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Glanzstück seiner Liederproduktion, das weiterhin die Fröhlichen auffordert zu singen, weil das Leben noch mait". Gewiß, der Gang der Zeit ist ernst, und streng erzieht sie ihre Kinder, deren nach rasch enteilten Unschuldswochen harte Aufgaben harren. Aber ebenso gewiß bedürfen wir unter dem Gedränge der Pflicht, des Zwanges, der Überzeugung, das uns immer mehr einem mißmutigen Pessimismus völlig in die Arme zu schieben. droht, eines idealistischen Trostes mit einem Ausblicke auf die Lichtseiten unseres irdischen Pfades, und als einen Leitstern bei diesem nötigen Aufraffen kann man Roquettes Muse vor allem empfehlen. Sie zieht keine Griesgrammiene, wofern sie nur noch ein Fünkchen von Hoffnung in der Zukunft entdeckt, sie legt die Stirne nicht in runzliche Falten, weil sie niemals der Zweifel am Umschlag zum Bessern schüttelt. Darum vermag fie denjenigen auch zu erheben, der vertrauensvoll an ihre Brust flüchtet. Und dabei braucht keiner zu befürchten, daß ihr Gesicht die geschauten Vorgänge einseitig abspiegele: „Ja, im Herzen tief innen ist alles daheim, der Freude Saaten, der Schmerzen Keim. Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn, dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin!" Pruz' Tadel,,er haftet zu sehr an der Oberfläche der Dinge, er macht sich die Poesie zu leicht" stimmt hiernach wohl niemand bei. Mit heißem Bemühen stieg Roquette seit den Ansäßen seines Schaffens tiefer in die Abgründe des Empfindens hinein, mit scharfer Selbstzucht ftieß er den Gischt jugendlichen Überschäumens von dannen. „Das Buchstabierbuch der Leidenschaft" (1878) bezeichnete er mir einmal als sein eigenen Erachtens gelungenstes und als sein liebstes Werk, als wir ám leuchtenden Morgen eines Hochsommertages die waldesduftigen Höhen des paradiesischen Thales von Elgersburg emporklommen. Hier, wo der vollreise Goethe sich so gern abschloß, wenn ihn der Überdruß am Lärme und Getose des Alltags erfaßte, bin ich dem herrlichen Gemüte näher getreten. Sind nun auch sechs Jahre seit jenen mir unvergeßlichen Wanderungen auf dem Hügelkranze des inneren Thüringer Waldes verflossen, so scheint es mir doch, als ob ich nie wieder durch die sinnige Illusion Eichendorffs,,Da draußen, stets betrogen, rauscht die geschäft❜ge Welt" dermaßen über der Minuten Verrinnen hinweggetäuscht werden würde wie damals, als der Vierundsechszigjährige kerzengrad und ohne Stüße am grünen Saum des traulichsten aller deutschen Mittelgebirge neben mir dahinschritt, in scherzgewürztem Geplauder meine unablässigen Fragen aus Litteratur und Leben beantwortend. Schon damals däuchten mich die Reinheit seiner Denkart, die Fülle der Einbildungskraft, das feine Verständnis für die verschiedensten Ereignisse der Praxis und im Reiche der Seele in ihrer vollausgeglichenen Harmonie erstaunlich und einzig. Etwas Goethisches schwebte um ihn, wenn er der lichten Schön

heit in Gedanke und Gedankenkleid das Wort redete, und Lehren des erhabenen Genius, in dessen Spuren wir allerwegs wandelten, erstanden gleichsam auf im Munde dessen, der kurz zuvor „Große und kleine Leute in Alt-Weimar“ (1887) mit geschicktem Stifte wieder erweckt hatte.

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Mancher möchte vermeinen, eine solche Natur könne nur auf dem Boden heiteren Glücks entsprießen, über den selten oder nie Ungemach und Sorge dahingezogen. Die Straße unseres Helden war aber mit nichten eine dornenlose, und er gehört nicht den auserlesenen Sterblichen zu, die sich unbekümmert um des Geschickes Launen nach freiem Gutdünken entwickeln dürfen. Kostete er zwar auf keiner Stufe seines Aufstiegs den Druck, der auf dem von Schicksalstücken geplagten Wanderer lastet, so ward es ihm doch infolge äußerer Umstände leidlich schwer, ein Ziel zu erreichen, wo er Posto fassen und seinem ehrlichen Streben ungestört genügen konnte. Die liebenswürdige Autobiographie „Siebzig Jahre. Geschichte meines Lebens“, deren zwei Bände er sich und uns neulich als hocherfreuliche Geburtstagsangebinde bescherte, liefert über alle wichtigeren,,Stationen seiner Lebenspilgerschaft“ — diesen Titel erfand der bedeutendste Rhetoriker auf dem neudeutschen Parnaß, Robert Hamerling, für Memoiren genaue und anziehende Auskunft. Und namentlich die Knabenjahre samt denen des litterarischen Debüts begleitet da sichtliche Vorliebe, was einerseits den Hang zur Jugend und ihrem Fühlen aufs neue bekundet, andernteils willkommene Urkunden für das Verständnis des individuellen Wachstums an die Hand giebt. Nicht im Chronikenstil, sondern in wohlgefügtem, wenn auch einfachem Vortrage hören wir, daß er einem der vielen Calvinistengeschlechter entstammt, die, vom unduldsamen Ludwig XIV. von Haus und Hof gejagt und von Friedrich III. von Brandenburg, dem ersten Hohenzollernkönige, bereitwillig aufgenommen, die französischen Kolonien" reformierten Bekenntnisses in Altpreußen begründeten. In dem Dorfe Sausé bei Montpellier hatten die Vorfahren als Winzer gewohnt, und Jacques Roquette, des Großvaters Urahn, ein Sohn des heiteren Languedoc, war seit 1698 Mitglied der 1691 privi= Legierten französischen Protestantengemeinde zu Straßburg in der Uckermark. Der wärmende Schein der Fürstengunst und die andauernde Gegnerschaft des Adoptivvaterlandes wider die ehemalige Heimat hatten die meisten Emigrantenfamilien des siebzehnten Jahrhunderts schon fast ganz germanisiert, als die französische Revolution eine neue Einwanderung und zwar diesmal von katholischen Adelshäusern veranlaßte. Die Roquettes 3. B. waren vollkommen mit ihren deutschen Mitbürgern verwachsen, und wenn auch das französische Idiom im engsten Kreise noch hie und da benugt wurde, so wurzelte man doch schon in der dritten Generation fest in der gastlichen deutschen Erde. Verstärkt wurde dieser Übertritt

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noch durch einen neuen Gegensaß. Louis Roquette, des Dichters Vater, der die Rechte studiert hatte, lebte, mit einem Mädchen aus der Berliner französischen Kolonie, Antoinette Barraud, vermählt, als junger Landgerichtsrat zu Krotoschin im Posenschen, wo Otto 1824 geboren wurde, dann als Advokat in Gnesen und Bromberg. Obwohl nun der Sohn im Hause des Großvaters mütterlicherseits, der Prediger zu Frankfurt an der Oder war, sowie auf dem dortigen Gymnasium seine Bildung erhielt, erlangte er früh den Sinn für die Notwendigkeit des deutschen Bewußtseins im Zwiespalte des doppelten Flankenandranges des Wälschen und des Polentums. Preußische Beamtenkinder besigen nur ein Vaterland, keine Heimat, lautet die ererbte Sentenz, an die angelehnt Roquette folgendes ausführt: „Daß wir ein Vaterland hatten, und daß dieses Deutschland und insbesondere Preußen sei, war uns von Kindheit auf gesagt worden. Denn jene französischen Traditionen ließ mein Vater, der unter den Siegern in Paris eingezogen war, auf sich beruhen. Etwas mehr neigte die Mutter zum Kolonieherkommen, doch nur aus Zuneigung zu den Frankfurter Beziehungen. Sie war doch eine gute Preußin und erzählte gern von den großen Eindrücken der Befreiungskriege, soweit sie ihr aus der Kindheit erinnerlich geblieben. Die Kinder aber fühlten sich um so mehr im Gegensaß zum Französischen, als sie jene Vertreibung der Voreltern durch Feuer und Schwert als kürzlich geschehen betrachteten und gleichsam als persönliche Beleidigungen empfanden. Und in unserem Deutschtum befestigte uns erst recht der Gegensatz zum polnischen Wesen, dessen Roheit, Schmuß und Widerwärtigkeit oft genug unsern Weg kreuzte." Freilich hat sich Roquette jederzeit von allem Chauvinismus, insbesondere auch von einseitigem Preußentum gänzlich ferngehalten, vielmehr die übernommene Nationalität ohne übertriebenes Herausbeißen treu in Ehren gehalten und ihr in den poetischen Äußerungen eines von Grund aus deutschen Herzens den edelsten Tribut gezollt. Einen romanischen Tropfen würde man in dem Weine, der seinem Kelche entquillt, vergeblich suchen, es müßte denn sein in dem nimmer schlaffen Walten seiner überaus regen Phantasie. Jenes von ihm so einleuchtend dargethane Verhältnis zur Rabenmutter Frankreich bricht mittelbar wohl noch in der späteren Tragödie,,Die Protestanten in Salzburg" durch, die aus ebendemselben Reservoir schöpft wie die Uranlage von Goethes Hermann und Dorothea".

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Wenig wildbewegt sind die Studien- und Mannesjahre Roquettes verlaufen, wenn man nur den äußerlichen Eindruck veranschlagt. Allerdings haben sie ihn genug in deutschen Landen und auch außerhalb umhergeführt. Vor und nach dem tollen Jahr" 1848 hat er die Universitäten zu Berlin (zweimal), Heidelberg und Halle, mit Geschichte,

neueren Litteraturen und Ästhetik beschäftigt, besucht, an lezterer sodann, wo ihn R. Pruß, der damalige Extraordinarius radikal-belletristischen Anstrichs, der Litteraturgeschichte gewann, die Würde des Dr. phil. erworben und, nach den aufregenden Erlebnissen zwischen den Capriccios der Berliner revolutionsfreudigen Studentenschaft, hierselbst in der „Mitreuterei", der fidelen Studentenbude, eine selige Idylle gefeiert. Bedeutende Geister reichten sich dort die Hände zu anregender Gemeinschaft, so sehr auch später ihre Bahnen sich trennten: der berühmte Augenarzt Alfred Gräfe (der Jüngere), der nachherige Universitätskurator Julius Thümmel, der feinsinnige Shakespeare- und Musikfreund, der preußische Oberhofprediger Rudolf Kögel, der geniale Mime und Dramaturg August Förster, die vor Jahresfrist geschiedene Luise von François, die lezte Recken= burgerin" u. a. An diesen Kreis und sein harmloses und dennoch tiefgreifendes Zusammenwirken hat auch Roquette ein sicheres Gedächtnis bewahrt, wie beispielsweise sein inniger Nachruf an Thümmel und der anknüpfende Bericht über dessen selbständige Shakespeareauslegung in der ,,Nationalzeitung" deutlich belegen, so daß er, am Ende des ersten Bandes seiner Erinnerungen, dieser Periode als einer unvergeßlichen Zeit meines Lebens" den Abschied zuwinken mag. Ist doch in jenen fröhlichen Stunden auch die frische und kecke Dichtung entstanden, der Roquette das schnelle Bekanntwerden und auch den Hauptbruchteil des späteren Ruhmes verdankt: „Waldmeisters Brautfahrt" (1852). Sonst nahm er wenig akademische Einflüsse mit ins Philistertum hinüber. Eine lustig erzählte Anekdote von dem berühmten Philosophen H. Ulrici, der Roquette auf eine - wohl nie gedruckte? Arbeit über die Hamburger Oper des 17. und 18. Jahrhunderts hin promovierte, haftet mir für immer im Ohre: als der formalistische Kathederästhetiker bei der Beweisführung, jedes Stück Shakespeares sei die Inkarnation einer Idee, bei einem Punkte anlangte, wo sein stolzes Dogma in die Brüche ging, half er sich mit dem Schlich heraus, die Idee dieses Werkes sei eben das Fehlen einer Idee!

