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und so auch ihren Entscheidungen in socialen und religiösen Fragen dieselbe Sicherheit und Bestimmtheit zu gewähren, wie sie unsere heutige Cultur in den übrigen Naturwissenschaften, und damit in diesen eine, so weit sie reicht, unerschütterliche Stütze gefunden hat. Es war ein lockendes Zauberbild, was zu ethnologischen Forschungen anfeuerte, und anfangs schien auch alles einfach und glatt genug. Damals, als vor nicht vielen Decennien das Studium der Völkerkunde zuerst ernstlich in die Hand genommen wurde, hatten wir seit dem Entdeckungszeitalter angefangen, in weit entlegenen Fernen fremder Erdtheile abgegrenzt gruppirte Völkermassen zu erkennen, wir konnten ihren Umherbewegungen einigermassen folgen, wir vermochten gleichsam durch das Teleskop hier und da eigenthümliche Charakterzüge zu unterscheiden, die sich in den allgemeinsten Umrissen abzeichneten und die deshalb in ethnologischen Hand- oder Lehrbüchern ganz bequem auf ein paar Seiten oder Kapiteln sich erledigen liessen. So machte man sich wohlgemuth ans Werk, die Geister wurden gerufen, und nur zu bald drängten sie sich allzu dicht. Denn als sich nun beim Nähertreten die Einzelheiten der Detailaufgaben schärfer zu markiren begannen, da häuften sich Arbeiten ohne Zahl, sie thürmten sich Berge hoch empor, und wenn mit aller Kraftanspannung vielleicht der erste Rücken erklommen war, dann sah man jenseits höher und höher ansteigend neue Reihen von Hochgebirgen streichen mit himmelragenden Gipfeln. Ein Blick darauf und der Gedanke, dass, um der comparativen Verhältnisswerthe für die Berechnungen gewiss zu sein, jedes Thal hier durchschritten, jeder Kamm zu messen, jeder Organismus in seine mikrosko

pischen Gewebe zu zersetzen sein würde, musste die kühnsten Vorsätze entmuthigt niederschlagen. Ob es uns noch gelingen wird, von einer der Höhen einen Fernblick auf das verheissene Land zu werfen, es an den Grenzen des Horizontes, wenn auch nur als Fata-Morgana, zu erschauen? Seinen Boden betreten wird von den Mitlebenden jedenfalls keiner. Wenn wir nun darauf verzichten müssen, diesen durch eine vergleichende Psychologie zu krönenden Tempel des Kosmos selbst zur Vollendung zu bringen, wenn wir die Last des Fortbaues auf die Schultern der kommenden Generationen zu wälzen haben, dann tritt damit desto gebieterischer die dringende Pflicht an uns heran, solcher Nachwelt vor allem die Rohmaterialien zu bewahren und zu überliefern, ohne welche das Ganze sich wieder in einen Luftbau philosophischer Deductionen auflösen würde. Und hier, meine Herren, wird sich einst, wie ich fürchte, eine schwere und bittere Anklage gegen uns erheben, weil wir in der heutigen Epoche des Contactes mit den Naturvölkern noch vieles hätten sammeln und retten können, was durch Unbedacht und Sorglosigkeit vor unsern Augen zu Grunde gegangen ist, was noch jetzt in jedem Jahre, an jedem Tage, möchte ich sagen, und jeder Stunde, während wir unthätig zuschauen, dahinschwindet. Jede solcher Lücken aber wird auf das schmerzlichste empfunden werden, wenn es gilt, in kommenden Tagen für die Inductionsformeln einen statistischen Ueberblick zu gewinnen von der ganzen Mannichfaltigkeit der Variationen, unter denen das Menschengeschlecht auf der Erde in die Erscheinung getreten ist. Der Vorwurf wird dann auf die jetzt lebende Generation fallen für Verluste, die später unersetzlich sind.

Ueberall auf meiner jetzigen Reise, mehr noch als auf den frühern, bin ich unter Trümmern und Ruinen gewandert. Nicht nur den monumentalen, die als schweigende Zeugen dastehen versunkener Culturen, deren Räthselwort noch nicht gesprochen ist, sondern auch leichter ephemerer Gebilde, die, wenn einmal zerfallen, für immer dahingegangen und uns unwiederbringlich verloren sind. Dass in diesen Sachen nichts a priori als unscheinbar verworfen werden darf, dass es hier kein Kleines und kein Grosses gibt, brauche ich Ihnen als Männern der Naturforschung nicht zu sagen. Wie der roh angeschliffene Stein unter Umständen von weit höherer Bedeutung sein kann, als die aus solchem Stein gefertigte Figur, wie die mit den Füssen getretene Flechte vielleicht für die Pflanzenphysiologie reichere Erläuterungen einschliesst, als die duftige Blume, so auch mag mancher Brauch, mancher Gedanke des einfachen Naturvolkes, gerade weil in dieser Einfachheit um so durchsichtiger, für die vergleichende Psychologie der Zukunft von höherer Bedeutung werden, als die complicirten Ornamente fort- ́ geschrittener Culturen. Da sich nun im voraus die Tragweite nicht abwägen lässt, so muss zunächst der Grundsatz gelten, um nicht etwa in dem Unscheinbaren das qualitativ Kostbarste zu übersehen, zunächst Alles zu sammeln, anthropologisch und prähistorisch sowol wie ethnologisch. Dass es indessen mit solchem Sammeln wieder seine Bedenklichkeiten hat, ist bekannt. Die von einem Laien zurückgebrachten Steine und Pflanzen bieten für den Botaniker oder Geologen selten viel Brauchbares, und so werden auch wir allmählich daran zu denken haben, ethnologisch geschulte Reisende auszusenden. Es ist mir

das besonders klar geworden durch ein paar eclatante Beispiele meiner letzten Reise, und nicht am wenigsten, als ich auf meiner Rückkehr kurz an einigen Punkten Polynesiens verweilen konnte.

Der polynesische Gedankenkreis ist nächst oder neben dem buddhistischen der ausgedehnteste, den wir auf der Erde besitzen. Es handelt sich hier nicht um amerikanische oder afrikanische Zersplitterung, sondern eine überraschende Gleichartigkeit dehnt sich durch die Weite und Breite des Stillen Oceans, und wenn wir Oceanien in der vollen Auffassung nehmen mit Einschluss Mikro- und Melanesiens (bis Malaya), selbst weiter. Es lässt sich sagen, dass ein einheitlicher Gedankenbau, in etwa 120 Längen- und 70 Breitengraden, 1⁄4 unsers Erdglobus überwölbt. Eine solch imposante Erscheinung dürfte gerade nicht von vornherein zu ignoriren sein, selbst wenn wir es hier, wie viele meinen, nur mit wilden Menschenfressern zu thun haben sollten.

Ich möchte nun die Frage an Sie richten, meine Herren, was wir von dieser gewaltigen Gedankenschöpfung, die, wie gesagt, etwa ein Viertel unsers kleinen Erdplaneten deckt, eigentlich wissen? Wir haben allerdings in Reisebeschreibungen und Abhandlungen über Polynesien mancherlei mythologische Erzählungen aus verschiedenen Inselgruppen, aber alle diese sind, leicht erkenntlich, die populären Entstellungen der religiösen Ideen, und nur zu oft ganz offenkundig die reinen Tagesproductionen des Volkswitzes. Man hat alles dieses promiscue aufgerafft und hat daraus ein Gemisch zusammengerührt, das ein ebenso unverdauliches Gericht bildet, als wenn ein Fremdling an unsern Küsten aus Brocken der Religionsvorstellungen, aus entstellten Heiligenlegenden, aus Sagen

des Volksaberglaubens u. s. w. eine Mengung herstellen und diese seinen Landsleuten auftischen würde als eine Geschmacksprobe europäischer Weltanschauung. Unsere Volkssagen erhalten ihre Bedeutung erst durch den Rückblick auf die Eddas; die verworrene Mythologie Indiens ist uns erst klar geworden seit Auffindung der Veda, und auch bei den Griechen lag der Kern der Religion nicht in den mythologischen Götterfiguren, die ungestraft auf der Bühne verspottet werden durften, sondern in jenem heiligen Liede, das uns aus hesiodeischen Theogonien wiederklingt, aus orphischen oder dionysischen Gesängen oder in den Mysterien verborgen lag. Ein gleiches Verhältniss wiederholt sich überall auf der Erde, in Asien, in Amerika, in Afrika, und ebenso in Polynesien. Die Berichte über die Mythologien der Naturvölker bieten im allgemeinen Zerrbilder ohne Sinn, solange wir nicht den religiösen Hintergrund kennen, auf dem sie spielen. Diesen kennen zu lernen, ist aber nicht leicht, da die Priester, die bei den Naturvölkern zugleich die Gelehrten repräsentiren, ihre Lehren in mystische Symbole zu hüllen pflegen, die nur den Eingeweihten verständlich sind. Es ist das ein Sachverhältniss, das noch nicht genugsam hervorgehoben worden ist. Wir treffen nur selten Reisende, die etwa durch die eine oder andere Besonderheit darauf aufmerksam geworden sind. Selbst dann aber konnten sie gewöhnlich wenig daran ändern, denn bei flüchtigem Durchreisen gelingt es schwer, in das tiefere Wesen religiöser Vorstellungen einzudringen, da es erst eines längern Aufenthaltes im Lande bedarf, um genügende Vertrautheit zu gewinnen zur Mittheilung solcher unter dem Siegel der Verschwiegenheit vererbten Ueberlieferungen.

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