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verläuft in der unendlichen Zeit als eine einheitliche Entwicklung, mit periodischem Wechsel von Werden und Vergehen, von Fortbildung und Rückbildung. 4. Die unzähligen Weltkörper, welche im raumerfüllenden Aether vertheilt sind, unterliegen sämmtlich dem Substanz-Gesez; während in einem Theile des Universum die rotirenden Weltkörper langsam ihrer Rückbildung und ihrem Untergang entgegen gehen, erfolgt in einem andern Theile des Weltraums Neubildung und Fortentwicklung. 5. Unsere Sonne ist einer von diesen unzähligen vergänglichen Weltkörpern, und unsere Erde ist einer von den zahlreichen vergänglichen Planeten, welche dieselbe umkreisen. 6. Unsere Erde hat einen langen Abkühlungs- Proceß durchgemacht, ehe auf derselben tropfbar flüssiges Wasser und damit die erste Vorbedingung organischen Lebens entstehen konnte. 7. Der dann folgende biogenetische Proceß, die langsame Entwicklung und Umbildung zahlloser organischer Formen, hat viele Millionen Jahre (weit über hundert!) in Anspruch genommen*). 8. Unter den verschiedenen. Thier-Stämmen, welche sich im späteren Verlaufe des biogenetischen Processes auf unserer Erde entwickelten, hat der Stamm der Wirbelthiere im Wettlaufe der Entwickelung neuerdings alle anderen weit überflügelt. 9. Als der bedeutendste Zweig des Wirbelthier - Stammes hat sich erst spät (während der TriasPeriode) aus niederen Reptilien und Amphibien die Klasse der Säugethiere entwickelt. 10. Der vollkommenste und höchst entwickelte Zweig dieser Klasse ist die Ordnung der Herrenthiere oder Primaten, die erst im Beginne der Tertiär-Zeit (vor mindestens drei Millionen Jahren) durch Umbildung aus niedersten Zottenthieren (Prochoriaten) entstanden ist. 11. Das jüngste und vollkommenste Aestchen des Primaten Zweiges ist der Mensch,

*) Zeitdauer der organischen Erdgeschichte. Vergl. meinen CambridgeVortrag: Ueber unsere gegenwärtige Kenntniß vom Ursprunge des Menschen. Bonn 1898. VII. Aufl., S. 51.

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Kosmologische Perspektive.

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der erst gegen Ende der Tertiär- Zeit aus einer Reihe von Menschen - Affen hervorgegangen ist. 12. Demnach ist die sogenannte Weltgeschichte" d. h. der kurze Zeitraum von wenigen Jahrtausenden, innerhalb dessen sich die Kulturgeschichte des Menschen abgespielt hat, eine verschwindend kurze Episode in dem langen Verlaufe der organischen Erdgeschichte, ebenso wie diese selbst ein kleines Stück von der Geschichte unseres Planeten - Systems; und wie unsere Mutter Erde ein vergängliches Sonnenstäubchen im unendlichen Weltall, so ist der einzelne Mensch ein winziges Plasma-Körnchen in der vergänglichen organischen Natur.

Nichts scheint mir geeigneter als diese großartige kosmologische Perspektive, um von vornherein den richtigen Maaßstab und den weitsichtigen Standpunkt festzusehen, welchen wir zur Lösung der großen, uns umgebenden Welträthsel einhalten müssen. Denn dadurch wird nicht nur die maaßgebende „Stellung des Menschen in der Natur" klar bewiesen, sondern auch der herr= schende anthropistische Größenwahn widerlegt, die Anmaaßung, mit der der Mensch sich dem unendlichen Universum gegenüberstellt und als wichtigsten Theil des Weltalls verherrlicht. Diese grenzenlose Selbstüberhebung des eiteln Menschen hat ihn dazu verführt, sich als „Ebenbild Gottes" zu betrachten, für seine vergängliche Person ein „ewiges Leben“ in Anspruch zu nehmen und sich einzubilden, daß er unbeschränkte „Freiheit des Willens" besißt. Der lächerliche Cäsaren-Wahn des Caligula ist eine specielle Form dieser hochmüthigen Selbstvergötterung des Menschen. Erst wenn wir diesen unhaltbaren Größenwahn aufgeben und die naturgemäße kosmologische Perspektive einnehmen, können wir zur Lösung der Welträthsel“ gelangen 1).

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Zahl der Welträthsel. Der ungebildete Kulturmensch ist noch ebenso wie der rohe Naturmensch auf Schritt und Tritt von unzähligen Welträthseln umgeben. Je weiter die Kultur

Haedel, Welträthsel.

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fortschreitet und die Wissenschaft sich entwickelt, desto mehr wird ihre Zahl beschränkt. Die monistische Philosophie wird schließlich nur ein einziges, allumfassendes Welträthsel anerkennen, das „Substanz- Problem". Immerhin kann es aber zweckmäßig erscheinen, auch eine gewisse Zahl von schwierigsten Problemen mit jenem Namen zu bezeichnen. In der berühmten Rede, welche Emil du Bois-Reymond 1880 in der LeibnizSizung der Berliner Akademie der Wissenschaften hielt, unterscheidet er Sieben Welträthsel" und führt dieselben in nachstehender Reihenfolge auf: I. das Wesen von Materie und Kraft, II. der Ursprung der Bewegung, III. die erste Entstehung des Lebens, IV. die (anscheinend absichtsvoll) zweckmäßige Einrichtung der Natur, V. das Entstehen der einfachen Sinnesempfindung und des Bewußtseins, VI. das vernünftige Denken und der Ursprung der damit eng verbundenen Sprache, VII. die Frage nach der Willens Freiheit. Von diesen sieben Welträthseln erklärt der Rhetor der Berliner Akademie drei für ganz transcendent und unlösbar (das erste, zweite und fünfte); drei andere hält er zwar für schwierig, aber für lösbar (das dritte, vierte und sechste); bezüglich des siebenten und legten Welträthsels", welches praktisch das wichtigste ist, nämlich der Willensfreiheit, verhält er sich unentschieden.

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Da mein Monismus sich von demjenigen des Berliner Rhetors wesentlich unterscheidet, da aber anderseits seine Auffassung der sieben Welträthsel“ großen Beifall in weiten Kreisen gefunden hat, halte ich es für zweckmäßig, gleich hier von vornherein zu denselben klare Stellung zu nehmen. Nach meiner Ansicht werden die drei „transcendenten" Räthsel (I, II, V) durch unsere Auffassung der Substanz erledigt (Kapitel 12); die drei anderen, schwierigen, aber lösbaren Probleme (III, IV, VI) sind durch unsere moderne Entwicklungslehre endgültig gelöst; das siebente und letzte Welträthsel, die Willensfreiheit,

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Lösung der Welträthsel.

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ist gar kein Objekt kritischer wissenschaftlicher Erklärung, da sie als reines Dogma nur auf Täuschung beruht und in Wirklichkeit gar nicht eristirt.

Lösung der Welträthsel. Die Mittel und Wege, welche wir zur Lösung der großen Welträthsel einzuschlagen haben, find keine anderen als diejenigen der reinen wissenschaftlichen Erkenntniß überhaupt, also erstens Erfahrung und zweitens Schlußfolgerung. Die wissenschaftliche Erfahrung erwerben wir uns durch Beobachtung und Experiment, wobei in erster Linie unsere Sinnes - Organe, in zweiter die inneren Sinnesherde" unserer Großhirnrinde thätig sind. Die mikroskopischen Elementar - Organe der ersteren sind die Sinneszellen, die der letteren Gruppen von Ganglienzellen. Die Erfahrungen, welche wir von der Außenwelt durch diese unschäzbarsten Organe unsers Geisteslebens erhalten haben, werden dann durch andere Gehirntheile in Vorstellungen umgesezt und diese wiederum durch Association zu Schlüssen verknüpft. Die Bildung dieser Schlußfolgerungen erfolgt auf zwei verschiedenen Wegen, die nach meiner Ueberzeugung gleich werthvoll und unentbehrlich sind: Induktion und Deduktion. Die weiteren verwickelten Gehirn-Operationen, die Bildung von zusammenhängenden Kettenschlüssen, die Abstraktion und Begriffsbildung, die Ergänzung des erkennenden Verstandes durch die plastische Thätigkeit der Phantasie, schließlich das Bewußtsein, das Denken und Philosophiren, sind ebenso Funktionen der Ganglien-Zellen der Großhirnrinde wie die vorhergehenden einfacheren Seelenthätigkeiten. Alle zusammen vereinigen wir in dem höchsten Begriffe der Vernunft*).

Vernunft, Gemüth und Offenbarung. Durch die Vernunft allein können wir zur wahren Natur-Erkenntniß und zur

*) Ueber Induktion und Deduktion vergl. meine Natürliche Schöpfungsgeschichte, neunte Auflage 1898, S. 76, 796.

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Lösung der Welträthsel gelangen. Die Vernunft ist das höchste Gut des Menschen und derjenige Vorzug, der ihn allein von den Thieren wesentlich unterscheidet. Allerdings hat sie aber diesen hohen Werth erst durch die fortschreitende Kultur und Geistesbildung, durch die Entwickelung der Wissenschaft erhalten. Der ungebildete Mensch und der rohe Naturmensch sind ebenso wenig (oder ebenso viel) „vernünftig“ als die nächstverwandten Säugethiere (Affen, Hunde, Elephanten u. s. w.). Nun ist aber in weiten Kreisen noch heute die Ansicht verbreitet, daß es außer der göttlichen Vernunft noch zwei weitere (ja sogar wichtigere!) Erkenntniß - Wege gebe: Gemüth und Offenbarung. Diesem gefährlichen Irrthum müssen wir von vornherein entschieden entgegentreten. Das Gemüth hat mit der Erkenntniß der Wahrheit gar Nichts zu thun. Was wir Gemüth" nennen und hochschäßen, ist eine verwickelte Thätigkeit des Gehirns, welche sich aus Gefühlen der Lust und Unlust, aus Vorstellungen der Zuneigung und Abneigung, aus Strebungen des Begehrens und Fliehens zusammenseßt. Dabei können die verschiedensten anderen Thätigkeiten des Drganismus mitspielen, Bedürfnisse der Sinne und der Muskeln, des Magens und der Geschlechtsorgane u. s. w. Die Erkenntniß der Wahrheit fördern alle diese Gemüths-Zustände und GemüthsBewegungen in keiner Weise; im Gegentheil stören sie oft die allein dazu befähigte Vernunft und schädigen sie häufig in empfindlichem Grade. Noch kein Welträthsel" ist durch die Gehirn - Funktion des Gemüths gelöst oder auch nur gefördert worden. Dasselbe gilt aber auch von der sogenannten „Offenbarung" und den angeblichen, dadurch erreichten „Glaubenswahrheiten"; diese beruhen sämmtlich auf bewußter oder unbewußter Täuschung, wie wir im 16. Kapitel schen werden.

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Philosophie und Naturwissenschaft. Als einen der erfreulichsten Fortschritte zur Lösung der Welträthsel müssen wir

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