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aber nicht in dem Sinne, daß sie die christliche Religion als eine Bedingu ihres Rechtes fordern.

12. Wenn manche Philosophen und Publicisten die christliche Relig als staatsfeindlich oder doch als ungeeignet für den civilisirten Staat erklär so wird diese Behauptung durch die Thatsache widerlegt, daß der civili Staat vorerst nur in christlichen Ländern entwickelt worden ist.

13. Aber es ist eine zugleich religiöse und politische Wahrheit, daß Christenthum eine vom Staate unabhängige, zunächst nicht für den Et bestimmte Religion ist. Das Christenthum schreibt keine besondere Sta verfassung noch bestimmte Staatsgesetze vor.

14. Die dogmatischen Säße und Gegensäße der christlichen Confession sind kein Ausdruck des staatlichen Bewußtseins. Der Staat braucht darum nicht zu bekümmern, sondern hat dieselben dem Glauben und Freiheit der Kirchen und der einzelnen Individuen zu überlassen.

Kein Dogma ist für den Staat rechtsverbindlich.

15. Von mehr Interesse und Bedeutung für den Staat als das Deg der verschiedenen Kirchen ist ihre Verfassung deshalb, weil in ihr ein Elem der Macht und Autorität zu Tage tritt, welches der Staat verspürt.

16. Einen höhern Werth als Dogma und Verfassung der Kirchen hab für den moderen Staat die sittlichen und humanen Kräfte, welche in christlichen Religion wirksam sind. Diese Kräfte zu schonen und zu schüße ist eine Pflicht und Sorge des modernen Staats.

IV.

Rede des Geh. Raths Dr. Bluntschlk.

Die große Frage über das Verhältniß des modernen Staats zur N ligion und zum Christenthum wird meistens von religiösem und kirchliche Standpunkte aus betrachtet. Dieselbe kann aber auch von dem Boden de Staats aus erwogen werden. Beide Betrachtungsweisen sind berechtigt un geeignet, sich wechselseitig zu controliren und zu ergänzen. Wäre die Au gabe, diese Frage zu erörtern, einem unserer geistlichen Vereinsgenossen ge stellt worden, so hätte er wohl den ersten Standpunkt gewählt und es ver sucht, dieselbe mit dem Lichte des religiösen Bewußtseins und der göttlichen Offenbarung zu beleuchten. Meiner wissenschaftlichen und politischen Leben stellung lag es näher, den zweiten Standtpunkt vorzuziehen, auf dem ich mich sicherer zu halten und freier zu bewegen weiß. In diesem Sinne habe ich die sechszehn Thesen verfaßt, deren kurze Erklärung und Begründung mir nun obliegr

Zu 1. In allen früheren Perioden unserer Geschichte war die Gemeinschaft Religion entweder eine Grundbedingung oder eine Hauptwirkung der atsgemeinschaft. In den antiken Staaten waren noch Religion und Recht 3 innigste verbunden und gemischt. Bei den Juden war das ganze ht von der Religion bestimmt und beruhte auf dem Gesetze Gottes, nicht Menschen. Bei den Römern war die Religion, soweit sie in der Verung der Götter sich darstellte, eine Anordnung des Staates und beruhte dem Gesez des römischen Volkes. Der alte jüdische Staat war Reionsstaat, die römische Religion war Staatsreligion. Jene Verdung war dem Staate schädlich, diese Mischung trübte die Religion.

Seitdem das Christenthum die Religion von der Autorität des Staates reit und in der Kirche eine eigene Gestaltung des gemeinsamen religiösen Dens geschaffen hat, war zwar die Unterscheidung der beiden Körper, Staat Kirche, eingeleitet; aber dek mittelalterliche Staat und sein Recht blieben zdem religiös gebunden. Volles Recht im Staate hatten nur die orthoren Christen und der Staat selbst, als das Reich des Leibes, gerieth in e knechtische Abhängigkeit von der Kirche, als dem Reiche des Geistes. ich die Kirchenreform, die unter dem Schuße des Staates vollzogen ward, derte nur das Verhältniß von Staat und Kirche, und ordnete jenen in Berlichen Dingen über diese. Aber der Staat blieb dennoch Confessions_at. Der Kirchenstaat ist die ausgeprägteste Institution der römischholischen Grundansicht des früheren Mittelalters, die englische und die utschen Staatskirchen sind die klarsten Darstellungen der protestantischen cinungen in den ersten Jahrhunderten nach der Reformation.

Erst mit dem Beginn der wahrhaft neuen Zeit, und wir dürfen sie ht vor 1740 datiren, ersteht der moderne Staat mit seinem geistigen d freieren Staatsbewußtsein. Erst von da an erkennt sich der Staat als echtsgemeinschaft und nicht mehr als Religionsgemeinschaft, und erwirbt mit die Fähigkeit, seinen Einwohnern religiöse Freiheit zu gewähren und rschiedene Kirchen mit gleichem Rechte zu umschließen. Das moderne taats- und Privatrecht ist nicht mehr gebunden an ein bestimmtes reliöses Bekenntniß. Wir wissen nun, daß der Rechtszwang keine Macht über s innere Seelenleben und dessen Beziehungen zu Gott üben darf, und hüten is davor, mit den Mitteln der Staatsgewalt das religiöse Gewissen zu echten, das nur dann echt und wahr sein kann, wenn es frei ist. Das oderne Recht ist in weit höherem Grade als das mittelalterliche ein ge= eines und gleiches Recht für Alle, gerade deshalb, weil es nur da und berall da ordnend einwirkt, wo die Nothwendigkeit dessen mit menschchen und nationalen Gründen erwiesen werden kann und daher von llen anerkannt werden muß, mögen sie so oder anders über Gott denken.

Gewiß ist der moderne Staat nicht bloße Rechtsgemeinschaft. Die dingungen seines Lebens, die Kräfte, über die er verfügt, die Ziele, die anstrebt, sind nicht durch den Rechtsbegriff zu erfüllen und zu bestimme Er ist voraus als Organisation eines Volks auch eine politische Perso Der Geist, der in ihm lebt und wirkt, ist politischer Geist. Die Kirche find ihre Einheit in dem religiösen Gemeingefühl, der Staat die feinige in de politischen Gesammtbewußtsein. In der Kirche ist die Verbindung de Menschen mit Gott, im Staate die Verbindung der Menschen m den Menschen maßgebend. In jener waltet der Glaube, in diesem Wille. Die Kirche bedeutet Hingebung der Menschen an Gott, der Sta bedeutet Selbstbestimmung des Volks.

Zu 2. Der Staat kann nach eigenem freiem Ermessen seine äußeren z stände ordnen und sein Leben bestimmen. Aber alle Macht und alle Ener des Staats reichen nicht aus, um eine religiöse Wahrheit zu begründen od zu entkräften. So wenig der Staat seiner Natur nach eine wissenschaftlic Autorität besißt, ebensowenig kommt ihm eine religiöse Autorität zu. G einfacher, armer Gelehrter kann in wissenschaftlichen Dingen Recht behalte gegenüber dem mächtigsten Staate, weil die stärkste Armee die überzeugen Macht einer richtigen Beobachtung und eines logischen Schlusses nicht überwinden vermag. Ebenso kann das fromme Gemüth eines machtlose Privatmanns oder einer schwachen Frau voller und tiefer von göttliche Geiste ergriffen sein, als der Staat in seiner Majestät.

Kein anderer Religionsstifter hat die Unabhängigkeit der Religion vo der Politik entschiedener anerkannt und bewährt als Christus. Weder di Interessen der jüdischen noch die der römischen Politik bestimmten sein Leben Er wies sie entschieden weit von sich weg, so oft auch die Versuchung a ihn heran trat, an den politischen Kämpfen seines Zeitalters sich zu bethe ligen. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Im Widerspruch mit den Judenstaat und mit dem Römerstaat breitete sich die christliche Religion erf in Palästina und unter den Juden, dann in dem weiten römischen Welt reiche aus. Die christliche Wahrheit und die christliche Gesinnung leiten ihr Kraft nicht ab von dem Gebote des Staats.

Aber auch der Gegensaß ist wahr. Der Staat ist wirklich das Reid dieser Welt, von selbstbewußtem menschlichem Geiste erfüllt, von eigene männlichem Willen bestimmt. Wie Christus die Unabhängigkeit der Religion von dem Staate erkannt und begründet hat, so haben schon die Römer die Selbständigkeit des Staats auch der Religion gegenüber begriffen. Sh Irrthum war nur die Ueberspannung dieser staatlichen Freiheit zur Herr schaft auch über die Religion. Der moderne Staat behauptet jene Freiheit in vollem Umfang und maßt sich diese Herrschaft nicht mehr an. Wenn er seine Geseze gibt, so erwägt er in verständiger Prüfung der Gründe das

ir das Gemeinleben Nothwendige, wenn er handelt, so verfolgt er menschche Ziele mit menschlichen Mitteln. Er weist jene Autorität der jüdischen ropheten, die im Namen Gottes bald hemmend, bald aufregend in die olitik eingriffen, als staatswidrig weg. Nicht was die Priester fordern, ndern was die Staatsmänner zweckmäßig finden, will er ausführen. Der Segensaß der Religion und der Politik ist in keiner Epoche der Welteschichte klarer hervorgetreten, und wahrhaftig nicht zum Schaden weder der teligion, noch der Politik, als in der unsrigen.

Zu 3. Die sorgfältigere Unterscheidung von Religion und Politik, Kirche und staat macht zwar beide reiner und freier, aber sie zerreißt doch nicht die zahleichen Beziehungen beider zu einander und hindert nicht ihre Wechselwirkung.

Was die Begriffe und die Institutionen scheiden, das fließt in den einInen Menschen und in den Völkern wieder zusammen. Derselbe Mensch ird je nach Umständen religiös oder politisch bewegt: und nur seltene Ausahmen sind diejenigen Menschen, welche ganz und gar entweder nur der teligion oder nur der Politik leben. Die Natur der Völker ist nicht einitig und folgt nicht ausschließlich der einen Richtung.

Allerdings wird der moderne Staat nicht mehr vorzugsweise von.reliiösen Motiven geleitet, wie der mittelalterliche Confessionsstaat. Nicht blos er Religionskrieg, auch eine confessionelle Friedenspolitik ist heute ein Inachronismus. Aber jeder unbefangene Blick auf die heutigen Staaten berzeugt sofort von der fortwirkenden Macht der religiösen Gegensäße auch t politischen Dingen.

Der moderne Staat ist in hohem Grade national; und schon die Beachtung der Völkerfamilien zeigt, daß Confession und Nation in einer ewissen Beziehung zu einander stehen. Es ist kein Zufall, daß unter den omanischen Nationen der Katholicismus, unter den germanithen Völkern der Protestantismus, und bei den Slaven die griechiHe Religion überwiegt. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Geistesnlage dieser Racen und ihrer Religion.

Eine Nation, welche in religiösen Dingen sich der Autorität ihrer Prieerschaft gedankenlos und gläubig unterwirft, wird eher zu bestimmen sein, ch auch der Autorität der Staatsgewalt widerstandslos und demüthig zu nterwerfen, freilich nur so lange, als die obrigkeitliche Autorität nicht der riesterlichen widerspricht. Sie läuft überdem die Gefahr, daß ihre politihen Häupter in geistige Knechtschaft gerathen gegenüber der Hierarchie, elche sich mit dem Nimbus göttlichen Lichts und heiliger Unfehlbarkeit umebt. Die enge Allianz der absoluten Monarchie in Spanien, Italien und esterreich, theilweise auch in Frankreich, mit dem kirchlichen Absolutismus ährend Jahrhunderten erklärt sich aus dieser verwandten Seelenstimmung er Häupter des Staates und der Kirche. Wenn in neuerer Zeit auch die

katholischen Fürsten, nach dem Vorgange der französischen Könige, eine selb ständigere Stellung gegen die päpstliche Curie eingenommen haben, so folge sie hierin nur dem politischen Charakter der modernen Weltperiode. M schwer es aber auch heute noch den katholischen Fürsten und den katholische Nationen wird, wahrhaft frei zu werden von der Herrschaft der Hierarc und wie leicht hier wieder der politische Geist von religiösen Vorurtheile getrübt und verwirrt wird, das zeigt am deutlichsten die Eristenz und w Macht der ultramontanen Partei in Deutschland und in ganz Euro In dieser Partei sind mittelalterliche Romantik und hierarchische Herri sucht zu einem gefährlichen Tranke gemischt. Fürsten und Völker, weld sich an dieses Gebräu gewöhnen, verlieren das Verständniß für den heutige Staat und ihr politischer Charakter wird entmannt. Größer ist die Mad des Ultramontanismus im Süden als im Norden. Aber sie ist auch für de Norden beunruhigend, denn sie ist eine ernste Gefahr für den Frieden Eur pas und für die Culturentwicklung der Menschheit. Soll der Fortschritt de Menschheit gesichert werden, so muß noch einmal mit dieser Macht, die ihren Neßen die Höchsten und die Niedersten umsponnen hält, abgerech und diese Cardinalfrage zum Abschluß gebracht werden. Für diesen bev stehenden Weltkampf hat auch der Protestantenverein an seinem bescheiden Orte Etwas zu leisten. Er soll auf der protestantischen Wache stehn. soll das Bewußtsein protestantischer Wahrhaftigkeit lebendig erhalter Kein protestantisch-orthodoxes System hat die Macht, den Ultramontonism geistig zu überwinden. Die ultramontane Orthodoxie ist stolzer, zuversic licher und consequenter als alle protestantische Orthodoxie. Nur die protestan tische Geistesfreiheit ist der ultramontanen Beschränktheit überlegen. Nurs kann dieselbe niederkämpfen.

Eine Nation dagegen, welche in religiösen Dingen den Priestern kein absolute Autorität zugesteht und sich zu freier, verständiger Prüfung and des kirchlichen Glaubens hinneigt das ist aber der Grundcharakter de Protestantismus eine solche Nation wird auch in politischen Dingen si eher gegen den Absolutismus zu wehren verstehen und auch die Staat autorität controliren wollen. Im Besize religiöser Freiheit wird sie di politische Freiheit früher erwerben und entschiedener bewahren. Die prote stantisch - germanischen Völker haben daher vor den romanisch-katholisch die politische Freiheit errungen, und der moderne Staat hat bei jenen frühe als bei diesen Wurzeln geschlagen. So gingen die germanischen Nieder lande nicht blos Spanien, sondern sogar dem halbromanischen Belgien vor aus. Auf dem protestantischen Boden Englands hat sich zuerst die constitu tionelle Monarchie, in den protestantischen Colonien von Amerika hat sid zuerst die repräsentative Demokratie entwickelt. Innerhalb der deutscher Nation hat in dem protestantischen Preußen Friedrich der Große zuerst die

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