ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Die psychologischen Erkenntnisse, welche sich aus diesen merkwürdigen, erst in den leßten 25 Jahren sicher beobachteten Thatsachen der Befruchtung ergeben, sind überaus wichtig und bisher nicht entfernt in ihrer allgemeinen Bedeutung gewürdigt. Wir fassen die wesentlichsten Folgerungen in folgenden fünf Säßen zusammen: I. Jedes menschliche Individuum ist, wie jedes andere höhere Thier, im Beginne seiner Existenz eine einfache Zelle. II. Diese Stammzelle (Cytula) entsteht überall auf dieselbe Weise, durch Verschmelzung oder Kopulation von zwei getrennten Zellen verschiedenen Ursprungs, der weiblichen Eizelle (Ovulum) und der männlichen Spermazelle (Spermium). III. Beide Geschlechtszellen besißen eine verschiedene Zellseele", d. h. beide sind durch eine besondere Form von Empfindung und von Bewegung ausgezeichnet. IV. In dem Momente der Befruchtung oder Empfängniß verschmelzen nicht nur die Plasmakörper der beiden Geschlechtszellen und ihre Kerne, sondern auch die „Seelen“ derselben; d. h. die Spannkräfte, welche in beiden enthalten und an die Materie des Plasma untrennbar gebunden sind, vereinigen sich zur Bildung einer neuen Spannkraft, des „Seelenkeimes" der neugebildeten Stammzelle. V. Daher besigt jede Person leibliche und geistige Eigenschaften von beiden Eltern; durch Vererbung überträgt der Kern der Eizelle einen Theil der mütterlichen, der Kern der Spermazelle einen Theil der väterlichen Eigenschaften.

Durch diese empirisch erkannten Erscheinungen der Konception wird ferner die höchst wichtige Thatsache festgestellt, daß jeder Mensch wie jedes andere Thier einen Beginn der individuellen Existenz hat; die völlige Kopulation der beiden sexuellen Zellkerne bezeichnet haarscharf den Augenblick, in welchem nicht nur der Körper der neuen Stammzelle entsteht, sondern auch ihre „Seele“. Durch diese Thatsache allein schon wird der alte Mythus von der Unsterblichkeit der Seele widerlegt,

Haedel, Welträthsel.

11

auf den wir später zurückkommen. Ferner wird dadurch der noch sehr verbreitete Aberglaube widerlegt, daß der Mensch seine individuelle Eristenz der „Gnade des liebenden Gottes“ verdankt. Die Ursache derselben beruht vielmehr einzig und allein auf dem „Eros" seiner beiden Eltern, auf jenem mächtigen, allen vielzelligen Thieren und Pflanzen gemeinsamen Geschlechtstriebe, welcher zu deren Begattung führt. Das Wesentliche bei diesem physiologischen Processe ist aber nicht, wie man früher annahm, die Umarmung“ oder die damit verknüpften Liebesspiele, sondern einzig und allein die Einführung des männlichen Sperma in die weiblichen Geschlechts-Kanäle. Nur dadurch wird es bei den landbewohnenden Thieren möglich, daß der befruchtende Samen mit der abgelösten Eizelle zusammenkommt (was beim Menschen gewöhnlich innerhalb des Uterus geschieht). Bei niederen, wasserbewohnenden Thieren (z. B. Fischen, Muscheln, Medusen) werden beiderlei reife Geschlechts-Produkte einfach in das Wasser entleert, und hier bleibt ihr Zusammentreffen dem Zufall überlassen; dann fehlt eine eigentliche Begattung, und damit zugleich fallen jene zusammengeseßten psychischen Funktionen des „Liebeslebens" hinweg, die bei höheren Thieren eine so große Rolle spielen. Daher fehlen auch allen nicderen, nicht kopulirenden Thieren jene interessanten Organe, die Darwin als ,,sekundäre Sexual-Charaktere" bezeichnet hat, die Produkte der geschlechtlichen Zuchtwahl: der Bart des Mannes, das Geweih des Hirsches, das. prachtvolle Gefieder der Paradiesvögel und vieler Hühner - Vögel, sowie viele andere Auszeichnungen der Männchen, welche den Weibchen fehlen.

Vererbung der Seele. Unter den angeführten Folgeschlüssen der Konceptions - Physiologie ist für die PsychoLogie ganz besonders wichtig die Vererbung der SeelenQualitäten von beiden Eltern. Daß jedes Kind besondere Eigenthümlichkeiten des Charakters, Temperament, Talent,

=

Sinnesschärfe, Willens - Energie von beiden Eltern erbt, ist allgemein bekannt. Ebenso bekannt ist die Thatsache, daß oft (oder eigentlich allgemein!) auch psychische Eigenschaften von beiderlei Großeltern durch Vererbung übertragen werden; ja häufig stimmt in einzelnen Beziehungen der Mensch mehr mit den Großeltern als mit den Eltern überein, und das gilt ebenso von geistigen wie von körperlichen Eigenthümlichkeiten. Alle die merkwürdigen Geseze der Vererbung, welche ich zuerst (1866) in der Generellen Morphologie formulirt und in der Natürlichen Schöpfungsgeschichte populär behandelt habe, besigen ebenso allgemeine Gültigkeit für die besonderen Erscheinungen der Seelenthätigkeit wie der Körperbildung; ja, sie treten uns häufig an der ersteren noch viel auffallender und klarer entgegen als an der letteren.

Nun ist ja an sich das große Gebiet der Vererbung, für dessen ungeheuere Bedeutung uns erst Darwin (1859) das wissenschaftliche Verständniß eröffnet hat, reich an dunkeln Räthseln und physiologischen Schwierigkeiten; wir dürfen nicht beanspruchen, daß uns schon jezt, nach 40 Jahren, alle Seiten desselben klar vor Augen liegen. Aber so viel haben wir doch schon sicher gewonnen, daß wir die Vererbung als eine physiologische Funktion des Organismus betrachten, die mit der Thätigkeit seiner Fortpflanzung unmittelbar verknüpft ist; und wie alle anderen Lebensthätigkeiten müssen wir auch diese schließlich auf physikalische und chemische Processe, auf Mechanik des Plasma zurückführen. Nun kennen wir aber jezt den Vorgang der Befruchtung selbst genau; wir wissen, daß dabei ebenso der Spermakern die väterlichen, wie der Eikern die mütterlichen Eigenschaften auf die neugebildete Stammzelle überträgt. Die Vermischung beider Zellkerne ist das eigentliche Hauptmoment der Vererbung; durch sie werden ebenso die individuellen Eigenschaften der Seele wie des Leibes auf das neugebildete

Individuum übertragen. Diesen ontogenetischen Thatsachen steht die dualistische und mystische Psychologie der noch heute herrschenden Schulen rathlos gegenüber, während sie sich durch unsere monistische Psychogenie in einfachster Weise erklären.

Seelenmischung (psychische Amphigonie). Die physiologische Thatsache, auf welche es für die richtige Beurtheilung der individuellen Psychogenie vor Allem ankommt, ist die Kontinuität der Psyche in der Generations-Reihe. Wenn im Konceptions- Momente auch thatsächlich ein neues Individuum entsteht, so ist dasselbe doch weder hinsichtlich seiner geistigen noch leiblichen Qualität eine unabhängige Neubildung, sondern lediglich das Produkt aus der Verschmelzung der beiden elterlichen Faktoren, der mütterlichen Eizelle und der väterlichen Spermazelle. Die Zellseelen dieser beiden Geschlechtszellen verschmelzen im Befruchtungs Akte ebenso vollständig zur Bildung einer neuen Zellseele, wie die beiden Zellkerne, welche die materiellen Träger dieser psychischen Spannkräfte sind, zu einem neuen Zellkern sich verbinden. Da wir nun sehen, daß die Individuen einer und derselben Art - ja selbst die Geschwister, die von einem gemeinsamen Eltern - Paare abstammen gewisse, wenn auch geringfügige Unterschiede zeigen, so müssen wir annehmen, daß solche auch schon in der chemischen PlasmaKonstitution der kopulirenden Keimzellen selbst vorhanden sind (Gesetz der individuellen Variation, Natürl. Schöpfgsg. S. 215).

stets

Aus diesen Thatsachen allein schon läßt sich die unendliche Mannigfaltigkeit der individuellen Seelen- und Form - Erscheinungen in der organischen Natur begreifen. In extremer, aber einseitiger Konsequenz ergiebt sich daraus die Auffassung von Weismann, welcher die Amphimiris, die Mischung des Keimplasma bei der geschlechtlichen Zeugung, sogar als die allgemeine und ausschließliche Ursache der individuellen Variabilität betrachtet. Diese exklusive Auffassung, die mit seiner Theorie

von der Kontinuität des Keimplasma zusammenhängt, ist nach meiner Ansicht übertrieben; vielmehr halte ich an der Ueberzeugung fest, daß die mächtigen Gefeße der progressiven Vererbung und der damit verknüpften funktionellen Anpassung ebenso für die Seele wie für den Leib gelten. Die neuen Eigenschaften, welche das Individuum während seines Lebens erworben hat, können theilweise auf die molekulare Zusammenseßung des Keimplasma in der Eizelle und Samenzelle zurückwirken und können so durch Vererbung unter gewissen Bedingungen (natürlich nur als latente Spannkräfte) auf die nächste Generation übertragen werden.

[ocr errors]

Psychologischer Atavismus. Wenn bei der SeelenMischung im Augenblicke der Empfängniß zunächst auch nur die Spannkräfte der beiden Eltern-Seelen mittelst Verschmelzung der beiden erotischen Zellkerne erblich übertragen werden, so kann damit doch zugleich der erbliche psychische Einfluß älterer, oft weit zurückliegender Generationen mit fortgepflanzt werden. Denn auch die Geseze der latenten Vererbung oder des Atavismus gelten ebenso für die Psyche wie für die anatomische Organisation. Die merkwürdigen Erscheinungen dieses Rückschlags" begegnen uns in sehr einfacher und lehrreicher Form beim Generationswechsel" der Polypen und Medusen. Hier wechseln regelmäßig zwei sehr verschiedene Generationen so mit einander ab, daß die erste der dritten, fünften u. s. w. gleich ist, dagegen die zweite (von jenen sehr verschiedene) der vierten, sechsten u. s. w. (Natürl. Schöpfgsg. S. 185). Beim Menschen wie bei den höheren Thieren und Pflanzen, wo in Folge kontinuirlicher Vererbung jede Generation der anderen gleicht, fehlt jener reguläre Generationswechsel; aber trotzdem fallen uns auch hier vielfach Erscheinungen des Rückschlags oder Atavismus auf, welche auf dasselbe Gesetz der latenten Vererbung zurückzuführen sind.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »