fielen.

*) Die Zueignung, das Vorspiel auf dem Theater und der Prolog, welche jetzt dem Monolog vorangehen, traten erst in der zweiten Auflage des Gedichtes von 1808 hinzu.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »