ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Als durch den neuen Plan bedingt erscheint ferner, wie schon hervorgehoben wurde, die ganze den Abschluss des Wettbündnisses darstellende Partie*). Der ältere, auf unbedingte Übergabe des Helden an den Teufel lautende Pakt, von dem wir einzelne Spuren in der Scene wahrnahmen, passte nicht mehr zu der im Prolog ausgesprochenen Idee, wonach die Übergabe von der Probe, ob es dem Mephistopheles gelingen werde, das freie Streben Fausts in Fesseln zu schlagen, abhängig gemacht werden sollte**). Wenn nun die Entscheidung über des Helden Unsterbliches an eine Probe, nicht an eine vorher festgesetzte Stipulation gebunden war, so musste die Bedingung einer mit dessen Blut geschriebenen feierlichen Besiegelung des Vertrages, wie sie nach dem alten Plane von seiten des Mephistopheles gestellt war, nach dem neuen als rein utopisch erscheinen. Hierauf deutet es hin, wenn der Dichter in den weiteren Versen, welche sich gleichfalls als infolge der Durchführung des neuen Planes eingeschoben erweisen***), jene von dem höllischen Compaciscenten

*) An deren Stelle mag Fausts, dem Pakte in seiner früheren Fassung zustimmende Erklärung gestanden haben.

**) Auch darin liegt ein Unterschied des alten und des neuen Planes, dass nach letzterem Mephistopheles den Helden durch Befriedigung am Genuss, nach ersterem dagegen durch Nichtbefriedigung zu Grunde richten will. Dies spricht er selber aus in dem Verse: „Er wird Erquickung sich umsonst orflehen...

66

***) V. 1385-90: „Wenn dir dies völlig G'nüge thut" bis ,,verspreche". Ob an deren Stelle andere, Fausts Erwiderung vervollständigende Verse gestanden haben, ist nicht zu entscheiden; jedenfalls können sie im Zusammenhange des Gedichtes entbehrt werden.

geforderte Unterschrift als „Fratze“ bezeichnet. Mit Ausnahme dieser Stelle muss der Rest der Scene von dem Verse nach dem Wortlaut der Wette:

„Bedenk' es wohl, wir werden's nicht vergessen" bis zu den Versen, mit denen das Fragment nach der Lücke wiedereinsetzt, als alt gelten. In den ersteren Worten erkennen wir schon die warnende Stimme des nach dem ursprünglichen Plane der Scene in der Rolle des Mephistopheles geschilderten Merck, welcher den jüngeren Freund von einem übereilt abgeschlossenen Vertrage abmahnt.

So treten die neueren Elemente unserer Scene, die sich uns schon oben an äusseren Spuren als eingeschoben erwiesen hatten, auch durch das in ihnen durchgeführte Thema des durch den Prolog eingeleiteten jüngsten Planes deutlich hervor. Die älteren Bestandteile derselben, sowie die übrigen schon im Fragment vorhandenen Scenen, welche unverändert in die zweite Ausgabe aufgenommen wurden, konnten im ganzen ohne Schwierigkeit in den neuen Plan eingefügt werden, da ihnen die allgemeine Tendenz desselben, dass Mephistopheles als der planmässige Verführer des Helden erscheinen sollte, schon seit Schöpfung der „Hexenküche zu Grunde gelegt war. Im einzelnen freilich entsteht hierbei ein Widerspruch dadurch, dass Mephistopheles, welcher nach dem neuen Plan in den Dienst des Herrn gestellt ist, nach dem alten

und die hier

[merged small][ocr errors]

auftragter des Erdgeistes fungiert. Die Figur des letzteren, welche ebenfalls bei der Verschmelzung des früheren und des späteren Planes bestehen bleibt und gleichwohl in keinerlei Beziehung zu dem Herrn gesetzt wird, fällt so ganz ausserhalb des jetzigen Planes.

Neu hinzugedichtet wurden nur noch die beiden 1800 vollendeten Teile „Valentins Ermordung“ und „Walpurgisnacht", welche zur Ausstattung des Stückes dienen. Abhängig von dem neuen Plane erscheint auch noch die den Schluss des ersten Teiles machende Kerkerscene in ihrer vorliegenden Gestalt. Denn die hier geschilderte gläubige Ergebung des gefangenen Gretchen setzt das religiöse Motiv voraus, welches erst jetzt in dem Drama zur Geltung kam. Lässt nun dieser Ausgang des ersten Teiles die Idee des neuen Planes erkennen, welcher die Fügung des Schicksals beider Liebenden in die Hand des Allmächtigen legt, so eröffnet er gleichzeitig einen Ausblick auf die endliche Rettung des Helden selbst, wie diese schon im Prolog vorausverkündigt und in der Himmelfahrtscene am Ende des zweiten Teiles ausgeführt erscheint. So schliesst dieser, letzte Plan, indem er die Entfaltung der ganzen Handlung des Dramas als durch eine höhere Macht bedingt hinstellt, die älteren Scenen einheitlich zusammen und bildet zugleich den Rahmen, in welchen die Fortsetzung des Gedichtes im zweiten Teile gefasst werden sollte.

Wenn nun der Dichter die einzelnen, zu verschiedenen Zeiten entstandenen Teile schliesslich zu einem zusammenhängenden Ganzen aneinanderzufügen imstande war, so musste ein jene von Anfang an einheitlich verknüpfendes Moment vorhanden sein, wodurch dies ermöglicht wurde. Dass nämlich eine harmonische Tendenz, wenn dieselbe sich auch erst allmählich zu der im Prolog ausgesprochenen Klarheit herausbildete, der Vielheit der Teile innewohnt, beweist die grosse Zahl derer, welchen die durchgängige Einheit des Gedichtes als unzweifelhaft gilt. Diese liegt in der in dem Helden sich selber darstellenden Dichterpersönlichkeit, deren die verschiedensten Stufen durchmessender Entwicklung das Gefühl des Lesers sympathisch folgt und so, trotz aller kritisch-zersetzenden Thätigkeit des in das Einzelne eindringenden Verstandes, einen einheitlichen Faden, der sich durch die ganze Dichtung hindurchzieht, festzuhalten vermag. Und hiermit hat das Werk zugleich, obschon es keine allgemeine Idee im philosophischen Sinne zur Durchführung bringt, einen universellen Charakter erhalten, welcher demselben, das zunächst nur das Leben des einen Helden zu veranschaulichen bestimmt war, dennoch schon von Anfang an zu Grunde lag. Indem nämlich Göthe, der ein Mensch war, wie kein Anderer, das eigenste Selbst in sein Gedicht hineinschuf, ist

diesem eine über das Individuelle hinausgehende Bedeutung zu teil geworden, so dass es nicht Faust, sondern der Mensch ist, welcher unsern Anteil an seinem, uns selber angehenden Schicksal in Anspruch nimmt. Und wenn nun das Werk, bei der langen und häufigen Unterbrechung in dessen Fortführung, im einzelnen mancherlei Lücken und Widersprüche aufweist, so ist doch vielleicht gerade in dem Umstande der allmählichen Entstehung sein grosser Vorzug im ganzen begründet. Denn weil Göthe, der realistische Dichter, in jeder Periode gerade das, was ihn gegenwärtig am lebendigsten erfüllte, darin niederlegte, verdankt es demselben die überall gleiche Wahrheit und Tiefe.

[ocr errors][merged small]
« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »