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hunderts, blieb in der Medicin, und speciell in der Physiologie, die alte Anschauung herrschend, daß zwar ein Theil der LebensErscheinungen auf physikalische und chemische Vorgänge zurückzuführen sei, daß aber ein anderer Theil derselben durch eine besondere, davon unabhängige Lebenskraft (Vis vitalis) bewirkt werde. So verschiedenartig auch die besonderen Vorstellungen vom Wesen derselben und besonders von ihrem Zusammenhang mit der Seele“ sich ausbildeten, so stimmten doch alle darin überein, daß die Lebenskraft von den physikalischchemischen Kräften der gewöhnlichen „Materie“ unabhängig und wesentlich verschieden sei; als eine selbständige, der anorganischen Natur fehlende „Urkraft“ (Archaeus) sollte sie die ersteren in ihren Dienst nehmen. Nicht allein die Seelenthätigkeit selbst, die Sensibilität der Nerven und die Irritabilität der Muskeln, sondern auch die Vorgänge der Sinnesthätigkeit, der Fortpflanzung und Entwickelung erschienen allgemein so wunderbar und in ihren Ursachen so räthselhaft, daß es unmöglich sei, sie auf einfache physikalische und chemische Naturprocesse zurückzuführen. Da die freie Thätigkeit der Lebenskraft zweckmäßig und bewußt wirkte, führte sie in der Philosophie zu einer vollkommenen Teleologie; besonders erschien diese unbestreitbar, seitdem selbst der „kritische“ Philosoph Kant in seiner berühmten Kritik der teleologischen Urtheilskraft zugestanden hatte, daß zwar die Befugniß der menschlichen Vernunft zur mechanischen Erklärung aller Erscheinungen unbeschränkt sei, daß aber die Fähigkeit dazu bei den Erscheinungen des organischen Lebens aufhöre; hier müsse man nothgedrungen zu einem „zweckmäßig thätigen", also übernatürlichen Princip seine Zuflucht nehmen. Natürlich wurde der Gegensaß dieser vitalen Phänomene zu den mechanischen Lebensthätigkeiten um so auffälliger, je weiter man in der chemischen und physikalischen Erklärung der lesteren gelangte. Der Blutkreislauf und ein Theil der anderen.

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Bewegungs-Erscheinungen ließen sich auf mechanische Vorgänge, die Athmung und Verdauung auf chemische Processe gleich denjenigen in der anorganischen Natur zurückführen; dagegen bei den wunderbaren Leistungen der Nerven und Muskeln wie im eigentlichen Seelenleben“ schien das unmöglich; und auch das einheitliche Zusammenwirken aller dieser verschiedenen Kräfte im Leben des Individuums erschien damit unerklärbar. So entwickelte sich ein vollständiger physiologischer Dualismus ein principieller Gegensaß zwischen anorganischer und organischer Natur, zwischen mechanischen und vitalen Processen, zwischen materieller Kraft und Lebenskraft, zwischen Leib und Seele. Jm Beginne des 19. Jahrhunderts wurde dieser Vitalismus besonders eingehend durch Louis Dumas in Frankreich begründet, durch Reil in Deutschland. Eine schöne poetische Darstellung desselben hatte schon 1795 Alexander Humboldt in seiner Erzählung vom Rhodischen Genius gegeben (- wiederholt mit kritischen Anmerkungen in den „Ansichten der Natur“ —).

Der Mechanismus des Lebens (monistische Physiologie). Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte der berühmte Philosoph Descartes, fußend auf Harvey's Entdeckung des Blutkreislaufs, den Gedanken ausgesprochen, daß der Körper des Menschen ebenso wie der Thiere eine komplizirte Maschine sei, und daß ihre Bewegungen nach denselben mechanischen Gesezen erfolgen wie bei den künstlichen, vom Menschen für einen bestimmten Zweck gebauten Maschinen. Allerdings nahm Descartes troßdem für den Menschen allein eine vollkommene Selbständigkeit der immateriellen Seele an und erklärte sogar deren subjektive Empfindung, das Denken, für das Einzige in der Welt, von dem wir unmittelbar ganz sichere Kenntniß befigen (Cogito, ergo sum!"). Allein dieser Dualismus hinderte ihn nicht, im Einzelnen die Erkenntniß der mechanischen Lebensthätigkeiten vielseitig zu fördern. Im Anschluß daran führte

Borelli (1660) die Bewegungen des Thierkörpers auf rein physikalische Geseze zurück, und gleichzeitig versuchte Sylvius die Vorgänge bei der Verdauung und Athmung als rein chemische Processe zu erklären; ersterer begründete in der Medicin eine iatromechanische, letterer eine iatrochemische Schule. Allein diese vernünftigen Anfäße zu einer naturgemäßen, mechanischen Erklärung der Lebens-Erscheinungen vermochten keine allgemeine Anwendung und Geltung zu erringen; und im Laufe des 18. Jahrhunderts traten sie ganz zurück, je mehr sich der teleologische Vitalismus entwickelte. Eine endgültige Widerlegung des lezteren und Rückkehr zur ersteren wurde erst vorbereitet, als im vierten Decennium unseres Jahrhunderts die neue vergleichende Physiologie sich zu fruchtbarer Geltung erhob.

