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Anmerkungen und Erläuterungen.

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Weise betrieben werden, daß man ihre Säße für in Wahrheit begründet erachten dürfe, auch wenn sie der Offenbarungslehre widersprechen. Wer behauptet, beim Fortschreiten der Wissenschaft könne es einmal dahin kommen, daß jene durch die Kirche aufgestelltén Lehren in anderem Sinne aufgefaßt werden müssen, als die Kirche sie bisher immer aufgefaßt hat und noch auffaßt.“

Die orthodore evangelische Kirche giebt übrigens der katholischen in der Verdammung der Wissenschaft als solcher bisweilen nichts nach. In dem Mecklenburgischen Schulblatte war kürzlich folgende Warnung zu lesen: „Hüte dich vor dem ersten Schritte! Noch stehst du da unberührt von dem falschen Gößen der Wissenschaft. Hast du diesem Satan erst den kleinen Finger gegeben, so erfaßt er nach und nach die ganze Hand, du bist ihm rettungslos verfallen, mit geheimnißvoller Zauberkraft umgarnt er dich und führt dich hin an den Baum der Erkenntniß; und hast du einmal davon gekostet, so zieht es dich immer wieder mit magischer Gewalt zu dem Baume zurück, ganz zu erkennen, was wahr und was falsch, was gut und was böse sei. Wahre dir das Paradies deiner wissenschaftlichen Unschuld!“

17) Theologie und Zoologie (S. 380). Die innige Verbindung, in welcher bei den meisten Menschen die philosophische Weltanschauung mit der religiösen Ueberzeugung steht, hat mich hier genöthigt, auf die herrschenden Glaubenslehren des Christenthums näher einzugehen, und ihren fundamentalen Widerspruch zu den Grundlehren unserer monistischen Philosophie offen zu besprechen. Nun ist mir aber schon früher von meinen christlichen Gegnern oft der Vorwurf gemacht worden, daß ich die christliche Religion überhaupt nicht kenne. Noch vor Kurzem gab der fromme Dr. Dannert (bei Empfehlung einer thierpsychologischen Arbeit des ausgezeichneten Jesuiten und Zoologen Erich Wasmann) dieser Ansicht den höflichen Ausdruck: „Ernst Haeckel versteht bekanntlich vom Christenthum so viel, wie der Esel von den Logarithmen“ (Konservative Monatsschrift, Juli 1898, S. 774),

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Diese oft geäußerte Ansicht ist ein thatsächlicher Irrthum. Nicht nur zeichnete ich mich auf der Schule in Folge meiner frommen Erziehung durch besonderen Eifer und Fleiß im Religions-Unterricht aus, sondern ich habe noch in meinem 21. Lebensjahre die christlichen Glaubenslehren in lebhaften Diskussionen gegen meine freidenkenden Kommilitonen auf das Wärmste vertheidigt, obgleich das Studium der menschlichen Anatomie und Physiologie, ihre Vergleichung mit derjenigen der anderen Wirbelthiere, meinen Glauben schon tief erschüttert hatte. Zur völligen Aufgabe desselben — unter den bittersten Seelenkämpfen! — gelangte ich erst durch das vollendete Studium der Medicin und durch die Thätigkeit als praktischer Arzt. Da lernte ich das Wort von Faust verstehen: „Der Menschheit ganzer Jammer packt mich an!" Da fand ich die „Allgüte des liebenden Vaters“ ebenso wenig in der harten Schule des

Lebens, als ich die „weise Vorsehung“ im Kampf um's Dasein zu entdecken vermochte. Als ich dann später auf zahlreichen wissenschaftlichen Reisen alle Länder und Völker Europa's kennen lernte, als ich bei wiederholten Besuchen von Asien und Afrika einerseits die ehrwürdigen Religionen der ältesten Kulturvölker, andererseits die niedersten Religions-Anfänge der tiefstehenden Naturvölker beobachten konnte, reifte in mir durch vergleichende Religions - Kritik jene Auffassung des Christenthums, welcher ich im 17. Kapitel Ausdruck gegeben habe.

Daß ich als Zoologe berechtigt bin, auch die entgegengesette Weltanschauung der Theologen in den Bereich meiner philosophischen Kritik zu ziehen, ergiebt sich schon daraus, daß ich die ganze Anthropologie als Theil der Zoologie betrachte und dabei die Psychologie nicht ausschließen kann.