Süddeutschland, die ihm später lieber und lieber gewordene Hälfte des deutschen Bodens, die Schweiz und Oberitalien hat Roquette darauf durchstreift, nicht zum Schaden der reifenden Erzeugnisse, hiernach in Berlin, 1853 als Lehrer am Blochmannschen Institut (späteren Vißthumschen Gymnasium) zu Dresden sich niedergelassen, 1857-1862, eindringenden fachwissenschaftlichen Studien hingegeben, von neuem in Berlin Aufent= halt genommen. Nachdem er eine Lebens- und Charakterschilderung Johann Christian Günthers (1860) und seine längst nicht nach Verdienst gewürdigte,,Geschichte der deutschen Dichtung von den ältesten Denkmälern bis auf die Neuzeit“ (1862), die vielleicht allein den übertendenziösen

Vilmar ablösen könnte1), veröffentlicht hatte, wurde er 1862 als Professor der allgemeinen Litteraturgeschichte an der königlichen Kriegsakademie angestellt. Die von Roquette ungeschminkt nacherzählte Unterredung mit dem eigentümlich urwüchsigen Johannes Schulze, dem Hochschuldecernenten des Kultusministeriums, ist für beide Beteiligte äußerst bezeichnend. Troßdem der alte Geheimrat als getreuer Jünger seines Meisters Hegel in Roquettes Litteraturgeschichte die zu geringe Rücksicht auf die Philosophie herb kritisierte und dabei auf die neue Zeit mit ihrer Abneigung gegen Ideale und Philosophie stark ausfiel, installierte er den darob erstaunten Bewerber mit dem von einem Schlage auf den Buchdeckel begleiteten Schlußworte: „Na, troßdem! Es ist eine hübsche Arbeit“2). Schon 1863 übrigens verließ Roquette die ihm wenig zusagende Stellung, hielt im Winter 1864 auf 1865 öffentliche Vorlesungen über deutsche Litteraturgeschichte des 18. Jahrhunderts, während er zu Michaelis 1867 den Unterricht in deutscher Sprache und Litteratur an der königlichen Gewerbeakademie zu Berlin übernahm. Erst 1869 gelangte der Fünfundvierzigjährige mit der Berufung als Professor der Geschichte und Litteratur am Polytechnikum zu Darmstadt (wo er also nun gleichzeitig sein silbernes Jubiläum feiert) in eine im großen ganzen seinem Wunsche angemessene Thätigkeit, der er sich seitdem mit Lust und Liebe zu allseitigster Anerkennung gewidmet hat. Von den Kollegen und der Hörerschaft, von seinen Mitbürgern und dem Landesfürsten hochgeehrt, so beging er nun diesen 19. April im traulichen Heim an der lenzprangenden,,Promenade" der hessischen Residenz, wo eine teilnehmende Schwester die Wirtin vertritt; denn Roquette hat, nachdem ein frühes Verlöbnis gerade noch rechtzeitig gelöst worden war er erwähnt diese Episode im gebührenden Zusammenhange nie geheiratet, er, der so oft die echte und wahre Liebe uns vor Augen und siegreich zum Ziele geführt, so daß man ihn einen Meister in dieser Kleinkunst des in Prosaform gespannten, um ein Minneproblem sich drehenden Lebensbildes heißen kann. Erhoffen wir für ihn noch viele angenehme Monde, Jahre der Zufriedenheit, die ihm selbst und der deutschen Lesewelt neue erquickliche Früchte seiner allgemach ruhig und glatt dahinfließenden Poesie spenden möge!

Über den umfänglichen Reichtum seiner Dichtung läßt sich nicht im Rahmen einer knappen Glückwunschskizze Revue abhalten. Zudem bin ich wegen meiner engen Beziehungen zum Jubilar heute keinesfalls der berufene Kritiker. Und gottlob erscheint eine breite Charakteristik seines

1) Alle Lehrer des Deutschen seien auf dies vortreffliche, wiederholt aufgelegte Buch hingewiesen, das durch sachliche und äußere Vorzüge viele weit überragt. 2) Bergl. in M. Herz' Charakteristik Schulzes, Allg. Dtsch. Biogr. 33, S. 18. Beitschr. f. d. deutschen Unterricht. 8. Jahrg. 5. u. 6. Heft.

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