Vergleichende Physiologie. Wie unsere Kenntnisse vom Körperbau des Menschen, so wurden auch diejenigen von seiner Lebensthätigkeit ursprünglich größtentheils nicht durch direkte Beobachtung am menschlichen Organismus selbst gewonnen, sondern an den nächstverwandten höheren Wirbelthieren, vor Allem den Säugetieren. Insofern waren schon die ältesten Anfänge der menschlichen Anatomie und Physiologie „vergleichend". Aber die eigentliche vergleichende Physiologie", welche das ganze Gebiet der Lebens-Erscheinungen von den niedersten Thieren bis zum Menschen hinauf im Zusammenhang erfaßt, ist erst eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts; ihr großer Schöpfer war Johannes Müller in Berlin (geb. 1801 in Coblenz als Sohn eines Schuhmachers). Von 1833-1858, volle 25 Jahre hindurch, entfaltete dieser vielseitigste und umfassendste Biologe unserer Zeit an der Berliner Universität als Lehrer und Forscher eine Thätigkeit, die nur mit der vereinigten Wirksamkeit von Haller und Cuvier zu vergleichen ist. Fast alle großen Biologen, welche in den letzten 60 Jahren in Deutschland lehrten und wirkten, waren direkt oder indirekt Schüler von Johannes

Müller. Ursprünglich ausgehend von der Anatomie und Physiologie des Menschen, zog derselbe bald alle Hauptgruppen der höheren und niederen Thiere in den Kreis seiner Vergleichung. Indem er zugleich die Bildung der ausgestorbenen Thiere mit den lebenden, den gefunden Organismus des Menschen mit dem kranken verglich, indem er wahrhaft philosophisch alle Erscheinungen des organischen Lebens zusammenzufassen strebte, erhob er sich zu einer bis dahin unerreichten Höhe der biologischen Erkenntniß.

Die werthvollste Frucht dieser umfassenden Studien von Johannes Müller war sein Handbuch der Physiologie des Menschen" (in zwei Bänden und acht Büchern; 1833, vierte Auflage 1844). Dieses klassische Werk gab viel mehr, als der Titel besagt; es ist der Entwurf zu einer umfassenden „Vergleichenden Biologie“. Noch heute steht dasselbe in Bezug auf Inhalt und Umfang des Forschungsgebietes unübertroffen da. Insbesondere sind darin die Methoden der Beobachtung und des Experimentes ebenso mustergültig angewendet wie die philosophischen Methoden der Induktion und Deduktion. Allerdings war Müller ursprünglich, gleich allen Physiologen seiner Zeit, Vitalist. Allein die herrschende Lehre von der Lebenskraft nahm bei ihm eine neue Form an und verwandelte sich allmählich in ihr principielles Gegentheil. Denn auf allen Gebieten der Physiologie war Müller bestrebt, die Lebenserscheinungen mechanisch zu erklären; seine reformirte Lebenskraft steht nicht über den physikalischen und chemischen Gesetzen der übrigen Natur, sondern sie ist streng an dieselben gebunden; sie ist schließlich weiter nichts als das „Leben“ selbst, d. h. die Summe aller Bewegungs-Erscheinungen, die wir am lebendigen Organismus wahrnehmen. Ueberall war er bestrebt, dieselben mechanisch zu erklären, in dem Sinnes- und Seelen Leben wie in der Thätigkeit der Muskeln, in den Vorgängen des Blutkreislaufs,

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der Athmung und Verdauung wie in den Erscheinungen der Fortpflanzung und Entwickelung. Die größten Fortschritte führte hier Müller dadurch herbei, daß er überall von den einfachsten Lebens Erscheinungen der niederen Thiere ausging und Schritt für Schritt ihre allmähliche Ausbildung zu den höheren, bis zum höchsten, zum Menschen, hinauf verfolgte. Hier bewährte sich seine Methode der kritischen Vergleichung ebenso in der Physiologie, wie in der Anatomie. Johannes Müller ist zugleich der einzige große Naturforscher geblieben, der diese verschiedenen Seiten der Forschung gleichmäßig ausbildete und gleich glänzend in sich vereinigte. Gleich nach seinem Tode zerfiel sein gewaltiges Lehrgebiet in vier verschiedene Provinzen, die jest fast allgemein durch vier oder noch mehr ordentliche Lehrstühle vertreten werden: Menschliche und vergleichende Anatomie, pathologische Anatomie, Physiologie und Entwickelungsgeschichte. Man hat die Arbeitstheilung dieses ungeheuren Wissensgebietes, die jetzt (1858) plöglich eintrat, mit dem Zerfall des Weltreiches verglichen, welches einst Alexander der Große vereinigt beherrscht hatte.

Cellular - Physiologie. Unter den zahlreichen Schülern von Johannes Müller, welche theils schon bei seinen Lebzeiten, theils nach seinem Tode die verschiedenen Zweige der Biologie mächtig förderten, war einer der glücklichsten (wenn auch nicht der bedeutendste!) Theodor Schwann. Als 1838 der geniale Botaniker Schleiden in Jena die Zelle als das gemeinsame Elementar - Organ der Pflanzen erkannt und alle verschiedenen Gewebe des Pflanzenkörpers als zusammengesezt aus Zellen nachgewiesen hatte, erkannte Johannes Müller sofort die außerordentliche Tragweite dieser bedeutungsvollen Entdeckung; er versuchte selbst, in verschiedenen Geweben des Thierkörpers, so 3. B. in der Chorda dorsalis der Wirbelthiere, die gleiche Zusammenseßung nachzuweisen, und veranlaßte sodann

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