18) Die monistische Kirche (S. 398). Das praktische Bedürfniß des Gemüths-Lebens und der Staatsordnung wird früher oder später dazu führen, unserer monistischen Religion ebenso eine bestimmte Kultus-Form zu geben, wie dies bei allen anderen Religionen der Kulturvölker der Fall gewesen ist. Es wird eine schöne Aufgabe der ehrlichen Theologen des 20. Jahrhunderts sein, diesen monistischen Kultus auszubauen und den mannigfaltigen Bedürfnissen der einzelnen Kultur-Völker anzupassen. Da wir auch auf diesem wichtigen Gebiete keine gewaltsame Revolution, sondern eine vernünftige Reform wünschen, scheint es uns das Richtigste, an die bestehenden Einrichtungen der herrschenden christlichen Kirche anzuknüpfen, um so mehr, als diese ja auch mit den politischen und socialen Institutionen vielfach auf das Innigste verwachsen sind.

In gleicher Weise, wie die christliche Kirche ihre großen Jahresfeste auf die uralten heidnischen Festtage des Jahres verlegt hat, so wird die monistische Kirche dieselben ihrer ursprünglichen, dem Natur - Kultus entsprungenen Bestimmung zurückgeben. Weihnachten wird wieder das Sonnenwendfest des Winters werden, Johannisfeier dasjenige des Sommers. Zu Ostern werden wir nicht die übernatürliche und unmögliche Auferstehung eines mystischen Gekreuzigten feiern, sondern die herrliche Wiedergeburt der organischen Welt, die Auferstehung der Frühlings-Natur aus dem langen Winterschlafe. In dem Herbstfeste zu Michaelis werden wir den Abschluß der frohen Sommerszeit festlich begehen und den Eintritt in die ernste Arbeitszeit des Winters. In ähnlicher Weise können auch andere Institutionen der herrschenden christlichen Kirche und sogar besondere Ceremonien derselben zur Errichtung des monistischen Kultus benußt werden.

Der Gottesdienst des Sonntags, der nach wie vor als der uralte Tag der Ruhe, der Erbauung und Erholung auf die sechs Werktage der Arbeitswoche folgt, wird in der monistischen Kirche eine wesentliche Verbesserung erfahren. An die Stelle des mystischen Glaubens an übernatürliche Wunder wird das klare Wissen von den wahren Wundern der Natur treten. Die Gotteshäuser als Andachtsstätten werden nicht mit Heiligenbildern und Krucifiren geschmückt werden, sondern mit kunstreichen

Anmerkungen und Erläuterungen.

463 Darstellungen aus dem unerschöpflichen Schönheits-Reiche in Natur- und Menschenleben. Zwischen den hohen Säulen der gothischen Dome, welche von Lianen umschlungen sind, werden schlanke Palmen und Baumfarne, zierliche Bananen und Bambusen an die Schöpfungskraft der Tropen erinnern. In großen Aquarien, unterhalb der Kirchenfenster, werden reizende Medusen und Siphonophoren, buntfarbige Korallen und Sternthiere die „Kunstformen" des Meereslebens erläutern. An die Stelle des Hochaltars wird eine Urania“ treten, welche an den Bewegungen der Weltkörper die Allmacht des Substanz-Gesezes darlegt. Thatsächlich finden jezt schon zahlreiche Gebildete ihre wahre Erbauung nicht in dem Anhören phrasenreicher und gedankenarmer Predigten, sondern in dem Besuche öffentlicher Vorträge über Wissenschaft und Kunst, in dem Genusse der unendlichen Schönheiten, welche aus dem Schooße unserer Mutter Natur in unversieglichem Strome fließen.

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19) Egoismus und Altruismus (S. 404). Die beiden Grundpfeiler der gesunden Moral und Sociologie bilden Egoismus (Selbstliebe) und Altruismus (Nächstenliebe) im richtigen Gleichgewicht; das gilt für den Menschen ebenso wie für alle anderen socialen Thiere. Ebenso wie einerseits das Gedeihen der Gesellschaft an dasjenige der Personen geknüpft ist, die sie zusammenseßen, so ist andererseits die volle Entwickelung des individuellen Menschenwesens nur möglich im Zusammenleben mit Seinesgleichen. Die Christen-Moral predigt die ausschließliche Geltung des Altruismus und will dem Egoismus keinerlei Rechte zugestehen. Gerade umgekehrt verfährt die moderne Herren-Moral (von Max Stirner, Friedrich Nießsche u. A.) Beide Extreme sind gleich falsch und widersprechen in gleicher Weise den gesunden Forderungen der socialen Natur. Vergleiche Hermann Türck, Friedrich Nießsche und seine philosophischen Irrwege (Jena 1891). 2. Büchner, Die Philosophie des Egoismus. Internationale Literatur-Berichte. IV, 1 (7 Januar 1897).

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20) Ausblick auf das zwanzigste Jahrhundert (S. 440). Die feste Ueberzeugung von der Wahrheit der monistischen Philosophie, welche mein Buch über die „Welträthsel“ von Anfang bis zu Ende durchzieht, gründet sich in erster Linie auf die wunderbaren Fortschritte der Natur-Erkenntniß im neunzehnten Jahrhundert. Sie fordert uns aber am Schlusse desselben auf, auch noch einen hoffnungsvollen Ausblick in das anbrechende zwanzigste Jahrhundert zu thun und die Frage aufzuwerfen: „Fühlen wir uns vom Morgenhauch eines neuen Geistes berührt, und tragen wir in uns das sichere Ahnen und Empfinden eines Höheren und Besseren?" Julius Hart, dessen Geschichte der Weltliteratur (2 Bände, Berlin 1894) viele Beiträge zur allseitigen Beleuchtung dieser großen Frage liefert, hat dieselbe vor Kurzem geistreich erörtert in einem neuen Werke: „Zukunftsland. Im Kampf um eine Weltanschauung. I. Band: Der neue Gott. Ein Ausblick auf das kommende Jahr

hundert." Ich meinerseits bejahe jene Frage unbedingt, weil ich die feste Begründung des Substanz-Gesezes und der mit ihm untrennbar verknüpften Entwickelungslehre als den größten Fortschritt zur endgültigen Lösung der Welträthsel" betrachte. Ich verkenne keineswegs das schwere Gewicht der schmerzlichen Verluste, welche die moderne Menschheit durch den Untergang der herrschenden Glaubenslehren und der damit verknüpften Zukunfts-Hoffnungen erleidet. Ich finde aber reichen Ersaß dafür in dem unerschöpflichen Schahe der neuen einheitlichen Weltanschauung, welchen uns die moderne Natur-Erkenntniß erschlossen hat. Ich bin fest überzeugt, daß das zwanzigste Jahrhundert uns erst zum vollen Genusse dieser Geistesschäße führen wird und damit zu der von Goethe so herrlich erfaßten Religion des Wahren, Guten und Schönen.

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Der Erdenkreis ist mir genug bekannt;

Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt.

Thor, wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seines Gleichen dichtet!

Er stehe fest und sehe hier sich um;

Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stum m.

Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen?

Was er erkennt, läßt sich ergreifen!

Er wandle so den Erdentag entlang;

Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang;

Im Weiterschreiten find't er Qual und Glück,

Ob unbefriedigt jeden Augenblick.

Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben,

Das ist der Weisheit lehter Schluß:

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,

Der täglich sie erobern muß.“

Goethe (Faust).

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Allmacht des Substanz-Gesetzes 267. Atheismus 335, 420.

Aktuelle Energie 266.

All-Eins-Lehre 333.

Altruismus 404, 463.

Amphimyris 164.

Amphitheismus 322.

Athanistische Illusionen 237.

Atheistische Wissenschaften 301.
Atome 257.

Anangke (Fatum) 314.

Anatomie 27, 124.
Anaximander 334, 437.

Anfang der Welt 279, 286.
Animalisches Bewußtsein 202.
Anthropismus 13.

Anthropistisches Bewußtsein 199.
Haedel, Welträthsel.

Atomismus (Dalton) 257.

Atomistisches Bewußtsein 205.
Attribute des Aethers 262.
Attribute der Substanz 249.
Augustinus 150.

Auswickelung 65.
Auszugsgeschichte 94.
Autogonie 298.

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